Donnerstag, 30. Dezember 2010

Das Häschen im Hütchen

Hmn, wo steckt sie denn? Ich wittere sie doch. Die kleine Schlampe. Ich wittere sie. Hat sich wohl wieder versteckt. Aber mit mir kann sie das Spiel nicht ewig treiben. Ich suche mal. In der Kiste? Nein. Sicher nicht. Darin ist es finster. Aber wenn doch? Nein erstmal woanders gucken. Dieses Biest. Bildet sich wohl ein mich verarschen zu können, da hat sie sich aber mit dem falschen angelegt.
Mensch, duster ist's aber auch hier drunten. Werd' mal neue Lampen kaufen. Verdammtes Kellerloch. Na wo ist sie denn? Put, put, put, put! Na wo ist sie denn?
Kleine Fickschlampe.
Bin im Kreis 'rum.
Was nun?
Na, vielleicht doch die Kiste. Schauen wir mal rein. Knarzt aber sehr der Deckel. Aber ach, wen haben wir denn da? Meine kleine Fickschlampe. Weglaufen konnt' sie ja nicht. Die Füße hab ich ihr ja schon abgeschnitten. Schreien kann sie auch nicht. Zähne und Zunge hab ich ihr ausgerissen. Die Zunge hat besser geschmeckt als die Füße. Ja was? Ich war neugierig. Aber da ist sie ja in der Kiste. Laß ich sie drin? Lieber nicht, da bekommt sie doch keine Luft. Ein bisschen Atmen muß ja jeder Mensch.
Aber nun. Was machen wir denn mit ihr. Ich zieh sie erstmal aus der Kiste. Was denn? Wehrt sich das Miststück. Fotze. Schlag sie, schlag sie! Kleine Drecksschlampe.
Ich zieh sie in die Ecke und mach sie wieder fest an den Ketten. Werd' ihr wohl die Hände abschneiden müssen. Zu schade, die sehen noch ganz gut aus. Der Rest ja nicht mehr so.
Dreckig ist sie. Ich wasch sie wohl mal. Ein bisschen wenigstens.
Da wehrt sie sich wieder. Kann doch nicht wahr sein. Läßt sich nicht mal putzen, das Stück! Dann halt nicht. Aber wenn sie verreckt, ist's ja nicht meine Schuld.
Ich guck sie an. Na kleines Miststück? Wolltest mich heute wieder ärgern? Aber nicht mit mir. So einfach ist das nicht.
Ich schieb ihr den Schlauch in den Rachen. Damit kann ich sie füttern. Manchmal spuckt sie es ja wieder aus. Aber das ist nicht oft, seit ich ihr die Zunge genommen hab.
Nach dem Füttern muß ich aber los.
Verdammt ich wollt sie doch noch schön in den Arsch ficken.
Egal. Die Arbeit ist auch wichtig. Na hoffentlich hat die Putzfrau mein Büro diesmal ordentlich gemacht, sonst gibt’s wohl bald zwei Ärsche in meinem Keller.

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Alltagssyndrom

Ich sitze in der U-Bahn, blicke mich um und friere, wegen der immer wieder hereingetragenen Winterkälte – naßkalt ist es, und das ist schlimmer als die knackige trockene Eiseskälte, welche wir an anderen Tagen vom Ostwind aus Sibirien eingeflogen bekommen haben. In regelmäßigen Abständen drücke ich die Handschuhe fester an die Hände darin, als ob dies mein Frösteln verringern würde. Jedoch ist diese Handlung nichts weiter, als ein Ausdruck einfachen Wunschdenkens.
Ich schaue mich ein weiteres Mal um, die Bahn hält, Leute steigen aus, wieder andere steigen ein und tragen unsichtbare Wolken winterlicher Kälte wie an Leinen gezogene Haustiere hinein.
Mir gegenüber sitzt ein Mann mittleren Alters und liest mit augenscheinlicher Begeisterung einen dieser modernen Kriminalromane, mit welchen ich ja nun beileibe und wahrlich gar nichts anzufangen weiß. Daneben sitzt ein weiterer Mann und schaut ins Leere; ebenso die junge Frau links von mir. Mein Blick schweift weiter und meine Gedanken driften ab. Hinter jedem dieser Gesichter verbirgt sich ein Leben, eine oder ein Haufen an Geschichten und Erzählungen – von der Arbeit, der Party letzte Nacht, dem Mädchen das noch in dem Bett liegt, das so mancher zu dieser frühen Morgenstunde schon längst hinter sich gelassen hatte. Hinter anderen steckt nichts, kein Leben, keine Hoffnung, keine Wahrheit, geschweige denn eine Lüge. Leere Hüllen im täglichen Grau zwischen Tag und Nacht. Unsichtbar für die meisten ...
Abrupt werde ich aus den Überlegungen gezerrt. Aus der Sprechanlage ertönt die Bandaufnahme einer Frauenstimme, die die nächste Station ansagt. Hier muß ich raus. Ich stehe auf, gehe zur Tür und drücke bei Stillstand den Knopf zum öffnen. Mit seiner ganzen Gewalt an Kälte und Minustemperaturen schlägt der Winter mir gnadenlos ins Gesicht, läßt mich erzittern, als ich aussteige.
Nun ein Stück laufen. Der nächste Bahnhof ist nicht weit. Um Zeit zu sparen gehe ich quer über die Kreuzung und blicke mich nicht einmal um, ob vielleicht ein Auto angebraust kommt. Es ist mir eigentlich auch egal. Vor der Brücke biege ich rechts in die Seitengasse, dann links die Treppe hinunter und schon stehe ich am Bahnsteig. Ein eiskalter Wind bläst hier, wie durch einen Kanal. Ich suche also in einem der Häuschen Unterschlupf und drehe mir eine Zigarette, die ich anschließend in größter Eile aufrauche um schnellstmöglich wieder meine Handschuhe anziehen zu können. Ein Güterzug schießt mit hoher Geschwindigkeit vorbei und die Luft, welche er transportiert, fühlt sich an wie Rasierklingen im Gesicht. Ich werfe die Kippe fort und schlüpfe von links nach rechts laufend in die Handschuhe.
Dann kommt die S-Bahn. Die Türen öffnen sich. Für die letzten fünf Minuten meiner allmorgendlichen Reise drücke ich mich zwischen die dosenfleischartige Menschenmasse und versuche noch etwas Wärme zu tanken.

Montag, 13. Dezember 2010

Nightliner Track 2: Katzenaugensonnenaufgang

Twist brauchte eine Pause. Also machten wir unsere Schlafsäcke zurecht, denn am Ende des Himmels wurde es wieder heller. Ed setzte sich auf seine Woll-Decke, die er überall hin mitnahm und schälte sich eine Mandarine, der Prof. schaute nur apathisch in den Horizont hinein. „Suchst du was, Prof.?“, fragte ich. „Einen Sinn, Floppy. Ich suche einen Sinn.“ – „Den Sinn für unsere Reise? Für unser Dasein? Wofür?“ - „Für uns. Das Projekt ist vielleicht waghalsig, doch es ist der einzige Ausweg aus unserer Ausgrenzung gegenüber den anderen Menschen.“ Seine weiße Iris wurde nun stärker sichtbar und die Pupillen zogen sich zu den Schlitzen zusammen, die jeder von uns in den Augen hat, wenn die Sonne auf unser Antlitz einstrahlt. Twist schloss die Augen und zwischen den Lidern flossen kleine Bäche aus Tränen seine blassen Wangen hinunter. Ed nahm ihn wortlos in den Arm und schloss ebenfalls die Augen. „Prof., wir müssen schlafen.“ – „Schlafen und hoffen, dass uns hier niemand findet.“, vervollständigter er meinen Satz.
Es gab mal eine Zeit, in der ich am Tag spazieren gehen konnte, ohne Sonnenbrille tragen zu müssen. Eine Zeit, in der ich wohl in die Gesellschaft eingegliedert war. Doch die Zeit ist schon einige Jahre her. Ich vermisse sie. Ich empfinde mich nicht einmal als eine Weiterentwicklung der menschlichen Spezies. Es ist wie eine Behinderung, nur in der Nacht wach sein zu können. Ich würde mir am liebsten endlich mal wieder einen Sonnenaufgang anschauen, doch sobald ich in das Tageslicht sehe, ist es als würden tausende spiralförmige Nadeln in meine Augäpfel stechen und das Gallert herausschälen.
Ich zog den Reißverschluss meines Schlafsackes zu und legte mich in eine halbwegs angenehme Position. Welche Erde trägt mich noch, welche Arme der Allmutter halten mich? Twist schluchzte leise und Ed redete ihm gut zu. Dann schlief ich bei der aufgehenden Sonne ein.

Nightliner Track 1: --

Die Nacht war kühl, etwas zu kühl für Mitte Juni, doch der Prof. sprach mir nette Worte zu und so band ich mir nur die Schuhe, bevor ich meinen Körper wieder in eine aufrechte Haltung bewegte. Ein tiefer Atemzug signalisierte meinem Gehirn, dass wir schon weit von Erfurt weg waren und uns nur die Schwärze und die klare Luft blieb. Hohes Gras drückte sich links und rechts neben dem Asphalt hervor und die Röte, welche Erfurt hinter uns in den Himmel spie, wurde durch die unberührte Pflanzenwelt dieser selten befahrenen Landstraße einfach erstickt. Das Rauschen des Mischwaldes zu unserer Linken und das Flüstern eines kleinen Bachlaufes zu unserer Rechten entspannte mich ein wenig mehr und ich fischte eine knittrige Zigarette aus dem Softpack. Der Prof. drehte sich zu mir um und ich konnte seine blasse Haut mit den tiefen Furchen im Mondlicht so gut erkennen, als ob es jemand mit einer Spiegelreflexkamera fotografiert und die Kontraste erhöht hätte. „Vegas liegt noch einige Kilometer entfernt. In ein paar Wochen müssten wir dort ankommen.“
Achja. Vegas. Der Grund, weswegen wir eigentlich hier durch die nächtlichen Wälder Thüringens wanderten. Nicht Las Vegas. Jeder weiß, dass Las Vegas in Amerika ist und da zu Fuß hin zu gehen, wäre einfach nur eine idiotische Idee. Wir müssten Jahre laufen. Und schwimmen. Nein, das Vegas, welches der Prof. meinte, war ein anderes.
Ich nickte stumm und folgte ihm weiter auf dem bröckelnden Asphalt dieser Bundesstraße. In weiter Ferne sah ich ein paar grellblaue Xenon-Scheinwerfer durch die Bäume rennen. Ich setzte meine Sonnenbrille auf und drehte mich von dem vorbeifahrenden Auto weg . Wenn man Fahrzeuge nur hört, nicht sieht, ist der Doppler-Effekt viel verblüffender.
Für einen Moment bestand noch die Lähmung doch Twist klatschte mir leicht gegen die Wange und ich kam wieder zur Besinnung. Manchmal vergas ich einfach, dass er da war. Twist war immer so ruhig. Sein Stadium sei noch sehr früh, sagte mal der Prof. zu mir, als Twist versuchte auf dieser Party ein Mädel klar zu machen doch kaum reden konnte. Irgendwann verzog er sich ins dunkle Badezimmer und hörte Musik über seinen MP3-Player. Das Bad war glücklicherweise fensterlos, sodass Twist dort entspannen konnte. „Danke, Twist.“, sagte ich zu ihm und er zog mich, wie ein kleines Kind am Ärmel und signalisierte mir, dass er weiter wollte. Vegas. ‚Ich hoffe es ist keine Illusion, die uns der Prof. da auftischt.‘, sagte ich still in diesem Moment zu mir, atmete noch einmal tief diese wunderbare Nachtluft ein und folgte den Konturen des schwarzen Ledermantels von Ed, der gerade vom Pinkeln wieder kam.

Sonntag, 12. Dezember 2010

Sieh nicht weg ...

Wir leben um zu genießen. Klangwelten wachsen wie Blumen in unsere Hirne hinein, breiten sich aus und tropfen mit der Zähigkeit von Honig über den Rand der Erdscheibe. Flach wie eine Briefmarke aus dem Album des Großvaters, stößt dein Atem nach außen in die kalte klare Winterluft. Du spürst den frisch gefallenen Schnee zwischen deinen frierenden Zehen hindurchquellen, als du einen Schritt nach vorn machst. Du spürst wie er schmilzt und das Wasser wieder an deinen Füßen herab sickert um auf dem eisigen Boden erneut zu gefrieren.
Der Baum neben dir, er atmet. Er lebt und sucht nach dir. Sein Geäst, nach unten gezogen vom Gewicht der weißen Massen, streift deine Schultern. Du schaust ihn an, berührst seine knorrige, faltige und rissige Haut mit deiner Hand – mit der freien Hand, denn in der anderen hältst du dein Leben; fest umklammert mit deinen dünnen weißen Fingern.
Ein Blick nach oben. Eine Krähe hatte soeben gerufen und fliegt nun gen Horizont. Du schaust ihr noch eine Weile nach, bis sie ganz verschwunden ist in dem leichten Dunst fernen Hochnebels.
Ein weiterer Schritt vorwärts, deine Hand läßt ab von der Haut des Baumes und hinterläßt lediglich einen purpurnen Abdruck.



In Erinnerung an eine Freund.

Samstag, 4. Dezember 2010

Ficken!

Verfickte Scheiße. Mein Schwanz schwillt ins Enorme angesichts dieser unheiligen Geilheit, welche sich vor mir offenbart. Ihre Titten sind perfekt und ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung woher sie kommt oder was geschehen ist, daß sie hier auftauchte. Sie war einfach da. Perfekt, sexy, geil, mit der schönsten Fotze versehen, die ich je sah. So stand sie vor meinen Augen, geilte mich an, steckte mich an, fragte mich nicht einmal.
Ich weiß nicht, wie sie hieß. Ist das überhaupt relevant? Ich meine, sie war feucht! Naß - um genau zu sein. So feucht, daß jeder ertrunken wäre, wenn er versucht hätte sie zu lecken. Definitiv muß man sagen, daß sie die Frau war/ist die jeder Typ mal bumsen will. Blonde lange Haare, guter Körperbau, eins-siebzig hoch. Einfach hammer - einfach. Sie hatte dieses perfekte Aussehen und hatte dazu auch noch diese perfekte Ausstrahlung.
Nein sie war kein Pornstar, nein sie war kein Model, nein sie war nicht einmal im TV, und schon gar nicht bei RTL. Sie war einfach nur wunderschön. Das war es wohl was sie ausmachte. Das war es wohl was mich so anregte, als sie meinen Schwanz ritt.

Samstag, 27. November 2010

Die Nummer (Teil 1)

"Maaan, wie ich grad Bock hätte, eine von diesen minderjährigen Tussis zu ficken.", stöhnte Pete halblaut.
"Ey, wir sind nicht zum Spaß hier.", gab Frank zurück, "Wir haben noch was zu tun.".
"Kannst du das nicht alleine machen und ich geh in der Zwischenzeit meinen Lümmel ins Honigtöpfchen stecken?". Er grinste und deutete auf eine höchstens 16 Jahre alte Brunette. "Die da will ich." Die irgendwie perverse Mischung aus schmolligem Kleinkind und notgeilem Halberwachsenen brachte auch Frank zum Grinsen.
"Jaa, dann geh halt, ich mach das schon."

Und so begann der Abend, an dem ich Frank und Pete zum ersten Mal traf. Natürlich hatte ich von dem Gespräch nichts mitbekommen und Frank auch erst gefunden, als Pete schon woanders war. Den sah ich später am Abend auch noch, in einer Situation, die sich tagelang hartnäckig in meiner Erinnerung festkrallte.

Nachdem ich einige Zeit ruhelos zwischen den verschiedenen Räumen und dem Garten hin- und her gelaufen war und dabei einen Liter Bier gedankenverloren in großen Schlucken in mich hineingeschüttet hatte, setzte ich mich allein in die Mitte der Rasenfläche, zog bewusst langsam das klobige, metallisch im gelben Licht der Straßenlaterne schimmernde Feuerzeug aus der Tasche, dann das rote Gauloises-Softpack, zündete mir eine Zigarette an, blies zwei Rauchringe in die Luft und legte Feuerzeug und Zigarettenpäckchen neben mich ins Gras. Ich musste nicht lang warten, bis Frank sich neben mich setzte und sich dafür entschuldigte, dass Pete "leider verhindert" sei. Kurz überlegte ich, die ganze Sache abzubrechen, aber im Prinzip brauchte ich Pete ja nicht. Irgendwo ganz tief drin war ich sogar froh, dass er nicht dabei war, nicht weil ich Angst davor hatte, ihn zu treffen, sondern einfach weil ... Tja, keine Ahnung warum. Also nahm ich den kleinen, zerknitterten Zettel von Frank entgegen, tippte die daraufgekritzelte Zahlenfolge in mein Handy, schickte sie an DIE NUMMER (so hatte ich Frank am Telefon meinen Kontakt benannt) und stellte den Timer auf 2 Stunden und 15 Minuten. Dann steckte ich das Handy weg und den Zettel in Brand, zündete mir eine Zigarette damit an und bot auch Frank eine an.

Sonntag, 7. November 2010

Das Vorbild

Das ständig in verschiedenen Farben und Formen durch die Halle flackernde Licht blendet mich, frisst sich in mein Gehirn und brennt Löcher in ethanolgetränkte Synapsenbündel. Meine Augäpfel vibrieren und außerhalb des Punktes auf den ich mich konzentriere kann ich nur noch verschwommene Muster, Formen und Menschen wahrnehmen. Direkt vor mir tanzt provokativ und aufreizend irgendeine Schlampe in einem kurzem, weißen Rock und wirft mir ihren Duft, ein Gemisch aus billigem Parfüm, Schweiß und ungewaschener Fotze ins Gesicht, bis sie schließlich verschwindet. Mir ist schlecht. Ich versuche aufzustehen und es dauert eine gefühlte Ewigkeit voll absolut würdeloser Versuche bis jemand sich meiner erbarmt, mich hochreißt und in Richtung Tür schleppt. Blicke voller Abscheu und Ekel treffen mich und ich grinse zurück, lachend, einen Speichelfaden am Mundwinkel, als gelte es, irgendwelchen Paparazzi hinter ihren blitzenden Kameras zu einem guten Foto zu verhelfen. Plötzlich schlägt mir feuchte Kälte entgegen, kurz darauf lande ich am Rand eines Gebüsches auf dem nassen, gepflastereten Boden, Regen tränkt binnen Sekunden meine Kleidung, meine verklebten Haare, mein ganzes Ich. Ein Stück Klarheit kehrt zurück und ich stelle fest, dass der Abend vorbei ist. Meine Aufgabe ist getan, sinniere ich in betrunken-zerstörter Art leise vor mich hin, die Menschen haben mich gesehen, sich vor mir geekelt, mich verabscheut, mich ausgestoßen und sich selbst damit gereinigt. Meine Aufgabe ist getan... Jetzt kann ich nach Hause gehen, beruhigt und erleichtert... Ich hangele mich an dem Busch auf die Beine, mache einen wackeligen Schritt und... Irgendetwas schießt durch die rosa Zuckerwatte, die meine Gehirnmasse geworden ist. Ich blinzele. Und wieder zischt es vorbei, diesmal langsamer. Dann fällt es mich wie ein Blitzschlag einen morschen Baum. Ich habe gar kein Zuhause...

Donnerstag, 4. November 2010

Wir haben verloren

wir krümmen uns
auf teppichen
zusammen
um nicht herunterzufallen
zusammen
um nicht allein zu sein

wir verschmelzen uns
mit flüssigem metall
miteinander
sodass unsere extremitäte nie wieder auseinanderreißen
miteinander
um nicht ohneeinander diese wege zu beschreiten

wir schauen in die sterne
und stehen bewegungslos
nebeneinander
um uns die schönsten bilder des nachthimmels zu zeigen
nebeneinander
um nicht allein in die nacht zu fallen

haben wir verloren?

Ein komischer Morgen

Ein leises Kratzen, ein leichtes Tatzen und ein putziges Schmatzen. Rike öffnete langsam und mit etwas gequälter Miene die Augen. Und da saß sie. Genau auf ihrer Brust saß diese Katze. Schwarze Streifen, braune Streifen und tiefe goldene Augen. Sie schaute Rike damit an, als wollte sie etwas bestimmtes sagen.
Ein Maunzen und ein Katzengähnen. Rike pustete sie an. Die Katze bewegte sich wahrlich keinen Millimeter von der Stelle, sondern schaute sie weiterhin aus ihren großen Augen an. Wie war diese Katze hier hereingekommen? Und dann dieser gräßliche Geschmack von der letzten Zigarette von gestern Abend.
Rike blickte auf ihren Wecker und mit einem Mal war sie hellwach. Sie packte die Katze, warf sie in die Luft, düste mit einem Affenzahn, die Worte "Scheiße" und "Fuck" hochfrequentiert wiederholend, durch das Zimmer, sammelte Klamotten zusammen, machte einen Abstecher in die Küche, drückte auf den kleinen roten Knopf an der Kaffeemaschine und blieb schlußendlich vor der Badezimmertür stehen. Da schoß es ihr durch den Kopf: Was ist denn jetzt mit der Katze? Verschlafen hin oder her.
Sie ging wieder zurück in ihr Schlafzimmer und schaute hinein. War sie weg? Und doch da oben an der Decke hing sie, nein, saß sie! Rike blinzelte, schaute noch einmal genauer hin. Nein! Das kann doch unmöglich sein. Da saß eine Katze an ihrer Zimmerdecke und schaute sie an. Sie schüttelte den Kopf und ging Duschen, Schminken, dann Zähne putzen und dann … NEIN! Zahnpasta und Kaffee! Das geht doch nun mal gar nicht! Okay. Thermoskanne ausspülen, Kaffee einfüllen und dann los.
Rike stand schon an der Tür; da überkam es sie ein weiteres mal. Sie ging zurück in ihr Zimmer und blickte sich um, aber die Katze war verschwunden. Was für ein seltsamer Morgen, dachte sie und begab sich kopfschüttelnd mit einer qualmenden Zigarette im Mundwinkel auf den Weg zur U-Bahn.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Spuren im Schnee II

Monoton und hypnotisch wummern die Bässe durch meine Eingeweide und hinterlassen ein immer stärker werdendes unzufriedenes Zittern. Ich verlasse die Tanzfläche auf wackeligen Beinen in Richtung Ausgang. Beim Aufstoßen der Tür schlägt mir klirrende Kälte ins Gesicht, krabbelt kurz darauf durch mein schweißnasses Shirt und lässt mich direkt neben der rostigen Stahltür erstarren. Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel; "Wie die Asche verbrannter Engelsflügel", schießt mir durch den Kopf, "nach der letzten Schlacht um das Himmelreich."
Ich zünde mir die letzte Zigarette, die ich in dem zerknüllten Softpack finde, an (wie passend) und laufe los, schreibe eine frische Spur in die ansonsten makellose Schneedecke. Irgendwo in der Ferne höre ich ein paar Betrunkene grölen, an einer Straßenecke stehen ein Männlein und ein Weiblein eng umschlungen im Schneegestöber. Ich schlage den Weg in die Felder ein, dorthin wo niemand sonst ist und setze mich schließlich auf die Lehne einer eingeschneiten Bank, sehe auf die Felder und die schwach beleuchteten Straßen hinab und warte auf das für kurz nach zwei Uhr vorhergesagte Ende der Welt.

Freitag, 1. Oktober 2010

Un-Ich

Ich sitze also hier herum, lasse das neue Album von den Chemical Brothers laufen, danach Londinium von Archive, und schaue der Zeit beim Vorbeifliegen zu, greife nach einzelnen Sekunden, halte sie in meinen Händen gefangen weil ich glaube dass sie etwas bedeuten, betrachte sie ganz genau, von jeder Seite und lasse sie dann wieder frei. Sich in irgendwas zu verlieren ist so einfach, das Wiederfinden ist es, das schwer fällt. Konzentration ist ein wertvolles Gut, aber schnell getauscht für Träumerei, für das Gefühl des Fliegens zwischen tausend Stimmen und Stille, zwischen Sonne, Mond und Sternen. Nichts erreicht, nichts geschafft, nichts versucht, nur geträumt. Pfui! Schäm dich!
Ich genieße die sanften Vibrationen der warmen Holzplatte unter meinen Handgelenken. Nur ein bisschen mehr. Ein bisschen länger, nicht mehr lang. Drehe am Volume-Knopf, mehr Bass, mehr Vibration, mehr Träumerei, mehr Hypnose, ein klitzekleines Stück Tod. Wieder versuche ich mich zu konzentrieren. Zieh am Seil! Die Reißleine reißt, der Wind reißt an mir, nur einen Augenblick, dann bin ich schwerelos. Unter dem Himmel herrscht Nebel, hängt drohend über Bergen, Tälern, Wäldern, Seelen, macht alles grau und kalt. Klarheit: Unklar. Wissen: Unwissen. Menschen: Unmenschen. Ich: Un-Ich.

Antiquität: Der Narr

nur ein narr,
nur eine illusion,
eine täuschung
ohne weitere funktion

nur ein versuch
doch keine illusion,
keine täuschung
...

nur ein narr,
eine illusion
doch keine täuschung
denn er ist real...

gut oder schlecht
oder nur ein narr?
gut oder unrecht?
wirklich echt?

nur echt in der zeit
nicht im raum...
im traum?
der narr...

Donnerstag, 30. September 2010

Tag Eins

"FUCK!" Der Schrei hatte mich aus dem Schlaf gerissen, auf der anderen Seite des Zeltes saß auch Max aufrecht in seinem Schlafsack und starrte in die Dunkelheit. Ich riss den Reißverschluss des Eingangs auf und fiel hektisch und noch immer fast blind, aber mit rasendem Puls aus dem Zelt. Ein leichter Nebel hing über der dunklen Szene, es war vermutlich etwa vier oder halb fünf Uhr morgens, die einzige Lichtquelle waren die noch glimmenden Holzscheite in der stählernen Feuerschale und in ihrem Licht sah ich verschwommen und schattenhaft zwei Gestalten miteinander ringen. Zwei Meter vor mir stürzte auch Tod aus dem Zelt, mit seinem riesigen Messer in der Hand, konnte aber offenbar auch nichts sehen. Als meine Augen sich an die Lichtverhältnisse und an den Nebel gewöhnt hatten, war der Kampf am Rand des Dachs bereits vorbei und Wach kniete über einem vielleicht 18 oder 19 Jahre alten Mädchen, hielt ihre Arme einfach mit einer Hand fest und winkte uns mit der anderen herbei.
Das Mädchen wehrte sich nicht und Wach ließ sie los. Sie kroch ein Stück von ihm weg und Tod setzte sich ihr in perfekter Psychopathen-Manier im Schneidersitz gegenüber, spielte mit seiner Klinge und starrte ihr ins Gesicht.
"Die hat mich tierisch erschreckt, tut mir leid dass ich euch geweckt hab." keuchte Wach. "Ich musste pissen und als ich grad am Abklopfen war, ist auf einmal die Kleine da auf der Leiter aufgetaucht."
"Wurdest du gebissen?", fragte ich sie, sie schüttelte stumm und verängstigt den Kopf und wandte den Blick schnell wieder Tod zu. Max hatte sich inzwischen auch aus dem Zelt gewunden und sogar die Zeit gefunden, sich seine Jeans anzuziehen. Jetzt tippte er Tod von hinten auf die Schulter und machte eine Kopfbewegung, die soviel sagte wie: "Is' gut jetz', mach dem Mädel nich' noch mehr Angst."
"Bist du sicher, dass du nicht gebissen wurdest?", fragte jetzt auch Wach noch einmal nach. Sie schüttelte wieder nur unsicher den Kopf. Wach seufzte und schaute uns der Reihe nach an, dann wieder das Mädchen und sagte: "Zieh dich aus." Sie starrte ungläubig. "Wir müssen uns sicher sein, dass diese kleinen Scheißviecher dich nicht gebissen haben", erklärte er, "und außerdem: Wir sind vier, du bist alleine, wir müssten nicht fragen, sieh es als Geste der Anständigkeit dass wir's tun." Offenbar sah sie das auch ein...

Es ist jetzt also Tag eins nach der nächtlichen Erweiterung unserer Truppe um ein 18 oder 19 Jahre altes Mädchen namens Katie. Lange überlegt haben wir nicht, sie ist clean, vergleichsweise gefasst und außerdem recht hübsch. Es regnet aus allen Wolken, sodass wir uns entschieden haben, heute nicht auf Futtersuche zu gehen und stattdessen Katie so auszustatten und einzurichten, dass sie uns keine Last ist, sondern vielmehr ein wertvolles Mitglied der Gruppe. So stellt sich auch endlich heraus, dass unsere gesammelten Materialien durchaus ihren Zweck finden. Sie wird in unserem bisherigen Vorratszelt schlafen, das bringt einige Umräumarbeiten mit sich, die wir noch nicht vollständig abgeschlossen haben, aber bis die Sonne untergeht werden noch ein paar Stunden vergehen. Tod steht schon ungeduldig vor mir, ich sollte mich also wohl lieber wieder an die Arbeit machen...

Mittwoch, 29. September 2010

Diese Situation

Diese Situation ist schon recht kompiziert, paradox, wenn nicht sogar total furchtbar. Kurze Momentbeschreibung? Man selbst, also in diesem Sinne ich, sitzt/liegt in einer verhältnissmäßig gut bekannten Wohung. Die Party war gut, das Gras hat gut gezogen, der Alkohol bahnt sich noch immer die Wege Richtung Kopf, doch die Emotionen itself, die kann man einfach nicht verrauchen oder vetrinken. Die lösen sich nicht auf. Die sind einfach da und man begreift nicht, wie man einen Heulkrampf vor allen bekommen kann, obwohl man nicht alleine, sondern mit zwei Mädels in einem Zimmer liegt. Nun, eine einfach zu beantwortende Frage: beide sind dem Schlaf verfallen. Vielleicht auch ganz gut so, sonst würde jeder die Memme sehen, die nachts um halb vier so etwas in die Tasten hämmert, um Kopfschmutz wegzuwischen. U2 mit "with or without you" sind nicht förderlich für diese Situation. Ich habe schon oft über erdrückende Gedanken geschrieben, daher eine Erklärung, welche auf die gegenwärtige Situation passt. Stellen Sie sich vor Ihr Kopf sei eine Flasche. Und die Gedanken sind kleine Schnapsgläser, die da hineingefüllt werden. So ein kleines Schnäppschen ist nicht schwer, doch je größer die Flasche ist, desto schwerer wird sie letzten Endes insgesamt. Wenn jetzt auch noch jede hineingekippte Flüssigkeit eine eigene Dichte hätte, sodass man sehen könnte, wie es geschichtet ist, so hat man ein Komplettbild an Gedanken, aber niemals den Anfang für alles. Klar könnte man unten anfangen. Oder direkt am Flaschenhals. Aber das würde nicht die Gesamtheit erfassen. Die Gesamtheit der Schichten lässt bei der GESAMTEN Betrachtung allerdings auch keine Zusammenhänge zu, sodass man letztlich total überfordert ist und mit einem V+ Energy einfach nur schweigend aufgibt. Zu viele Netze. Zu wenig Zusammenhang.

Zu
viele
Gedanken.

Zu
wenig
Kraft.

Ich zünde mit meinem Zippo einen Kopf aus der grellgrünen Acrylbong und fange an das Skalpell aus meinem Rucksack herauszusuchen.

Dienstag, 28. September 2010

Antiquität: Tangotausendtränentief

Schau's dir an!
Tritt' doch mal näher!
Blinkend, leuchtend, agressiv.
Hör' die Töne von weit her.
Tangotausendtränentief.
Braut steht da.
Und Bräutigamm.
Schnieke, nobel, wohlgehüllt.
In dem Bohrinsel-Exkrement
ergeben sie ein hübsches Bild.
Und auch die Torte, schaue dort!
Von Kühen, welche tot und mager
kaputtgemolken- und gescholten.
Auf weiten Weiden Schlachtviehmord.
Und Schwiegermama weinend rief:
"Wie viel Virginität dort tanzt!"
Doch der Sohn hat sie schon geranzt.
Tangotausendtränentief

Montag, 27. September 2010

Der ruinierte Anzug

Es war ziemlich warm - nein, eigentlich war es brütend heiß. Die Art von Hitze die dich ständig trinken, schwitzen und pissen läßt. Daß es leicht windig war änderte daran eigentlich rein gar nichts. Dieses Lüftchen - nennen wir es doch einfach mal so - transportierte die Hitze, statt sie abzukühlen.
Wir - Sam und ich - saßen in dem alten rostigen Stingray und aßen etwas. Staub wehte über den Highway, an dessen Rand wir in einer Haltebucht standen.
"Sam, sei mir bitte nicht böse, ja?" sagte ich nachdem ich den Bissen von meinem Hamburger heruntergeschluckt und etwas Corona nachgeschüttet hatte. "Du weißt, daß es sein mußte."
Er schwieg und wir aßen weiter. Anschließend warfen wir den Verpackungsmüll in die Wüste. Ich startete den Wagen und wir fuhren weiter.
Sam begann nun doch zu sprechen. "Nein, nein. Warum sollte ich dir auch Böse sein?" sagte er trocken. "Weil ich nie wieder einen so guten Hamburger essen werde? Weil du jeden in diesem gottverdammten, beschissenen Diner umgebracht hast und wir ihn dann auch noch verfickt nochmal abfackeln mußten? Oder vielleicht weil, dank deines absolut überflüssigen kleinen Massakers, mein neuer Anzug nun völlig ruiniert ist?"
Ich grinste. "Naja wegen deines Anzugs halt. Ich kauf dir auch bei Gelegenheit einen Neuen, wenn dich das wieder beruhigt, Mann."
"Ich weiß, Jim. Aber ... ach du weißt was ich meine." Er war noch immer etwas brummig.
"Und noch was. Was ich getan habe war keineswegs überflüssig. Es war absolut notwendig!"

Nun fragen sich sicher einige Leute: Wo war Max und wie ist eigentlich Sams Anzug jetzt genau versaut worden? Ersteres ist leicht und schnell zu beantworten. Max war an diesem Tag einfach nicht mit uns unterwegs weil er sich ganz in Ruhe den Super Bowl anschauen wollte. Die Sache mit Sams Anzug hingegen ist nicht so schnell erklärt. Da werde ich wohl etwas weiter ausholen müssen.

Wir waren gerade auf dem Highway unterwegs, einfach eine kleine Spritztour unternehmen, und wir führten eines unserer Gespräche über Filme - Sam und ich sind begeisterte Cineasten.
"Also du bist der Meinung 'Pulp Fiction' sei einer der wichtigsten Filme der Neuzeit?" fragte ich und fuhr direkt fort, "Ich will damit jetzt nicht sagen, daß du falsch liegen würdest, aber es interessiert mich einfach warum genau du das so siehst."
Sam lächelte und fing an zu reden: "Du mußt zunächst einmal Tarantinos Filme der beginnenden neunzehnneunziger Jahre im allgemeinen kurz betrachten. Sie sind für ihre Zeit einfach revolutionär. Das liegt weniger an den Plots im einzelnen, welche bei näherer Betrachtung nichts Weltbewegendes darstellen. Es sind vielmehr die Erzählweise, die Charaktere, die Art der Regie und die Struktur seiner Filme, die etwas besonderes daraus machen. Nehmen wir nun einfach mal den Bereits zum Thema gemachten 'Pulp Fiction'. Seine Erzählstruktur ist nicht Linear und trotzdem wird alles erst wirklich am Ende aufgeklärt. Den Hauptaugenmerk mußt du hier auch auf die Dialoge legen. Nimm zum Beispiel die Szene im Auto, in der sich Vince und Jules über Essen unterhalten. Das hat eigentlich gar nichts mit der Geschichte zu tun aber ..." - und da sah ich den Diner.
"Halt die Klappe, Sam. Ich hab Hunger."
"Hmn, und worauf?"
"'nen Royal mit Käse." sagte ich und wir beide lachten.
Ich fuhr auf den Parkplatz des Highwaydiners und und hielt den Wagen an. Wir stiegen gleichzeitig aus und setzten uns ebenso synchron die Sonnenbrillen auf. Die Luft zitterte vor Hitze. Es war ein verdammter Backofen mit Umluft.
Wir betraten also den Diner. Der Geruch von altem und frischen Zigarettenrauch mischte sich mit dem Duft von gegrilltem Fleisch. Wir gingen direkt zum Tresen und ich verschaffte mir in den wenigen Sekunden einen Überblick. Am letzten Tisch saß ein Pärchen, ein Trucker gammelte auf einem Barhocker und trank Kaffee zu seinem Rührei mit Toast, in der Küche waren zwei Angestellte, die kochten, und direkt hinter dem Tresen stand die Bedienung. Sie trug den von sehr viel Einfallsreichtum ihrer biologischen Erzeuger berichtenden Namen Emma.
Ich lehnte mich also gegen den Tresen und grinste Emma mit ihrem von Schminke verunstalteten Allerweltsgesicht und der zerlutschten Kippe im Mundwinkel an. Sie kam zu mir herüber getänzelt.
"Na Schätzchen, was kann ich für dich tun?" sagte sie so billig und nuttig, daß mir beinahe der Appetit vergangen wäre und ich ihr liebend gern einfach ins Gesicht gekotzt hätte. Wahrscheinlich hätte mir das sogar einen Heidenspaß gemacht.
"Ein Sixpack Corona und zwei dicke Hamburger mit Bacon, Käse und Mayonaise und ..." - ich wandte mich an Sam - "Und was willst du essen?"
"Ich nehm' das gleiche, Bro." sagte er knapp während er sich eine Zigarette anzündete.
"Okay ... Also vier dicke Hamburger mit Bacon, Käse und Mayonaise.
Ach, und alles zum mitnehmen bitte."
Emma quäkte unsere Bestellung durch die Küche und stellte mir den Sixer vor die Nase. Etwa zehn Minuten später fand auch eine braune Tüte auf der das Logo des Diners prangte ihren Platz direkt daneben.
"Das macht zwanzig Mäuse, Schätzchen." trällerte sie und ich griff in die Innentasche meiner Anzugjacke um meine Brieftasche hervorzuholen. Dabei fiel Emmas neugieriger Blick zu ihrem Unglück leider auf meine silbern glänzende Beretta und sie begann zu stammeln: "Oh nein, nein, nein. Ihr seid es doch. Ich war mir nicht sicher, aber ihr seid diese Killer aus den Nachrichten." Statt zwanzig Dollar in ihrer Hand hatte sie nun ein circa Eincentgroßes Loch in der Mitte ihrer Stirn und der Rest ihres kleinen Dummen Gehirns klebte an den Pfannen hinter ihr. Noch bevor sie zu Boden ging gab ich zwei weitere Schüsse ab und die Köche teilten Emmas Schicksal auf dem Fuß.
Ich ging durch den Diner, erschoß den Trucker eher beiläufig und stand dann direkt vor dem Pärchen.
Sie war total aufgelöst und weinte bitterlich. Er hingegen war einfach nur kalkweiß geworden.
"Bitte tun Sie uns nichts, Mister." wimmerte sie.
Sam stellte sich neben mich und pflaumte mich an: "Mann was soll diese abgefuckte Scheiße denn jetzt?"
"Es muß sein, Sam." sagte ich und erschoß erst das Mädchen dessen Kopf nach hinten gegen die Lehne schleuderte und dann in das Rührei vor ihm fiel. Als ich dem Jungen eine Kugel in den Kopf jagte explodierte sein Schädel und bespritzte uns von oben bis unten mit Blut, Knochensplittern, Hautfetzen und Gehirnmasse.
"Ups." sagte ich lachend, kratzte mir mit einem leicht schuldigen Lausbubengrinsen am Hinterkopf.
"Was heißt hier 'ups'?" fuhr Sam mich an. Jetzt war er wohl richtig sauer.
"Naja ... also ..." Ich schaute ihn an und konnte mir mein lachen nun wirklich nicht verkneifen. "Ich hatte wohl eines von Max' Explosivgeschossen geladen." Ich setzte mich an den Tresen und wischte mir das Gesicht mit Servietten ab. Dann schaute ich Sam an. Er sah zum schreien komisch aus - als hätte man ihn in einen Topf mit Tomatensoße und Spaghetti getaucht.
So also wurde Sams Anzug versaut. Und meiner übrigens auch.

Nach diesem kleinen Malheur zündeten wir den Diner an und fuhren fort, als wir sicher waren, daß er bis auf die Grundfesten abbrennen würde.

"Absolut notwendig!" wiederholte Sam meine Worte.
"Ja Mann!" sagte ich trocken. "Die Alte hatte uns erkannt. Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen?"
"Ach Mensch. Immer das selbe mit dir."
Ich grinste ihn an. "Dude, du hast da immer noch etwas Hirn auf der Schulter."

Mittwoch, 22. September 2010

Ickarus IV

"Wissen Sie der Spruch, dass wir uns die Welt nur geliehen haben, stimmt eigentlich gar nicht.", warf mir der Soldat an den Kopf und riss mich aus der Apathie, die ich mit dem Anstarren der, durch die Stromschwankungen flimmernden Neonröhren verbrachte. Der Sicherheitsgurt, der sich in meinen Bauch schnürte und sich mit jeder Kurvenfahrt oder Bremsung weiter in meine Haut sägte, ließ meinen Körper wenigstens partiell aufwärmen denn die Eishölle dort draußen hatte meinen Körper betäubt und mich in einer grausamen Achterbahn zwischen Zittern und Lähmung gefangen gehalten. "Wir haben die Welt geklaut, aus den Händen Gottes gerissen und nun, wo die Erde so lebensfreundlich wie die Sonne ist, klopfen wir noch einmal an seiner Tür nur um mit Ickarus IV das gleiche zu machen." Ich lauschte wortlos dem Monolog des Soldaten während wir über die Oberfläche des vereisten Trabanten glitten. Als vor etlichen Jahren diese Mission begann war es in erster Linie die Idee, dass eine Kolonie, weit weg von der Welt existiert, in der Frieden durch strikte Sicherheitsmaßnahmen aufgrund einer Überzahl von Soldaten gesichert ist. Doch wer Macht hat nutzt sie. "Wenn man mitten im Krieg steckt", sagte ich vor mich hin: "hat man das Gefühl, dass man hunderte von Leben hat und jeden Tag neu stirbt."

Mein Herz schlug in viel zu unregelmäßigen Abständen, als dass es irgend eine Art von Ruhe ausstrahlen könnte. Früher, als ich noch auf der Erde lebte, im Kindesalter bei meiner Familie, hielt meine Mutter wenn ich traurig und verschrocken aus unruhigen Träumen erwachte ihre Hand auf meine Brust und das beruhigte mich immer. Doch egal wie sehr ich auch meine erforene Hand auf meinen Brustkorb presste, mein Herz pochte, summte schon fast. Vielleicht kam es mir nur so vor, denn mein Kopf arbeitete langsam durch die erdrückende Last. "Sie hätten dort draußen erfrieren können, Leutnant." Ich nickte und schloss für einen Moment die Augen. Sie geschlossen zu halten gestaltete sich kompliziert denn hinter meinen Augenlidern spielte sich ein Programm aus den Bildern von hungernden Kindern und entseelten Körpern ab. Schlaf wäre dennoch hilfreich. "Was haben sie dort draußen gesucht, Leutnant?" Ich hatte das Gefühl, dass er noch etwas von Eseln faselte doch das schien lediglich die Unterkühlung und der Schlafentzug zu sein. Die dünnen Fäden von Vater Schlaf umwoben mich und langsam glitt ich in die langersehnte Phase unterbewusster Zufriedenheit.

Dienstag, 21. September 2010

Tag 28 oder 29

Die Frau, die fast wie aus dem Nichts vor uns erschienen ist, hätte auch aus einem Cyberpunk-Film der Neunziger stammen können. Die schwarzen Haare waren komplett zu einem unsauberen, nach vorne geschwungenen, etwa zehn Zentimeter langen Irokesenkamm aufgestellt, dessen Spitze eisblau durch die Dämmerung flammte, ihre Schminke war bis auf einige schwarze Streifen verschwunden (ich bin mir aber nicht sicher, ob die schwarzen Muster neben ihren Augen und der scharfe dunkle Schatten auf ihrer Wange nicht vielleicht Tattoos waren). Ihre Kleidung wirkte verschlissen, wie alles das seit fast einem Monat dem täglichen Gebrauch, dem Wind und dem Regen ausgesetzt ist, aber scheinbar hatte sie irgendwann die Zeit gefunden, den Klamotten ihren persönlichen Stempel aufzudrücken und sie zur Überlebensausrüstung zu machen. Der von Blutflecken übersäte, ehemals stumpfgrüne Militärmantel hatte einen eingenähten Rückenprotektor und einen hohen Kragen, passend zu den hochgestellten Haaren, auf den Stiefeln verbanden sich stahlblaue, silberne und eisblaue Flecken von Sprayfarbe zu einem Camouflage-Muster. Der linke Stiefelschaft verschwand unter der schwarzen, aus anscheinend sehr starkem Stoff gemachten Baggy-Hose mit den rostroten Flecken, das rechte Hosenbein war vom Knie abwärts nur ein hinter ihrem, von einer engmaschigen Netzstrumpfhose bedeckten Bein baumelnder Stofffetzen, aber auch in den Hosenbeinen waren improvisierte Protektoren vernäht.Die Teile ihrer Bewaffnung, die wir sehen konnten beinhalteten einen sehr wertvoll (und sehr gefährlich) aussehenden Compoundbogen samt Pfeilköcher und einigen Pfeilen, außerdem mehrere Messer und eine kleinkalibrige Handfeuerwaffe am Gürtel...

Es ist Tag 28 oder 29, ich weiß es nicht genau. Wir sind immer noch zu viert, Max, Tod, Wach, Ich. Wir haben ein Basislager errichtet, auf dem Dach eines drei Stockwerke hohen Gebäudes. Drei Igluzelte, eine gespannte Stoffplane als Regenschutz, eine kleine Feuerstelle und Stacheldraht rundherum. Bis jetzt sind wir hier sicher, vor allem da man ohne eine Leiter das Dach nicht mehr erreichen kann. Wir konnten vor etwa einer Woche drei besoffene Idioten dazu anstiften, das Treppenhaus per Sprengung unpassierbar zu machen. An diesem Abend beschlossen wir auch, auf dem Dach ein festes Quartier einzurichten, die unteren Meter der Feuerleiter zu entfernen und durch eine irgendwo mitgenommene Strickleiter zu ersetzen.

Die Angst, den nächsten Tag nicht mehr zu erleben wird immer schwächer, teilweise spüre ich sie überhaupt nicht mehr. Langsam wandelt sich das Ganze zu einem großen Abenteuer, das aus Feiglingen Helden macht und aus dem puren Leben ein Spiel, das man jeden Tag ein bischen besser spielt.

Mittwoch, 15. September 2010

Drei Freunde

Wir waren zu dritt - eigentlich schon immer. Da waren Sam, Max und ich - Jim. Sam war eher der ruhige, subtile Typ. Er achtete auf die Details, während Max und ich doch mehr für die groben Sauereien zuständig waren.
Aus dem kleinen Transistorradio, das Max dabei hatte, tönte die Übertragung irgendeines beschissenen Kleinstadtbaseballspiels. Ich saß auf einem Stuhl mitten im Raum und rauchte. Sam schaute aus dem Fenster, das notdürftig mit Holzlatten vernagelt war, und Max lehnte an der Wand mir gegenüber. Er pulte das Etikett seiner Bierflasche in kleinen Stücken ab, formte diese zwischen den Fingern zu Kügelchen und warf sie vor sich auf den Boden oder schnippte sie ziellos in den Raum.
Ich warf meine Zigarette vor mich hin, trat sie aus. Anschließend stand ich auf und ging zu Sam ans Fenster, blickte ebenfalls kurz durch die großzügigen Spalten zwischen den Holzlatten. Dann setzte ich mich wieder.
"Okay." sagte ich ruhig. "Wer von euch beiden Psychopathen erklärt mir das hier?"
Sie blickten mich an. Keiner sagte etwas.
"Leute, Ich frag euch noch einmal: Wer von euch beiden hirnverbrannten, mutterlosen Scheißwichsern erklärt mir das hier?" In dem Moment versetzte ich dem toten Körper zu meinen Füßen einen Tritt.
"Also ... es ist einfach so passiert." Max hatte das Wort ergriffen.
"Einfach so passiert gibt es nicht!"
"Ehmn ... naja ..." sagte er unsicher.
"Ich sehe, daß das deine Arbeit ist, Max. Aber hatten wir nicht was ausgemacht?"
Er schaute zu mir herüber und warf dann die leere Flasche in eine Ecke, wo sie klirrend zerbrach. "Ja."
"Und was - mein lieber geschätzter Freund - was ist daran mißzuverstehen, wenn ich sage, daß diese verdammte beschissene Schwuchtel noch leben soll, wenn ich wiederkomme?"
Sam. "Rein gar nichts."
Max. "Der Pisser hat mich wahnsinnig gemacht, Mann!"
"Junge!" platzte es aus mir heraus. "Du bist schon lange wahnsinnig. Da kann der Scheißer doch nun echt nicht viel dran gedreht haben. Und weißt du was? Diesmal darfst DU die Grube ganz allein ausheben und auch wieder zu schaufeln." Ich trat noch einmal nach dem Toten. Irgendein Yuppie war das mal gewesen. Anwalt oder so.
"Och Jimmy!" maulte Max.
"Nein. Kein 'Och Jimmy!' der Welt wird dir das dieses Mal ersparen." Irgendwann mußte er doch einfach lernen, daß er nicht dauernd alle sofort Abmurksen kann, nur weil sie ihn ankotzen. "Dir muß schon klar sein, daß er uns jetzt nicht mehr die Informationen geben kann, die wir von ihm haben wollten."
Max hatte dem Typen echt fast den Kopf abgeschnitten. Dieser hing nur noch durch einen Fetzen Haut im Nacken am Rest des Körpers.
"Ach bevor ich es vergesse. Sam?! Ich hatte mir schon gedacht, daß Max mal wieder frei drehen würde. Hol doch bitte das Paket aus meinem Kofferraum."
Ich zog mir ein Paar abgegriffener Lederhandschuhe an und setzte ein Grinsen auf.

Dienstag, 14. September 2010

Der Tag, an dem die Sterne schwanden

Als ich damals Nachts gegen um drei Uhr aufwachte, um in ein paar Minuten zu meiner Nachtschicht zu fahren, begab ich mich zuerst nach draußen. Um so eine Uhrzeit hat die Nachtluft etwas Klares, Erfrischendes und ich werde besser wach. Als ich dann so vor meiner Tür stand, sah ich, dass die Sterne verschwunden waren. Was soll denn das, dachte ich, das kann doch nicht wahr sein! Es war nicht so, dass es bewölkt war. Nein, der Mond war immerhin noch da. Die Sterne aber waren einfach verschwunden, es war zappenduster. In Rage ging ich zu meinem Nachbarn und klingelte. Nach fünf Minuten wurde mir die Tür geöffnet. "Herr Jonas, was machen Sie denn für einen Radau?" - "Die Sterne wurden geklaut!" - "Ach, Sie haben doch wieder gesoffen!" - "Nein, habe ich nicht. Die Sterne sind weg. Haben Sie sie versteckt?"
Total sauer betrat mein Nachbar seine Veranda und traute seinen Augen nicht. "Das kann doch nicht... die sind wirklich weg!"
Mit meinem Nachbar im Schlepptau kämmte ich weitere Häuser ab. Erst die meiner Straße, dann noch ein paar weitere im Dorf. Keiner hatte die Sterne bei sich. So gegen Vier standen etwa 100 Mann auf dem Dorfplatz und jeder war empört über das Fehlen der Sterne. Da hörte man eine piepsige Stimme aus dem Schatten der Laternen: "Wollt ihr wissen, wo sie sind?" - "Wer ist da?", fragte der Bürgermeister. "Ich bin der, der euch des Nachts zudeckt und euch des morgens die Decke von der Himmelskuppel stiehlt. Die Sterne sind nichts weiter als Löcher in der Decke, durch die noch das Licht des Tages hindurchscheint." - "Wir möchten aber unsere Sterne wieder!", schrieen die Bürger unseres kleinen Dorfes. "Jaja, das dauert ein bisschen, bis ich wieder neue Sternenbilder gemacht habe, die ihr bewundern könnt. Ihr bekommt auch den Großen Wagen wieder. Versprochen."
"Da! Dort drüben!", schrie eine ältere Frau und wir richteten den Kopf nach links. Da sahen wir einen einzelnen kleinen Stern auf der Hauptstraße liegen. Er war wunderschön und schien in einem sanften Rot. Dann wurde er von einem Auto erfasst und zerstob in tausende von Glühwürmchen. "Du hast uns belogen!", riefen die Bürger. Da wurde die Stimme des Himmelsschmieds tiefer und er sprach laut und deutlich: "Womit habt ihr die Sterne verdient? Schaut ihr sie überhaupt noch an? Habt ihr sie nicht schon längst als etwas Alltägliches akzeptiert? Ihr verseucht den klaren Himmel mit euren Flugzeugen und Satelliten. Gebt den Sternen keine Chance zu leuchten, weil eure Städte nachts zu hell sind, alsdass man den Himmel in seiner vollendeten Schönheit sehen kann! Nur den Mond erwähnt ihr andauernd. Oder Sternschnuppen. Weil die ja so schön sind. Erst wenn ihr die Dunkelheit vor euch habt, vermisst ihr das Licht."
Und er setzte sich in sein Auto und fuhr davon.

Seitdem wird der klare Nachthimmel nur noch "Mondhimmel" genannt. Ganz selten hört man noch Leute über die Sterne reden. Aber sie werden weniger. Auch ich bin mittlerweile so alt, das ich mich nicht mehr an die Sternbilder erinnern kann. Aber das komplette Bild des damaligen Himmels, als ich ihn das letzte Mal sah, wird mir bis zu meinem Tod in Erinnerung bleiben. Ich glaube, das war das, was der Himmelsschmied wollte.

Eine wundervolle Nachgeburt namens Liebe

"Sowas nennt man die Magic Wall.", sagte da Herr Jonas und kotzte unmittelbar danach seinem Partner auf die Schuhe. "Der schmale Grat. Und Sie sind gerade den Abhang heruntergestürzt.", antwortete Herr Meier und reichte Herrn Jonas ein Taschentuch: "In der Liebe ist das normal.
Liebe, Liebe, was soll das eigentlich sein?, dachte sich Herr Jonas und würgte einen weiteren Schwall aus seiner Magengegend. Dieses Mal auf das Kopfsteinpflaster. "Liebe eben, werter Herr.", sagte Meier, als hätte er die Gedanken von Herrn Jonas aufgeschnappt: "Liebe ist so eine eigenartige Sache. Versetzen Sie sich mal in folgende Situation. Sie lernen da so ein Mädchen kennen. Sie verstehen sich gut mit ihr. Richtig gute Freundschaft. Gehen wir dann des weiteren von der Situation aus, das Sie sich in diese Dame verlieben. Sie also, sehr geehrter Herr Vorgesetzter hoffen, dass es auf Gegenseitigkeit beruht. Wie es das Schicksal so will, tut es das auch. Sie kommen also mit dieser Dame zusammen. Können Sie sich bis hier hin in diesen Moment hinein versetzen?"
Herr Jonas nickte, der hält mich wohl für debil, dachte er und wischte sich den Mund ab.
"Nundenn.", fuhr Meier fort: "Sie kommen sich näher, geben sich Nähe, schlafen sogar miteinander. Sie sind dann, wie man es eben so sagt, mit dieser Person 'zusammen'. Sie sind immer noch verliebt, natürlich sind sie das, denn die Dame ist so verständnissvoll. Sie erzählen sich alles, denn es besteht Vertrauen. Ein Starkes. Dann jedoch, nach etwa neun bis zwölf Monaten - das kommt ganz auf die Beziehungsintensität an - verschwindet für Sie das Gefühl. Was bleibt, werden Sie sich nun fragen, werter Herr Jonas. Es ist so etwas wie beste Freundschaft mit routiniertem Körperkontakt. Das Verliebtsein ist die höchste Ebene der Beziehung. Deswegen ist Liebe ein ganz dünner Grat, den man nur seltenst erwischt. Bleiben Sie lieber am Hang stehen, werter Herr."
Von dem Gespräch wird mir ganz duselig, dachte sich Jonas und öffnete die Dose mit den Sonnenblumenkernen. "Von dem Gespräch wird mir ganz duselig." - "Nein, das ist das Ecstasy.", sagte da Herr Meier und widmete sich wieder dem Kadaver seiner Ex-Freundin.

Tag Zehn

Ganz am Anfang waren wir zu zehnt, glaube ich. Wir waren zufällig aufs selbe Bahnhofsdach geklettert, so wurden aus zwei mal fünf eben zehn und wir hielten es für klug, uns am nächsten Morgen nicht wieder zu trennen. Das war, wie gesagt, ganz am Anfang, am ersten oder zweiten Tag. Drei Tage später wurden drei von uns von psychotischen Militärs abgeknallt, als wir uns ihrer Stellung aus Versehen zu weit genähert hatten. Eine davon war nicht mal volljährig. War ein beschissener Moment, als sie getroffen wurde. In derselben Nacht erwischten die Viecher einen, weil er während seiner Wache eingeschlafen war und seine Fackel vom Regen gelöscht wurde.

Es ist jetzt Tag Zehn, abends, und wir sind noch zu viert. Max, Tod, Wach und ich. Tod nannten wir Tod, weil er so aussah, als wir ihn kennenlernten. Er sieht eigentlich mit jedem Tag mehr so aus. Weiße Haut, schwarze Augenringe, mageres Gesicht und so. Wach scheint immer wach zu sein. Irgendwie ist sein Schlaf ziemlich leicht. Max heißt einfach Max, so hat er sich jedenfalls vorgestellt. Ich selbst werde Köter gerufen. Mag an meinem schon vor zehn Tagen abgerissenen Aussehen liegen. Wie ich jetzt aussehe, will ich gar nicht wissen. Über den mangelnden Einfallsreichtum hat sich keiner beklagt, warum auch, wenn man tagsüber auf Futtersuche ist und sich nachts irgendwo versteckt, in der Hoffnung, nicht gefressen zu werden.

Gegen Nachmittag haben wir eine kleine Gruppe Unbewaffneter (das heißt Nicht-Militärs) getroffen, die behaupteten, in einem Lager in einem großen Baum zu leben. Angeblich wären dort noch etwa fünfzehn andere, davon vier Kinder. Wo ihr Lager ist, wollten sie uns nicht verraten, aber sie haben sich auf einen Tauschhandel mit uns eingelassen, so dass wir jetzt eine Pistole und etwa 40 Schuss Munition besitzen. Unser gesammeltes Essen war dafür ein meiner Meinung nach sehr geringer Preis.

Es ist etwa Mitternacht, wir wurden von der Dunkelheit überrascht, weil wir nicht bedacht hatten, dass die Berge im Westen die Sonne schneller verschlucken würden als wir geplant hatten. Wir mussten uns innerhalb von Minuten ein Versteck suchen und fanden nur einen einzelnen Baum, auf dem wir aber nicht alle Platz fanden, weshalb Tod und Max auf ein Gebäude zurannten, mit dem Plan, sich darin zu verbarrikadieren. Sie mussten aber feststellen, dass das Gebäude schon eingenommen ist und waren gezwungen, mitten in der gläsernen Drehtür zu bleiben und zu hoffen, dass die improvisierten Keile die Tür bis zum Morgen fixieren würden und das Glas halten würde. Es ist inzwischen so dunkel, dass ich die beiden nicht mehr sehen kann. Wach meint, er könnte sowieso nicht schlafen, also sollte wenigstens ich mich etwas ausruhen. Hoffentlich sind wir morgen nicht nur noch zu zweit...

Montag, 6. September 2010

Zurück zum Thema II - der Moment um's Kilo

Ich war schon immer so ein Kleinkrimineller. Das hat mit elf Jahren angefangen, als ich in 'nem Rewe ein, zwei Kaugummis geklaut habe. Das mit dem Diebstahl war jetzt nie so das Ding für mich. Ich hab auch mehrmals meinen Eltern Kohle geklaut. Klar, wer tut das nicht. Aber ansonsten war das nicht so meine Sache. Professionell Laptops entwenden und die dann schwarz irgendwo verticken, nein. Das war viel zu anstrengend. Ich hab lieber in meiner Jugend da gesessen und Gras geraucht. Wenn man den Kram selbst verkauft, ist das gar nicht so kostenaufwendig. Man hat sogar noch ein wenig Kohle übrig, um sich eine schicke Ein-Raum-Wohnung zu finanzieren und ein optisch ansprechendes Mobiliar anzulachen. Auch Körperverletzung und Vergewaltigung war nie so das, was ich als kriminelle Akte vollzog. Im Großen und Ganzen beschränkte es sich doch schon auf den Verkauf von Gras und Shit. In kleinen Mengen. Nicht das ich das Zeug aus Holland importieren würde oder so etwas. Dafür hatten meine Oberticker immerhin ihre dummen Laufburschen oder "Driver". Ich war einmal in Groningen in so 'nem Laden namens "Upper 10", da hatte ich mir so ein vier Gramm Paket für 20 Euro gekauft. Der totale Reinfall, wie ich später im Hotel bemerkte. Ich hab's dann an meine unerfahrenen Käufer weitervertickt, als ich wieder in Deutschland war. Ein bisschen gestreckt und aus den drei Gramm etwa fünf gemacht. Oregano sei dank. Die wussten sowieso nichts damit anzufangen. Für acht Euro das Gramm. In gewisser Weise Plus gemacht, wenn man die Fahrtkosten ignoriert, die mir ja sowieso von meinem damaligen Arbeitgeber bezahlt wurden. Seitdem lass' ich das mit dem Pendeln und Gras kaufen. Dafür hatte mir damals Thomas einen guten "Driver" vermittelt. Der nahm 3.000 Euro für's Kilo. 2.500 davon bekam Thomas, die 500 waren dann für ihn. Durch meine sieben Euro Standart-Preis bekam ich eine gute Menge an Kohle hinein, was weiß ich, wieviel die kleineren Ticker, die das Zeug in 20 Gramm-Einheiten bei mir kauften dafür nahmen. Kurzum, ich war bis gestern glücklich mit meinem Leben.

Heute klingelt es an meiner Tür. Ich weiß natürlich, dass der "Driver" von Thomas da vor der Tür steht, frage trotzdem über den Sprechfunk, wer denn da ist. "Deine Pizza El Tonno.", sagt die heisere Stimme am anderen Ende der Leitung und ich drücke auf den Knopf, auf dem ein Sicherheitsschloss eingraviert ist. Etwa eine Minute später betritt der Typ meine Wohnung. Er sieht so aus wie immer. Schwarzer Nadelstreifenanzug mit beigefarbenen Hemd, ein Piercing in der rechten Unterlippe, genauergesagt ein Twister, also so ein Piercing, was zwei mal rum geht und aussieht, als hätte man zwei. Im Grunde genommen ist es einfach nur ein extrem gebogener Stab. Der Stab an sich ist silberfarben und die aufschraubbaren Enden werden von schwarzen, kegelförmigen Nieten verziert. Die Haare sind kurz geschnitten und überaus gepflegt. Thomas' Fahrer sieht aus, wie ein Typ, der in einer Provinzsparkasse arbeitet. Deswegen ist er wahrscheinlich so verlässlich.
"Komm rein.", sage ich zu ihm. Keine Ahnung, wie er heißt. Wir haben uns nie mit unseren Namen angesprochen und an meinem Klingelschild und Briefkasten steht lediglich "KEINE WERBUNG EINWERFEN!", da ich meine sämtliche Post zu meinen Eltern liefern lasse. Er betritt meine unaufgeräumte Bude und legt den Batzen Gras auf den Glastisch im Wohnzimmer. Ich ziehe wortlos die 3.000 Euro aus meiner Tasche, schöne, ungeknickte 500 Euro-Scheine und gebe sie ihm.
"Wie war dein Tag so?"
Ich habe nicht damit gerechnet, dass der Fahrer mir eine außergeschäftliche Frage stellt. Der Typ beliefert mich seit zwei Jahren. Das einzige, was wir zueinander sagen ist "Hi." und "Tschüß." Aber naja. Vielleicht sollte man auch mal eine Bindung zu seinen Geschäftspartnern aufbauen.
"Naja ganz ok. Bin eben erst aufgestanden."
Es ist wohlbemerkt 14:37.
"Dann schläfst du aber ganz schön lang'."
"Ist ja auch Samstag."
"Darf ich mich setzen?"
"Sicherlich."

Er setzt sich auf meine Couch, öffnet sein Zigaretten-Etui und zieht einen fein säuberlich gedrehten Joint heraus.
"Ich gehe davon aus, dass du selbst in deiner Bude rauchst. Riecht extrem nach Glory hier. Von dem Zeug würde ich dir echt abraten. Da, wo ich das kaufe, hauen die Haarspray rein. Ist schwer, macht das Dope glitzernd und man schmeckts nur heraus, wenn die es übertreiben. Hier hast du den Kram, den ich für mich selbst kaufe, wenn ich in Eindhoven bin. Nennt sich 'N.Y.C. Diesel'. Recht sativa-lastig. Macht dir 'nen echt schönen Abend, wenn du den richtigen Turn hast. Ich lass dir mal ein Gramm hier.", sagt er und zündet sich seine Wundertüte an. Ich packe das Tütchen, welches er mir eben auf den Tisch schmiss in meine Zigarrenkiste mit dem Eigenbedarf und rolle mir eine Jolle mit meinem verbleibenden White Widow und biete ihm ein Bier an.
"Nee, lass'. Ich muss noch fahren und hab noch ne ganze Menge von dem Thai-Krams im Auto. Ich weiß auch nicht, warum Thomas so sehr darauf abfährt. Aber naja vielleicht denkt er einfach wirtschaftlich. Das Zeug is billig und knallt nicht so extrem. Da kommen manchmal die Kunden drei Mal am Abend wieder, weil keiner rum wird, hat er mal erzählt. Cola wär gut. Hast du?"
Ich flüchte in die Küche und mache dem "Driver" ein Glas voll Vita Cola. Dann ein Beck's aus meinem Kühlschrank.
"Bleibst länger? Da richt' ich mich drauf ein.", murmel ich zu dem Fahrer während ich ihm das Glas hin stelle.
"Naja bis spätestens Acht. Dann muss ich bei Mr. T auftauchen." Beim zweiten Satz, fängt er an zu kichern und nimmt noch einen beherzten Zug von seiner Tüte. Auch ich zünde mir meiner White Widow-Mische an und bringe die Sessellehne in eine entsprechende Chill-Position.

Zurück zum Thema I - Prolog

Der Schlag auf den Hinterkopf kommt plötzlich. Ich war nicht darauf vorbereitet. Wie auch? Bisher war ich in einem Ohnmachtszustand, hervorgerufen durch Rohypnol höchstwahrscheinlich. Um meinen Körper rotiert ein, mir unbekannter Mensch und wickelt Angelschnur um mich und ein Objekt, welches er versucht auf meinen Rücken zu binden oder so etwas. Keine Ahnung. Meine Hände, ebenfalls mit Angelschnur fixiert, sind auf dem Rücken übereinander zusammengebunden. Als er merkt, dass ich wach bin, so etwa nach der gefühlten fünften Rolle Angelschnur, hält er inne und spuckt mir ins Gesicht. Ich möchte mich artikulieren, ihm irgend eine Art von Flehen entgegenheucheln, doch dieser Akt wird mir durch den Mundknebel mit übel schmeckendem Hartgummiball verwehrt, weswegen ich klinge, als würde ich in ein Kopfkissen hinein flennen. "Was willst du, du Penner?!?" An seinem Akzent erkenne ich, dass es ein Russe ist. Oder irgendjemand aus den osteuropäischen Ländern zumindest. Lässt sich meist scheiße zuordnen. Ivan, ich nenne ihn der Einfachheit halber nun so, da dort alle Ivan heißen, schneidet die Angelschnur ab, senkt sie mit einem Feuerzeug an dem mich umgebenden Knäuel fest und wendet mir den Rücken zu. Nachdem meine Augen ihre Schärfe-Einstellung optimiert haben, versuche ich mein eingeschränktes Bewegungsfeld mit wenigen Blicken zu analysieren. Der Belag unter mir kann als Kopfsteinpflaster identifiziert werden. Vor mir sind Bäume. Welche auch immer. Keine Spur von Zivilisation. Die Lichtverhältnisse sind jedoch nicht der Atmosphäre und Szene entsprechend. Es ist gleißend hell, die Lichtquelle ist allerdings hinter mir. Und sie ist verdammt warm. Ivan kommt wieder und löst mir den Knubbel aus dem Mund. Dann geht er hinter mich und ich spüre ein weiteres mal einen Schlag auf den Hinterkopf. Danach zuckt etwas hinter mir. Ich erfühle mit meinem Rücken eine andere Wirbelsäule und weiß fast schon, was da an meinem Arsch fest gebunden ist.
"Soma?"
"Was?"
"Unsere Karre brennt."
"Ach verfickt."
Das dort hinter mir ist Tracs. Er versucht unauffällig die Schnur um meine Handgelenke abzufummeln, aber es wird wohl eher bei einem Versuch bleiben.
"Hört zu, ihr Wichser.", schreit Ivan nun zu meiner Linken, sodass wir ihn beide verstehen können.
"Jetz' kommt's.", antwortet Tracs eher zu sich selbst, als zu diesem Russen, welcher fortfährt:
"Ihr wisst genau, weswegen ihr hier in diesem abgelegenen Waldstück sitzt. Wenn ihr mir nicht bald sagt, wo die Kohle ist, werdet ihr genau so in den Himmel aufsteigen, wie euer Polo!"

Bestimmt fragen Sie sich, wie ich in diese Situation gekommen bin. Nunja, ich könnte Ihnen jetzt irgendeine Schizo-scheiße im Sinne von Fight Club erzählen, doch das wäre nicht war. Es ist nicht allein meine Schuld. Die Verantwortung für diesen ganzen Scheiß übernehme ich und dieser verfickte Wichser hinter mir, der, sollten wir uns aus dieser Situation befreien können, ein verfickter TOTER Wichser ist. Wäre er nicht gewesen, würde jetzt kein wahnsinniger Russe vor uns herumspazieren und uns mit Benzin übergießen. Wäre er nicht gewesen, hätte ich jetzt keine eiternden Snakebites mit schrägen Stichkanälen und wäre er nicht gewesen, hätte Liz nie die wahren Probleme ihrer Laktoseintoleranz zu Gesicht bekommen. Aber das erklär' ich am besten mal detailliert.

Samstag, 21. August 2010

Ode an die Einsamkeit

Funkelnd standen die Sterne am Himmel - und ich blickte in die einsame schwarze Leere zwischen ihnen. Jedes mal, wenn ich in solchen klaren Nächten dort hinauf blickte, wurde mir die eigentliche Nichtigkeit und diese schiere sandkornartige Witzlosigkeit meiner Existenz bewußt. Jedoch war es dieses Mal anders. Keine Einsamkeit bedrückte mein Gemüt. Ich nahm eines der wenigen Male in meinem Leben diese Schönheit wahr.
Ich drückte die Einsamkeit, nahm sie fest in meine Arme. Ich streichelte sie und gab ihr einen Kuß. Sie schmiegte sich an mich, erwiderte diesen Kuß. In diesem Augenblick wurde mir klar, wie sehr ich an ihr Hing. Ich liebte sie. Und ich schloß sie noch fester in meine Arme, küßte sie erneut. Es war unbeschreiblich.
Niemals zuvor habe ich das Alleinsein so sehr genossen.

Mittwoch, 18. August 2010

Schwarz VI

Er strich sich mit der linken Hand über das kurze Haar und fischte mit der rechten eine Zigarette aus seiner Brusttasche. Es wirkte wie einstudiert und war tatsächlich eine Bewegungsabfolge die er mehrmals täglich durchführte. Der Mann blickte auf und sah zum Barkeeper hinüber, der gerade mit seinem Kaffee beschäftigt war. Das surren der Senseo und der aromatische Duft eines frisch gebrühten Kaffees verschwammen mit dem Qualm der soeben entzündeten Gauloise zu einer allzusehr gewohnten Melange. Der Barmann stellte die Tasse vor ihn hin. Er bezahlte und gab großzügiges Trinkgeld.
Der sanfte Duft stieg in seine Nase und sorgte für eine leicht belebende Wirkung. Dann trank er. Mild, würzig im Geschmack. Genau wie er es mochte. Er setzte die Tasse wieder auf dem kleinen Tellerchen ab und drückte die Zigarette aus - nicht, ohne vorher noch einen letzten Zug genommen zu haben.
Wie spät war es eigentlich? Er schaute auf die Uhr. Gleich zwölf - dann müßte sie jeden Augenblick kommen. Und in genau dem Moment des Gedankens hielten ihm zwei zarte Hände die Augen zu und er hörte dicht neben seinem Ohr die süße, wärmende Stimme Elaines flüstern: "Hey Raumfahrer!"
Er drehte sich um in der Erwartung sie in die Arme zu schließen, doch mit einem mal Stockte er in der Bewegung. Da stand sie, aber sie bot ein Bild, das er nicht erwartet hatte. Nicht, daß sie nicht umwerfend ausgesehen hätte. Nur eben nicht so, wie er gedacht hatte.
Sie war normal groß - vielleicht eins-siebzig. Ihr Haar war streng zurückgekämmt und zu einem Zopf geflochten. Sie trug eine weiße taillierte Bluse, die ihre Formen sehr schön einfaßte, dazu einen schwarzen Schlips, sowie einen schwarzen knielangen Rock. Ihre Beine steckten in ebenso schwarzen glänzenden Lederstiefeln. über den einen Arm hatte sie den Blazer und das Schiffchen gelegt und um den anderen war die unverkennbare Armbinde der Verteidigungstruppen der Eurasia-Allianz gebunden. Das war eben doch etwas anderes als das rote Kleid vom Vorabend.
"Huch!" entfuhr es ihm und dann nahm er sie in die Arme. "Verdammt! Du siehst umwerfend aus."
"Du stehst wohl auf Mädchen in Uniform?!" sagte sie kichernd und schaute ihn verführerisch an.
Er stand auf, nahm seinen Kaffee und sie gingen in eine der kleinen Sitznischen der Bar, vorbei an staunenden Gesichtern. Er war eben doch ein Hüne und mit seinen fast zwei Metern über einen Kopf größer als das zarte Mädchen an seiner Seite.


"Elaine, weißt du was gerade das Traurige an dem Ganzen ist?" flüsterte er in die Dunkelheit seiner Koje hinein, die Worte wiederholend, die er an jenem Tag zu ihr sagte. "Wenn ich irgendwann zurückkomme von dort oben - falls ich irgendwann zurückkommen sollte - werden auf diesem Planeten mehr als dreihundert Jahre vergangen sein. Ich jedoch werde keine zehn Jahre altern."
Er wurde ausgewählt, weil er keine Angehörigen hatte. Keine Eltern, keine Familie. So gut wie niemand, der ihn vermissen würde. Deswegen darf er der Pilot dieses Fluges ins Ungewisse sein.
Er stand auf, stieß sich den Kopf und fluchte. Dann die alte Bewegungsabfolge. Durchs Haar streichen, zur Brusttasche greifen, Zigarette heraus holen, anzünden. Er faßte sich an die Stirn und rieb sich im selben Zug die Augen. Waren sie tatsächlich etwas benetzt? Er hätte sich diese Trauer nicht zugetraut.
Er ging weiter in die Messe und wies Amber an etwas eßbares zuzubereiten, was er sich anschließend eher widerwillig als mit Genuß zu Gemüte führte. Ununterbrochen dachte er an Elaines unschuldiges, wunderschönes Lächeln.
"Captain." schallte es unvermittelt aus den Boxen.
"Ja, Amber?" Kalt und trocken.
"Sie sollten sich etwas ansehen."
Er verputzte eilig den letzten Rest seiner Mahlzeit und begab sich in die Kommandokapsel, wo er sich direkt auf den 'Chefsessel' setzte, wie er ihn mittlerweile nannte. Ein Blick auf die Anzeigen verriet sofort was los war.
"Amber, sag bitte, daß das nicht wahr ist."
"Ich wünschte ich könnte dem nachkommen, Captain."
Er stieß sich vom Sessel ab, schwebte zurück zur Luke, öffnete sie und begab sich in die Kammer mit den Cryostasiskapseln. Nun noch die richtige finden. L094. Und schon hatte er sie gefunden.
"Gut." sagte er als er vor dem richtigen Tank schwebte. "Amber, Ruf das Notfallprotokoll auf und stoß die Kapsel aus der Dockstation."
Die Kapsel löste sich von der Wand und schwebte ihm entgegen. er empfing sie und war dankbar für das Paar Magnetstiefel, daß er zur Sicherheit angezogen hatte bevor er die Kammer betreten hatte. Langsam Trug er sie zu einem Freien Dock und schloß sie dort wieder an.
"So, Johnny." - der Kamerad hieß Jonathan Mayer, Fahrzeugingenieur - "Ich bin froh, dich nicht jetzt schon wecken zu müssen.
Amber. Laß sämtliche notwendigen Diagnoseprogramme durch das defekte Dock laufen und gib mir anschließend Bescheid. Zeit bis zur Fertigstellung?"
"Drei Stunden und 45 Minuten."
"Sehr gut. Ich bin derweil in der Kommandokapsel." Und damit begab er sich zurück zu den Anzeigen und Bildschirmen ohne noch mal einen Blick zurück zu werfen.
"Noch etwas, Amber." sagte er, als er es sich bequem gemacht hatte - so gut es eben ging. "Über die Sache mit der Anrede müssen wir uns nochmal unterhalten."

Dienstag, 17. August 2010

Wo ist zuhause?

Es fing alles damit an, das David sein Skateboard in der Mitte beim grinden zerbrochen hatte. Er war also total angepisst und wir mussten ihn irgendwo oder mit irgendwas besänftigen. "Fickt euch!", schrie er immer wieder: "Mein Deck is kaputt, ihr könnt mich mal!"Also versuchten wir ihm gut zuzureden und schleppten ihn in irgend eine Kneipe. Bars besänftigen durchdrehende Menschen. Im Hintergrund hörte man das sporadische Pochen der Dartpfeile gegen die Scheibe. Aber meistens war es die Wand, die die Werfer trafen. David spülte schnell seine ersten zwei Bier hinunter, danach konnten wir ihn schon für ein Kickerspiel überzeugen. So etwa bei 3:7 kotzte er auf das Mittelfeld und wir verließen schnell die Kneipe. "Ich hab Hunger.", murmelte er die ganze Zeit.

Als wir ihn nach zwei Stunden nach Hause brachten, schauten wir - das heißt Katha und Ich - uns um. Inmitten von Neubaublocks. Wir setzten uns auf ein paar Schaukeln und schauten uns an. Hinter uns ging die Sonne auf, wir wollten allerdings nicht hin schauen. Das würde uns sowieso nur zeigen, dass wir den Abend übertrieben hatten und voller Sorgen, dass wir heute wieder einmal nichts geschafft haben, ins Bett gehen würden. Also schauten wir uns die Wand von Davids Neubaublock an, still, und ich fasste ihre Hand. Als es zu hell wurde, um den Zeitpunkt als Nacht zu beschreiben, sprang Katha auf und fuhr mit der C-Linie nach Hause. Der Rewe machte gerade auf und ich holte mir zwei Sesam-Brötchen. Ich steh' einfach auf die Scheißteile.

Montag, 2. August 2010

Der Morgen danach

Ich schließe meine Augen, lausche ganz tief in mich hinein, auf der Suche nach irgendeinem Widerhall des Geschehenen, aber da ist nichts. Alles was ich höre, spüre, ist das gleichmäßige Schlagen meines Herzens und das leise Rauschen meines Atems in meiner Brust. Sonst nichts. Kein Gefühl des Bedauerns, der Angst, der Verstörung, nichts. Langsam schlendere ich durch das knöchelhohe, taufeuchte Gras. Spüre die Kälte durch die leichten Schuhe hindurch. Das von meinen Füßen niedergedrückte Gras richtet sich bereits nach kurzer Zeit wieder auf, verwischt die Abdrücke. Im Osten schimmern die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke, die magische Stunde geht zu Ende, die Nacht ist vorbei.

Vielleicht hätte ich den Sonnenaufgang gern mit dir zusammen ERLEBT, Seite an Seite im feuchten Gras sitzend, mein Arm über deinen Schultern, dein Kopf an meiner Brust...

Wieder schließe ich die Augen, öffne den Damm vor meiner Gefühlswelt. Nichts als die eitle Erwartung einer Regung, das Sirren einer Mücke über einem ausgetrockneten Flussbett. Rationale Verwirrung wird verdrängt von dem rationalen Wahrnehmen der Schönheit dieses Morgens. Kein Gefühl.

Ich stelle mir vor du wärst jetzt hier, würdest fast unmerklich erschauern angesichts der Schönheit des neuen Tages und deine WARME Hand in meine legen...

Ich schlage den Weg nach Hause ein, wohin sonst? Setze langsam einen leichten Fuß vor den anderen, summe leise vor mich hin, genieße die ersten Strahlen der vorsichtig über den Horizont und durch die Wolken hindurchblinzelnden Morgensonne.

Aus den Wolken blickst du mich an. Ein letztes Mal, bevor ich anfange, dich zu VERGESSEN...

Ich schaue hinter mich, zu dem Ort an dem du liegst. Dein kleiner Wald steht still da, kein Wind, kein Atemhauch bewegt die Blätter und Äste.

Fast wünsche ich mir, du stündest in LEBENSGRÖSSE vor mir...

Freitag, 30. Juli 2010

Mein Tod in Blau

Es ist Sommer. Ja, eigentlich sollte man sich darüber freuen. Ich allerdings nicht. Gestern ein paar Bier zu viel getrunken, deswegen heute nicht auf Arbeit gewesen und nun sitze ich hier im Stadtpark, die Sonne brennt im Nacken und die Insekten um mich herum nerven. Irgendwo hinter mir, etwa 100 Meter entfernt, hängt eine Gruppe Vollspacken aus der Förderschule ab. Spack X schreit die ganze Zeit "Mimimiiiimiiimi" und Betreuerin Y brüllt dagegen mit "Max, beruhig dich doch!" Ein perfektes Ambiente, um durchzudrehen. Gegenüber von mir sitzt so ein Typ, der einen Vampirroman liest. "Das Grauen in den Anden". Ich hole mein Handy heraus, google den Buchtitel und rufe ihm hinüber, wie das Buch ausgeht. Total angepisst macht er sich aus dem Staub. Ein Nervfaktor weniger. Nach eingehender Szenenbeobachtung bleiben insgesamt noch diese Spackenklasse, zwei Kinder auf Fahrrädern, eine Gruppe aus etwa 17jährigen Mädchen und eine zirka 20 Jahre alte Frau, die herumsitzt und scheinbar ein Tagebuch oder so schreibt. Die Kinder zu vertreiben ist einfach. Ich springe Ich springe von der Wiese auf, fange an wie angestochen zu schreien und renne auf sie zu. Sie fahren weinend Weg. Drei Menschen den Tag versaut. Guter Schnitt. Bei den 17jährigen Mädchen sollte es ebenfalls kein Problem sein. Sie sitzen auf einer beigefarbenen Decke, hören Punk von so einer deutschen Nachwuchsband, die keine Ahnung von Musik hat und trinken Bier. Wind kommt auf, als ich zu ihnen herüber laufe und ich nehme den Duft von Magnolia-Deo wahr. Süß. Die tun so unschuldig. Allerdings wissen sie nicht, dass ich den Park für mich allein haben möchte und der totale Stressfaktor sind. Das macht sie in gewisser Weise etwas dummdreist. Die Vollspack-Fraktion steht auf und tritt den Heimweg an. Gottseidank. Die wären echt schwer zu vertreiben gewesen. Max kreuzt meinen Weg und kotzt mir ein überglückliches "NÜÄW!" entgegen, woraufhin ich zum ersten Mal an diesem Tag lächeln muss. Wenn man in eine Frau verliebt ist, die man nicht haben kann, konzentriert man seinen Frust auf andere. Geht mir jedenfalls so. Ich halte kurz inne, stecke mir eine Zigarette an und erinnere mich daran, dass ich den ganzen Tag weder gegessen noch getrunken habe. Was schlecht ist um 15 Uhr und man schon seit zehn Stunden auf den Beinen ist, davor drei Stunden im Vollrausch schlief und dennoch schlechten Schlaf hatte weil man die Alte nicht vergessen konnte. Ich laufe weiter auf die APPD-Mädels zu und der, sich noch im Stimmbruch befindende Typ gröhlt "Fick den Polizeistaat" aus den Lautsprecherboxen. "Hi", sage ich. Die drei Mädchen schauen mich an und ich sehe wie die eine mit dem blauen Irokesen zu ihrer Freundin mit den langen schwarzen Haaren ein "boah is der geil" flüstert. Schönes Gefühl, wenn das Ego wieder gepusht wird. "Ich bin Alex.", sage ich. "Wir sind die drei von der Punkstelle.", antworten sie. Beschissener Spruch. "Hat eine von euch lust zu ficken?", frage ich emotionskalt und rechne mit Beleidigungen. Die Schwarzhaarige meint zu ihrer blonden Dyke-Freundin nur "komm lass' uns gehen.", doch die Iro-Schnecke scheint darauf anzuspringen. "Bist du immer so direkt?" Zeit meinen Royal Flush auf den Tisch zu knallen. "Naja, seitdem ich von meinem Arzt gesagt bekam, das ich Aids habe, will keine Frau mehr mit mir schlafen. Da baut sich unglaublicher Druck auf. Ich würde es sehr begrüßen einfach mal wieder in zartes, junges Fleisch hineinzuspritzen. nur leider darf ich mich nach den fünf jahren Knast keiner Schule mehr als 500 Meter nähern." Zwei von den Mädels ist es zuviel, sie packen ihre Sachen, stehen auf und gehen. Das Irokesenmädchen bleibt sitzen, schaut mich lächelnd an und kramt in ihrer Tasche. Mission fehlgeschlagen. "Du bist doch höchstens 23." - "21.", antworte ich. "Und da haben die dich schon wegen Sex mit Minderjährigen mit 16 in den Knast gesteckt, wo du selbst noch minderjährig warst?" Mist, verkackt. "Sicherlich hast du auch kein Aids aer das sollte man nicht herausfinden wollen." Sie lacht und schmeißt mir ein Kondom gegen das Bein. Sympathisch. Ich nehme ihre Hand, helfe ihr auf und wir verziehen uns in ein Waldstück. Sie rupft ihre rote Röhrenjeans bis an die Knöchel herunter und verschwindet mit ihrer Hand in meinen Baggies. Scheinbar um ihn steif zu machen. Viel Arbeit hat sie allerdings nicht, ich bekam schon einen Harten, als ich merkte, dass der Magnoliaduft von ihr stammt. Sie zieht mir das Gummi über, beugt sich nach vorn und drückt meinen Schwanz in ihre kleine, gepiercte, rasierte Möse. Sie fängt schon beim ersten Eindringen an, leise zu quieken und bewegt ihren Arsch kreisförmig. Ich vergrabe meine linke Hand unter ihrem "Good Night Wide Pride"-T-Shirt und mit der Rechten massiere ich ihren süßen Arsch. Sie kommt nach geschätzten zwei Minuten und spritzt ab. Ich hatte noch nie eine "squirtende" Frau, aber schön ist es nicht. Die ganze Scheiße tropft mir auf die Schuhe und ich werde sauer- Ich schmeiße sie um, rolle sie auf den Rücken und gebe es ihr in der Missionarsstellung. Ich ramme Ihn in sie hinein, als würde ich ihr das Becken brechen wollen und sie schreit wie in diesen abgefuckten Asia-Pornos. Ich halte ihr den Mund zu, das Geschreie nervt echt. Sie scheint das nur noch mehr zu erregen und sie stöhnt ein "schlag mich" durch meine Finger. Dazu kommt es allerdings nicht mehr, ich ziehe in raus, steck' in ihr in den Mund und exportiere gefühlte zwei Liter Gensuppe in ihren Rachenraum. Zungenpiercing. Auch gut. Ich setze mich neben sie, zünde mir eine an und gebe ihr wortlos eine. Sie nimmt einen tiefen Zug und schaut mich, schwer atmend wie nach einem Zwei-Kilometer-Sprint an.
"Ich bin Lara."
"Klingt nuttig."
"Normalerweise mach' ich sowas nicht."
"Klar."
"Wie steht's mit dir?"
"Alex..."
"Achja..."
"Nagut, Alexej."
"Russisch?"
"Keine Ahnung."
Sie küsst meinen Hals und sagt so etwas, wie "Ich hab' mich in dich verknallt, glaube ich." Die 20jährige Frau hat mittlerweile den Stadtpark verlassen und wir trotten zusammen zurück auf die Wiese. Ich lege meinen Arm um sie und sie legt ihren Kopf auf meinen Bauch. "Ungewöhnlich sich so kennenzulernen.", sage ich.
"Du hast doch damit angefangen."
"Hm."
"Worüber denkst du nach?"
"Ich wollte eigentlich heute vollends allein hier sein."
"Ist irgendwas mit dir?"
"Da ist so ein Mädel, auf das fahr ich übelst ab. Die will allerdings nichts von mir."
"Soll ich dir irgendwie helfen?"
"Geht schon, ich bin gerade dabei sie abzuschreiben."
"Hm."
"Naja ich hab ja jetzt dich oder so."
"Wie mich haben?"
"Na du hast doch gesagt du hast dich in mich verliebt."
"Alex, das hat gar nix zu bedeuten. Menschen verlieben sich andauernd in andere Menschen, sowas ist nichts besonderes mehr."
"Check' ich nich."
"Na wer sagt mir denn, dass du nicht andauernd irgendwelche Tussis im Stadtpark fickst?"
"Guter Einwand."
Sie schenkt mir ein Bier und dann reden wir für eine halbe Stunde nicht miteinander. Neben uns macht sich ein Sperling akribisch auf Futtersuche und über uns scheint sich ein Fliegenpuff zu bilden. Ich bin gerade so am Einschlafen, als das Schweigen endet.
"Wohnst du hier?"
"In Ilmenau?"
"Naja im Allgemeinen, hast du hier im Umfeld dein Zuhause?"
"Ich wohne im Moment in Ilmenau, würde aber nie so weit gehen es als mein Zuhause zu betiteln."
"Wo ist denn dein Zuhause?"
"Keine Ahnung."
"Ich finde dich irgendwie eigenartig. Du sprichst zu wenig irgendwie."
"Und du kennst mich erst seit einer halben Stunde..."
Sie streicht sich über ihren Iro und seufzt. Dann ext sie ihr Bier.
"Du, ich muss los, Alex."
"Okay."
"Meldest du dich?"
"Ich hab' keine Kontaktdaten."
"Willst du meine Nummer?"
"Nee, Danke. Ich steh' darauf, wenn das Schicksal einen wieder zusammenführt."
"Okay, bye."
Sie küsst meine Stirn, packt ihre Sachen in den Rucksack und geht wortlos. Ich hätte sie sowieso nicht angerufen. Endlich habe ich den Park für mich allein.

Mittwoch, 28. Juli 2010

Phantomschmerz

Aus der hintersten Ecke meines Gehirns meldet sich ETWAS, das schon lange nicht mehr da ist. ES tut weh, ES frisst mir Löcher ins Bewusstsein. Ich habe ES besiegt, vor Jahren schon, habe ES ausgebrannt und nur tote Gedanken und Narbengewebe zurückgelassen, ES existiert nicht und trotzdem trifft mich seine Macht von Zeit zu Zeit wie ein Hammerschlag. Ätzende Säure bahnt sich dann ihren Weg durch die Synapsenwelt, weiter in die Augen und gleichzeitig in jeden Winkel meines Körpers. ES blendet mich, nimmt mir jeden Kontakt zur Welt, sperrt mich ein in einem Käfig, dessen Gitter nicht aus Stahl, sondern aus Schmerz bestehen und ich weiß, dass ES irgendwo lauert. ES besteht aus Erinnerungen die ich nicht kenne, aus Wünschen, die ich nie hatte und aus winzigen Splittern meines Bewusstseins. ES will mich töten. Nein, ES will, dass ich mich selbst töte, von einem Dach springe, meine Adern aufschneide. Selbstmordgedanken, tausendfach destilliert, klarer als Diamanten, reiner als die Leere selbst und unfassbar mächtig. So oft habe ich gegen diesen Edelstein im Kopfmüll gekämpft, wollte ihn loswerden, ihn zerstören, schließlich mit Erfolg. Was blieb, war ein schwarzer Fleck am Rande meines Bewusstseins. Doch jetzt kommt von dort der Schmerz, hundertmal stärker als je zuvor...

Sonntag, 25. Juli 2010

Kippenstummel

Ich glaube, das Mädel auf der anderen Seite des Tisches hatte bisher noch kein Wort von dem verstanden was ich gesagt hatte und das würde sich vermutlich auch nicht mehr ändern. War aber egal, es ging mir nicht darum ihr etwas mitzuteilen. Alles was ich von ihr wollte war, dass ihre irgendwie verwaschen wirkenden, braunen Augen fasziniert an meinen Lippen hingen, ich wollte einfach, dass sie mir zuhörte, ganz egal was ihr abstoßend durchschnittliches, momentan sehr stumpfes Bewusstsein morgen daraus machen würde. Zielsicher kippte ich einen Schluck Rum in den Plastik-Shotbecher vor mir, dann einen weiteren in den des Mädchens. Sie war so besoffen, dass sie nichtmal das Gesicht verzog, als die goldene Flüssigkeit durch ihren Rachen floss. Ich zögerte noch kurz, dann kippte auch ich das Gesöff runter und genoss das warme Kribbeln. Auf den leichten Brechreiz reagierte ich innerlich mit einer Mischung aus Ignoranz und Befriedigung.
Am Rande meines Bewusstseins registrierte ich, dass die Musik leiser wurde und auch den blaugekleideten Grund dafür. Stumm zog ich meinen Geldbeutel aus der Arschtasche, kramte Personalausweis und Führerschein hervor und hielt beides dem massigen Polizisten hin. Der warf nur einen kurzen Blick darauf und legte die beiden unterschiedlich großen Plastikkarten neben mir auf den Tisch, verabschiedete sich kurz und verschwand.

Das Gefühl, das schon den ganzen Abend wie ein Stein auf meine Brust drückte, sich aber in den letzten Stunden einigermaßen gelegt hatte, war wieder da. Ich bekämpfte es nicht, sondern ließ es wieder in mich ein wie schon so viele Male zuvor. Nur in solchen Momenten hatte ich den Mut, einfach auf alles zu scheißen und ein Haus anzuzünden oder einfach Menschen schon durch meine bloße Anwesenheit Angst einzujagen. Stunden später wachte ich dann immer irgendwo anders auf und dachte über diese so merkwürdigen und so schmerzhaften Phasen meines Daseins nach.
Und ich war stolz darauf, fütterte meinen sowieso schon grenzenlosen Narzissmus damit, jedenfalls solange bis ich wieder seit einer Woche oder so klar war. Dann wurde ich anders. Fühlte mich merkwürdig; nicht schlecht, nur merkwürdig. Irgendwie klein, unvollständig. Viel zu normal. In dem Moment da mir das Wort "normal" durch den Kopf ging, wusste ich was zu tun war. Ich musste trinken, kiffen, rumhuren, allein und weinend im Schnee sitzen, dann weitertrinken bis ich kotzen musste und schließlich irgendwo auf dem Boden einschlafen.
So war ich eben und so wollte ich es... Ein Leben zwischen Rausch und Realität, ein Freak unter Menschen, der Wolf in der Schafsherde... Nichts als ausgebrannte Träume in mir, wie Kippenstummel auf dem Boden meiner Seele verteilt...

Dienstag, 20. Juli 2010

Zum Ende der Welt

Obwohl die riesige Kralle des noch viel riesigeren adlerähnlichen Vogels nicht mehr quer über meiner Brust lag, fiel mir das Atmen noch immer schwer. Ich versuchte, mich auf die Seite zu drehen, wurde aber von einem stechenden Schmerz im Bereich der linken unteren Rippen daran gehindert und beließ es bei einem schmerzverzerrten Stöhnen. Der Vogel, eben noch wild entschlossen, seine Beute in Stücke zu reißen und zu verschlingen war jetzt mit etwas ganz anderem beschäftigt. Ein zweiter, mindestens ebenso riesiger Vogel war am nur von einigen rötlich schimmernden, blätterbehangenen Ästen verdeckten, leicht grünlich angehauchten, wolkenlosen Himmel aufgetaucht und forderte soeben seinen Rivalen zum Kampf um die Beute heraus. Wäre ich nicht der Preis für den Gewinner gewesen, hätte ich vermutlich noch länger wie gelähmt am Boden gelegen, absolut fasziniert von der Gewalt mit der die beiden Raubvögel immer wieder gegeneinander stießen, mit den Krallen nach dem Gegener schlagend und so laut mit den Schnäbeln klappernd, dass ich die Vibration der Geräusche sogar hier, mehrere Meter entfernt, durch den Boden und das meterhohe Gras um mich herum wahrnehmen konnte. Nach Sekunden, die sich für mich wie zähflüssige Stunden anfühlten, erlangte ich die Gewalt über meinen Körper zurück und zwang ihn, den stechenden Schmerz ignorierend, aufzustehen und davonzuhinken. Weit, weit weg von den zankenden Riesenvögeln, die mich mit einem einzigen Flügelschlag ins Jenseits befördern konnten. Hinter einer Baumreihe sah ich Licht, nicht rötlich wie das dieses Waldes, sondern blau, fast weiß. Ich lief darauf zu, stolperte über Grashalme, kletterte über riesenhafte Wurzeln, brach durch haushohes Brennesselgestrüpp, wohl wissend, dass ein einziger Stich mich für Stunden außer Gefecht setzen würde und schließlich erreichte ich den Waldrand. Er war genau so wie die Waldbewohner mit den spitzen Ohren und den drei bis sieben Armen ihn mir beschrieben hatten, stets mit einem Unterton mitleidigen Spotts, als seien sie fest überzeugt, dass ich ihn niemals zu Gesicht bekommen werde.
Und hier stand ich nun, am Rande des Waldes, und blickte auf eine wunderschöne Welt hinunter, nur wenige hundert Meter entfernt begann bereits die erste, herrlich weich wirkende Wiese. Weit in der Ferne thronten Schlösschen auf Hügeln und Burgen auf Felsen, hier und dort tollte ein Einhornpaar durch die Wiesen und Felder. Und ganz weit weg am Horizont konnte man schon das Ende der Welt sehen.
Da wollte ich hin, auch wenn ich ein Jahr und einen Tag brauchen würde. So vergingen die Tage, und nie wurden sie langweilig. Mal weckte mich ein seltsames, graublaufarbenes Tier mit langem, weichem Fell, aus dem mich nur eine lange Schnauze und ein Paar treuer saphirblauer Augen anlächelten, mal schlief ich zum Panflötenspiel eines weit entfernten Wanderers ein und träumte davon, auf einem dieser graublauen Wesen über die Welt zu fliegen.
Ich kam auf der Reise an vielen Schlössern, Burgen, Türmchen, Tempeln und Brunnen vorbei, ich lernte viele Wesen kennen, einige von ihnen konnten sprechen, andere konnten fliegen und wieder andere konnten nichts, sahen aber trotzdem schön aus. Irgendwann hörte ich auf, die Tage zu zählen und so war ich nicht wenig überrascht, als ich mich eines Morgens am Ende der Welt wiederfand.
Es war ein Ort, der sich durch nichts wirklich beschreiben lässt. Seine Schönheit trieb mir Freudentränen in die Augen und gleichzeitig schluchzte ich vor tiefster Trauer, dass an diesem Ort ALLES sein Ende fand. Im selben Moment empfand ich überhaupt nichts, oder hörte Pferde galoppieren oder schwere Maschinen stampfen und zischen. Ich hatte Angst, ertaubt zu sein, weil es so still war, es war so hell und so dunkel zugleich, dass ich mir verzweifelt die Augen rieb. Es war einfach das Ende der Welt, hinter mir die Welt und vor mir ein riesiges schwarzes Meer, gefüllt mit Sternen. Und so setzte ich mich einfach hin, streckte die müden Füße in das Meer und ließ mich auf die wunderbar weiche Wiese sinken...

Donnerstag, 15. Juli 2010

Reisebericht eines Trippers - β

Nimm den geilsten Sternenhimmel, den DU jemals sahst. Nein, nicht nur den, den DU jemals sahst sondern auch den, den DU dir immer vorstelltest. Kein Wolkenverhangener Scheißhaufen aus weit entfernten Heliumklumpe sondern ein Himmel in dem DU jede einzelne Faser der Milchstraße erkennst. In dem DU alle Sterne gen eines riesigen Zentrums tanzen siehst. Hast DU das Bild? Dann öffne DEINE Augen wieder und lasse den wirklichen Himmel hinein. Lasse die Sonnen in DEINE Netzhaut einbrennen wie auszudrückende Zigarettenstummel am Unterarm eines borderlinegestörten Mädchens. Atme tief, spüre den Hauch der Einsamkeit während DEINE Bronchien mit der auf etwa Zimmertemperatur befindlichen Atemsubstanz der nächtlichen Umwelt vertraut gemacht werden. Ein minimaler Beigeschmack der DEINEN Rezeptoren in den hintersten Winkeln eine Assoziation zu dem Geschmack von Wassermelonen, wie aus einem Jahrtausende versunkenen Majagrab aushebt. Halte die Luft an, behalte das Gefühl der Nachtluft in DEINEN Arterien, Venen, Drüsen, Leitern, Synapsen bis der Druck DEINES Brustkorbes DICH wieder zum Ausatmen zwingt. Nun öffne DEINE Augen richtig und erblicke das Superlativ aller jemals gesehenen Nachthimmel umringt von den, sich im Atem Gottes windenden Ästen der Kastanienbäume und werde DIR dessen bewusst, dass sie dort im schwarzen Zentrum der Unendlichkeit haften bleiben anstatt herunterzustürzen, um dich mit der schützenden Wärme und des weisen Lichts eines tanzenden Sterns zu umgarnen. Balle DEINE Faust aif dem Boden, der mit Gras überzogen ist und spüre das Leben, das KA in diesen von Gaja gegebenen Konstrukten. Ein Zwinkern jedoch löscht DEINEN Augenblicj aus, da die von Tränen verwaschenen Augen nur eine Matrix aus verschwommenen Lichtpunkten zurücklassen und deine Gedanken kräuseln sich und steigen empor in die nichtssagende Leere eines Grundstücks, welches von der mysteriösen Kuppel überdacht ist. DEINE Knochen und Gelenke bringen DICH widerwilig auf die Beine und DEIN Bewusstsein steuert DICH zurück auf die einzig greifbare Lichtquelle, welche vom matten Schein einer Glühbirne ihre Materialisierung findet.

Dienstag, 13. Juli 2010

Geisterwelt

Kalter Wind zieht durch die Straßen wie Gevatter Tod auf der Suche nach Jüngern. Mal zieht er hierhin, mal dorthin, nie hält er inne. Die junge Frau hat den Mantel eng um den Leib geschlungen und den Kopf schützend gesenkt, damit der Wind nicht die wertvolle Wärme aus ihrem Körper zieht und dem alten Sensemann das Spiel zu leicht macht. Ihre Lippen bewegen sich leicht, man könnte meinen, sie würden zittern vor Kälte, tatsächlich aber spricht sie. "Seid nüchtern und wacht, denn euer Widersacher, der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht wen er verschlinge." Die Hauswände, an denen sie ihr Weg bereits vorbeigeführt hat, tragen ebendiesen Bibelvers in dunkelroter Farbe. Niemand beschwert sich darüber, die wenigsten sehen ihr Haus überhaupt noch von außen, denn draußen sind der Wind und manchmal auch der Regen. Beide tödlich wie der Teufel persönlich. Verseucht von Jahrzehnten des achtlosen Dahinvegetierens, kalt, weil das Licht der Sonne nicht mehr zur Erde dringen kann. Schon bald wird diese kleine Stadt eine Geisterstadt sein, eine Stadt, deren Bewohner als böse Geister umherwandern, die einsame Wanderer in ihre kleine Hölle mitnehmen und nie wieder freilassen. Eine kalte Windböe reißt der jungen Frau die Spraydose aus der Hand...

Samstag, 10. Juli 2010

Sleep.Mode XVIII - Epilog

Was erwartet uns denn in einer Welt, die so verlassen, kaputt, radikal entmannt ist?
Ich glaube alles, was bleibt ist eine in sich zusammenfallende Welt, in der in wenigen Jahren das Gras beginnt, sich durch den Asphalt durchzudrücken. Bäume werden Häuser bersten lassen, Rehe und Füchse werden sich durch die leeren Straßen unserer einstigen Metropolen schleichen und die letzten Reste unserer früheren Zivilisation beherrschen. Die Hochhäuser werden in tausenden von Jahren für die neuen Natur-Völker lediglich Reliquien alter Zeiten sein. Sie werden vielleicht irgendwann unsere Knochen aus der Erde heben und sich fragen, was der Grund war, weswegen eine so hoch entwickelte Rasse innerhalb von wenigen Monaten vollends ausstarb. Museen werden eröffnet mit nieder entwickelten Werkzeugen und eine Frau wird sagen, dass dies ein MP3-Player sei. Man wisse allerdings nicht, wofür es gut ist denn es war für das Überleben sinnlos. Viele Geräte, Maschinen und Gegenstände werden höchstens als Schmuck oder Symbol für Wohlhaben definiert, dessen bin ich mir sicher.
All diese Gedanken lenken meine Beine in die Richtung eines Mobs von Wahnsinnigen. Ich weiß, dass ich nicht wahnsinnig werden kann, dass ich, wenn ich weiterleben sollte höchstens den Verletzungen erliege aber niemals dem Virus. Ich kann nur leben. Das ist mein Fluch. Das Kind von mir und Josie ist bei ein paar überlebenden Soldaten in einem Einkaufszentrum. Wir wussten, dass es dort sicher ist. Warum wir nicht dort blieben? Die Antwort ist recht bescheuert, dennoch war sie für uns von Bedeutung. Wir wollten weitere Überlebende suchen. Einfach nur, weil wir wussten, wie die Einsamkeit ist.
Ich falle zu Boden und ein Sickman beißt mir in den Hals. Ich kann nicht schreien.
Ich liebe Dich, Josie. Gleich bin ich bei Dir, mein Schatz.

Sleep.Mode XVII - Schmetterling

Die Zeit hängt irgendwo zwischen Sonnenauf- und Untergang. Obwohl es mitten im Mai ist, ist die Luft von feinen Tröpfchen durchzogen und jeder noch so minimale Windstoß lässt mich frösteln. Das Auto gab vor etwa zwei Tagen seinen Geist auf. Josie und ich Stapfen durch das Brandenburger Tor. Der Rücken der auf der Spitze sitzenden Schönheit ist von einem matten Grau überzogen. Um uns herum liegen abgenagte Menschen, verdurstete Sickmen und auf dem Boden sind Flyer verstreut. Der Anblick ist so apokalyptisch, wie man es sich für gewöhnlich in diesen Sci-Fi-Filmen vorstellt. Als hätte man wegen eines Atomkrieges die Erde evakuiert und wir sind Überlebende des Ganzen. Nur war dieser Krieg kein Atomkrieg. Es war eine Schlacht zwischen Mensch und Wahnsinn.
Wir passieren die Straße und dort, wo früher die Berliner Mauer entlangführte, liegt ein Schmetterling, dessen Flügel leicht im Wind dieses Tages zittern. Wortlos schauen wir uns an. Die anfängliche Angst ist dem Trauer der Einsamkeit gewichen. Meine Beine sind müde vom vielen Laufen und Josie weiß genau so gut, wie ich, dass wir die nächste Nacht nicht überstehen werden. Ihre makellose Haut weist schwere Verletzungen auf, die notdürftig mit Verbandszeug aubgedrückt werden. Ein Irrer hatte sie gestern in einer Seitengasse überfallen und bevor ich meine letzte Kugel durch seine Hirnrinde gleiten ließ, riss er ihr bereits mit seinen verdreckten, an manchen Stellen gebrochenen Fingern die Haut von den Armen. Vielleicht wird sie all das vergessen, wenn sie von den dünnen Fäden des Antilebens in eine andere Welt gezogen wird. Vielleicht wird sie auf mich schauen, weiter mit mir leiden. Ihre glasigen Augen bohren sich in die meinigen und hinterlassen eine Art von Schmerz, wie sie sonst nur in kitschiger Liebesliteratur beschrieben wird. Sie wird sterben. Allein dieser Satz, immer wieder in meinen Gedanken von Hirnhälfte zu Hirnhälfte rasend, blockiert mein restliches Denkvermögen und eine Träne presst sich aus meinem dehydrierten Körper, färbt sich vom dreckigen und staubigen Antlitz meines Gesichtes in ein braunes Tröpfchen Elend und bleibt in meinem ungestutzen Kinnbart hängen.
„Ich liebe Dich Banker. Verstehst du das?“
Sie flüstert mehr, als dass sie redet. Es hört sich wie das Säuseln des Windes an, wenn man glaubt gerufen zu werden, sich es jedoch nur einbildet. Denn dann verebbt der Wind und man hat wieder nur seine eigene Atmung, das Pulsieren seines eigenen Blutes, die Töne seiner eigenen, mittlerweile verhassten Stimme. Ich küsse ihr von Hämatomen überzogenes Gesicht.
„Josie, wir finden hierfür eine Lösung, das alles kann kein schlechtes Ende nehmen. Du kennst doch diese stumpfen Zombie-Filme. Dort wird am Ende auch alles gut.“
Sie schüttelt mit dem Kopf und lässt nichts weiter, als die Abdrücke ihres Mundes auf meiner Wange und einen leblosen Körper mit Einschussloch in der Schläfe zurück.

Reisebericht eines Trippers - α

Und? Was umgibt DICH?
Gerade sitzt DU in einer Gruppe von hohlen, scheißesabbelnden Suchtis.
DEINE Misanthropie macht sich ohne Umwege direkt in DEIN Hirn, verweilt nicht, fickt DICH.
Klar bist DU voll, sabbelst auch Scheiße, doch viel schöner wäre es jetzt diese eine dort bei DIR zu haben.
Fuck man, DU willst sie nichtmal ficken, was im Kontrast zu DEINEN bisherigen Drogen/Alkohol/Fick/Entmenschungs-Exzessen steht.
Primär willst DU sie nur bei DIR haben, ihrer Stimme lauschen, die sich wie weiches, gleich abhärtendes Kerzenwachs auf deine Seele legt und so eine kleine Kuppel Schutz bildet, wenigstens minimalistisch. Willst DU gedanklich noch auf ihre Augen eingehen? Ihre Grübchen, wenn sie lächelt?
Nein, willst DU nicht.
Denn sie hat DICH ebenfalls gefickt.
Nicht so, wie es die anderen taten. Eher hat sie das Blut aus DEINEM pumpenden Apparat rausextrahiert, der da unaufhörlich gegen DEINEN Knochenknast tritt.
Seele entrissen? Wohl Kaum. Eher reingerotzt, zusammengeknüllt und liegen gelassen. Das alles weiß sie nicht. Lässt sich ja immerhin von den anderen besickern mit Flüssen aus geistesabstinenten Gedankenscheißhaufen. Vielleicht will sie DICH ja doch.
Weißt DU das?
Nein. Zu schüchtern? Sie oder DU?
DEINE Gedanken itself fühlen sich eh nur noch wie aufeinandergestapelte Konservendosen an.
Leer und pseudokonstruiert. Der Lampenschirm wirft einen Ring aus mattem Licht in die Reflexzone der gardinenüberhangenen Fensterscheibe und alles was DU willst ist noch ein Bier.
Und genau da setzt Diaprojektor 1 aus.

Upload

Grau auf Weiß blinkt ein Cursor am linken oberen Rand des kleinen Bildschirms. Es gibt nichts, was der Bildschirm mitteilen könnte. Noch nicht. "Bemerkenswert wenig beeindruckend.", wirft der Mann im weißen Kittel in die ansonsten nur von leise sirrenden Kühlsystemen und Speichereinheiten durchbrochene Stille. Niemand antwortet. Warum auch? Jeder im Raum weiß Bescheid. Hinter der Glaswand, vor der der Bildschirm zu schweben scheint werden die letzten makrophysischen Routinen abgeschlossen. Das moskitoähnliche Hintergrundgeräusch nimmt leicht zu als das Kontrollprogramm startet und die Zwischenspeicher für die primäre Uploadsequenz geleert werden. Die 255 Menschen auf den Liegen hinter dem Glas scheinen zu schlafen, die Elektroden auf ihrer kahlrasierten Kopfhaut überhaupt nicht wahrzunehmen, ebensowenig die Kabelbäume über und neben sich oder das leicht erhöht liegende Kontrollzentrum auf der anderen Seite der Glaswand.
"Primärer Upload gestartet", lässt eine weiche, irgendwie von überallher zu kommen scheinende Frauenstimme verlauten. Auf dem kleinen Bildschirm die genauere Information:

Uploadsession 1.1 initiiert
Zwischenspeicher füllen ...


Die drei Punkte verschwinden und tauchen einer nach dem anderen wieder auf um die momentane Arbeit an der Aufgabe zu verdeutlichen. Der Bildschirm ist im Prinzip überflüssig. Ob das hier Session 1.1 oder 1.5 ist, interessiert niemanden. Der primäre Upload findet statt, der Anfang einer neuen Zeit, darum geht es. Anspannung macht sich breit. Der riesige Kontrollraum wirkt zu klein, das unauffällige Sirren wird zur Belästigung, die optimal klimatisierte und aufbereitete Luft wird warm und stickig. Der Mann im weißen Kittel liest zum tausendsten Mal die Liste der Uploadschritte.

x.1 Daten auslesen
x.2 Ausgelesene Daten im Zwischenspeicher sortieren
x.3 Ausgelesene Daten im Zwischenspeicher kombinieren und "kollektivieren"
x.4 Kollektives Bewusstsein in den Hauptspeicher und die Backupsysteme schreiben
x.5 Kollektives Bewusstsein aktivieren


Die Erschaffung einer neuen Spezies hat soeben begonnen. Ein kollektives Bewusstsein, eine bessere Version der Borg. Innerhalb weniger Jahre wird jeder Mensch "assimiliert", jeder wird ein Teil der neuen, gottgleichen Rasse. Die Weichen sind gestellt, der Zug ist angerollt. Es gibt kein Zurück mehr, keinen roten Knopf mit der Aufschrift "STOP", nicht hier und nicht irgendwo...

Freitag, 9. Juli 2010

Zurück in die Zukunft

"Wenn wir beide in der Zukunft leben würden, dann gäbs genau zwei Möglichkeiten, wo wir sein könnten."
"Hm?", brummte Frank, nur leicht überrascht von einem derart langen und grammatikalisch nicht völlig unsinnigen Satz. Das grüne Zeug, das er vorhin in das braune Zeug gekrümelt und schließlich angezündet und inhaliert hatte wirkte gut.
"Also entweder wären wir so Minenarbeiter oder sowas. Sklaven oder so. Mit Cyborg-Teilen stärker gemacht, aber nich mehr in der Lage zu denken und so. Oder wir wären eben die, für die die Cyborg-Sklaven arbeiten, also so Wesen, die früher mal Menschen waren, aber die entdeckt haben wie sie die Weltherrschaft an sich reißen und ewig leben können."
"Fänd ich beides scheiße..."
"Hm, ja schon... Aber jetz stell dir mal vor, einer von den Cyborgs kriegt plötzlich nen Stein an den Kopf und kann auf einmal denken. Dann würd der den Bossen ordentlich den Arsch aufreißen."
"Jaaaa... Und dann? Dann wär die Zukunft vorbei und das danach fängt an. Aber wie das heißen wird weiß ich nicht... Is aber auch egal, im Prinzip wärs wahrscheinlich genauso wie die Zukunft, manche findens toll, andere findens scheiße..." Erschöpft von diesem Monolog ließ sich Frank in die Liege zurücksinken, schloss kurz die Augen und genoß das langsame Schwanken und Taumeln seiner Seele.
Pete dachte nach, öffnete mit nachdenklicher Miene die nächste Dose, leerte sie gedankenversunken zur Hälfte, stellte sie wieder auf den kleinen Plastiktisch und warf dabei fünf oder sechs leere Dosen und einige Plastikflaschen um. Die halb volle Flasche Rum geriet ins Wanken, Frank streckte die Hand so langsam aus, als wäre die Wirklichkeit eine x-beliebige Sportübertragung in der irgendwer die Zeitlupe eingeschaltet hatte. Die Glasflasche fiel von der Tischkante direkt in seine Hand. Ohne die Miene zu verziehen, schraubte er sie auf und nahm einige kleine Schlucke des goldenen Inhaltes.
Pete schien davon überhaupt nichts mitbekommen zu haben, er starrte über das marode Geländer des Balkons und kurz dahinter verlor sich sein Blick in Luft und Sonnenstrahlen. Er öffnete den Mund. Schloss ihn wieder, griff nach der Schachtel Luckies neben sich, nahm eine Zigarette heraus und drehte sie langsam in den Fingern. Dann meinte er: "Wir leben schon in der Zukunft, manche findens toll und andere nich so. Aber das is doch immer so. Also is doch immer Zukunft oder?"
"Das mag natürlich sein..." Frank wollte den Gedanken nicht in sein Gehirn lassen, er passte gerade nicht in sein irgendwo weit weg schwebendes Bewusstsein, das auch ohne fremde Hilfe bereits begann, die Realität wiederzufinden und Reize korrekt zu verarbeiten. "Vielleicht heißt Zukunft aber auch, dass alle froh sind. Dass niemand es scheiße findet. Und wenn das so ist, dann sind wir in der Zukunft." Stolz auf diesen genialen Gedankengang und die wunderschöne Formulierung setzte Frank sich auf, öffnete die Augen, blickte nach rechts und Pete direkt in die Augen. Der grinste wortlos und zog die kleine, mit grünen Krümeln gefüllte Plastiktüte aus dem DRUM-Beutel...