Freitag, 26. Februar 2010

68

"Und hast du das eine Weib da gesehen? Alter wenn die nich' so einen auf japanische Fetisch-Porno-Cutie gemacht hätte, hätte ich die heute Abend definitiv noch klargemacht."
"Mann, tracs du hättest heute nich' einmal in ner Möse gesteckt wenn der Boden damit bepflanzt wurde."
"Aber bei ihr hätte's bestimmt funktioniert."
"Dann eher bei Isa. Die war scharf, willig und ihr Kerl war nich' am Start."
"Hältst du sie wirklich für so ein Dorfloch?"
"Nein, aber dich."
Tracs lacht heiser, zündet sich noch eine Zigarette an und ich beschleunige auf 80. Etwa zwei Kilometer vor Ortseingang steht dann so ein grüngehüllter Zwerg mit seiner putzigen Schülerlotsenkelle auf der Straße und winkt uns raus.
"Guten Abend die Herren, wo kommen wir denn her?"
"Von bösen, okkulten Parties mit Drogen, Gras und 'ner Menge Jungfrauenblut."
"Ihren Führerschein und den Fahrzeugschein bitte."
Ich reiche ihm meine Lappen und mit einem kritischen Blick schaut er noch einmal durch das Fenster der Fahrerseite, um festzustellen, ob ich das auch wirklich bin.
"Haben Sie Alkohol getrunken?"
Ich grübele wie so ein schlechter Schauspieler in einem Theater und hebe dann meinen Zeigefinger um mit einer überraschenden Mimik mein Statement zu verkünden.
"Vor etwa vier Stunden hab ich das letzte Heinecken gekippt. Fuck, Mann, das war vielleicht ekelhaft schal."
"Steigen Sie doch mal bitte aus."
Während tracs auf der Suche nach der aktuellen 'Bring me the Horizon'-Scheibe ist, trete ich aus meiner Karre um diesen Polizisten mit Amerikano-Komplex gegenüberzustehen. Er ist schätzungsweise 1,68 und hat seit, nun sagen wir mal drei Jahren keine Mu mehr gesehn. Bis auf die Sachen, die er sich aus dem Internet läd.
Ich puste also in sein eigenartiges Alkoholmessgerät und muss fast kotzen bei dem Gedanken wie viele Penner das Scheißding schon vor mir in der Fresse hatten.
"Exakt 0,27. Da haben Sie ja Glück, das Sie aus der Probezeit raus sind."
"Darf ich auch ma'?"
Tracs kommt aus dem Wagen und baut sich mit seinen knappen zwei Metern Körperhöhe vor diesem Miniaturpolizistenpappaufsteller auf.
"0,00. Glückwunsch. Damit wären sie komplett nüchtern."
Ich nutze diese Chance und gehe mit den Worten "dann kannst du ja fahren" zum Kofferraum, um mir noch eine Flasche Bier zu holen, welche ich direkt vor diesem armseeligen Gesetzeshüter aufbeiße und exe.
Wir steigen wieder in meinen alten Corsa und treten den Weg zu unserer Wohnung an. Als der Polizist außerhalb des Blickwinkels ist, fängt tracs an zu Lachen.
"Was'n los, Alter?"
"Ich hab dir immer gesagt: Halt dich einfach an das Speed und die Bullen bekommen nicht das geringste mit."
Ich lasse im Vorbeifahren meine Flasche in der Haltebucht der Bushaltestelle "Kino" zerschellen, lehne mich zurück, genieße die vorbeirauschenden Laternen und den Geruch des Opium-Wunderbäumchens, welches am Rückspiegel hängt und vermute, dass es ein verfluchter Dienstag ist.

Donnerstag, 25. Februar 2010

Flug des Ikarus

Wenn ich zur Zeit an die letzte Frau denke, der ich meine Liebe gestand, muß ich sagen, daß ich sie immer noch von ganzem Herzen liebe, daß mir der Gedanke an sie Übelkeit beschert, weil ich sie vermisse, weil ich Angst habe, sie nie wieder zu sehen, zu fühlen. Derzeit ist das eine der Hauptsorgen meiner selbst. Meine unbändigen Gefühle, für diese Frau. Selbst Dinge, die mir wichtiger sein sollten, werden dadurch in den Hintergrund gedrückt und scheinen nicht vorhanden hinter dieser Mauer aus Gefühlen und verborgenen Sehnsüchten. Zumal: Wer entscheidet denn, was wichtiger ist?
Oft begegne ich in Momenten totaler Einsamkeit, oder wenn ich unter Menschen bin, den Erinnerungen, den Gedanken an die schönen Dinge. Ihre Umarmungen, ihre Küsse, ihr Wohlwollen und die Wärme, die ich spürte wenn sie mich anlächelte. Nichts davon ist negativ, doch schmerzt es mich und rührt mich innerlich zu Tränen, da ich sonst nicht fähig bin zu weinen. Nur in mir drinnen weine ich. Umhüllt von einem Eisblock dessen spiegelnde Oberfläche alles reflektiert und Berührungen oder Worte erfriert, so daß sie kaum noch mein Innerstes erreichen.
Ich definiere die Misanthropie als solche Eigenschaft oder Uneigenschaft, sich nicht mehr der Außenwelt hinzugehörig zu fühlen, sich abgesondert zu fühlen. Diese Situation beschämt und schürt Haß gegen die Menschheit. Man erfüllt sich selbst nicht mehr, man wird nicht mehr erfüllt und einzig der eigene Haß, die eigene Liebe bleibt, und wird unsichtbar für alle andren. Jedoch weiß man selbst, daß man lieber gehen sollte und tut es nicht, um der inneren Liebe willen. Man erzeugt Wut bei andren, um des inneren Hasses willen.
Nichts erfüllt den Kelch der Glückseeligkeit mit seinem kraftspendenen Saft. Nur zähflüssige Traurigkeit ergießt sich mit quälender endlos erscheinender Langsamkeit in seinen Bauch. Ölige schwärze, bestehend aus finsteren Gedanken und der Uneinigkeit der eigenen Seele.
Beißende Schnäbel hacken sich in das Fleisch und verschlingen es mit dem unbändigen Hunger eines Wesens, das seit Ewigkeiten nichts mehr zu sich genommen hatte. Traum und Wirklichkeit verschmelzen zu einer einzigen breiigen Masse. Verschwommen nimmt die Realität die Gestalt eines Albtraums an und es beginnt wie in einem schlechten Horrorfilm zu regnen und zu donnern. Ich registriere es nur am Rande meiner Wahrnehmung. Vor meinem inneren Auge lichtet sich ein schwarzer Schleier und gibt den Blick auf eine art Bühne preis.
Hölzerne Dielen knarren als ein Protagonist auftritt. er setzt sich inmitten der finsteren Kulisse auf einen Holzblock. Minuten lang sitzt er nur da. Nicht ein Wort kommt über seine Lippen. Nur ein leises Wimmern ist zu vernehmen. Bis schließlich eine Weitere Figur erscheint. Eine junge Frau in einem weißen Gewand. Sie nähert sich dem Protagonisten, spricht ihn an. Er antwortet nicht, blickt sie nur an und wischt sich mit dem Stoff seiner Kleider über das Gesicht. Wahrscheinlich um Tränen zu entfernen. Sie kommt näher auf ihn zu und will ihn in ihre Arme schließen, da springt er auf und flüchtet stumm in eine Ecke, wo er sich kauernd niederläßt. Sie geht wieder auf ihn zu und nimmt ihn in ihre Arme. Diesmal flüchtet er nicht und man vernimmt, während der Vorhang fällt, ein weiteres mal nur sein Wimmern.
Finsternis umgibt mich und ich falle ... Schweigend ... Nicht ein Ton kommt über meine Lippen. Einzig ein paar Tränen verliere ich. Dumpf ist der Aufprall, der meine Schädeldecke zersplittern läßt und mich tötet.

Donnerstag, 11. Februar 2010

Zombosexual

Nicht viel reden.
Wir sitzen in einem Auto, durch welches schlechte House-Musik gepresst wird und schauen uns nicht an. Geht auch nicht. Du sitzt vorn und ich direkt hinter Dir, neben einem fast glatzköpfigen, schneeschaufelnden "Atzen." Was auch immer Atze bedeutet mag. Heutzutage sagt ja jeder von sich, das er ein Atze sei. Selbst die kleinsten Spasten aus der fünften Klasse bezeichnen sich als Atzen und wollen mit ihren kleinen, stinkenden Essiggürkchen ihre Klassenkameradinnen ficken, deren Titten höchstens so groß sind wie diese kleinen Schoko-Eier, die man immer zu Ostern bekommt.

Mein Blick schnippt zu Deinen Haaren und ich sehe, das die Teile total verfilzt sind. Hinter dieser Glasscheibe, die mich vom derzeitig 80 km/h schnellen Schleifpapier-Asphalt trennt, fliegen Bäume ohne Blätter, Häuser ohne Beleuchtung, Gärten ohne Blumen und Menschen ohne Seele vorbei.

Du sagst heute wäre irgendwo eine Party wo man hingehen könne. Ich sage "ich trink erstmal irgendwo 'n Bier." Dann kommt der Wagen zum stehen. Eine eisige, gasförmige Substanz, leider Luft genannt, umspült meinen alkoholisierten Schädel. Luft ist nicht gleich Luft, das sollte man anfänglich klar stellen. Luft ist rein. Das was man heute atmet ist stickiger, von Metastasen getränkter Chemieabfall, immer dazu bereit in unseren Lungen fette, eklige Eiterbeulen wachsen zu lassen, die dann platzen, bis man ertrinkt. Oder erstickt. Wenn der Eiter fester ist.

Ich lecke den Klebefalz an und ziehe meine Daumen gen Zeigefinger. Feuer. Irgendwo muss doch mein verficktes Feuerzeug sein. Es ist ein Phänomen, dass am ehesten, wenn man weg geht, Feuerzeuge verschwinden. Das ist immer so, noch vor dem Geldbeutel, der Freundin oder den Zigaretten. Kann es denn sein, dass es eine riesige Mafia gibt, die weltweit agiert und Feuerzeuge klaut, um diese dann aufzufüllen und neu zu verkaufen? Würden sich die ganzen Bearbeitungskosten lohnen?

Ich finde den Fernzünder für meinen Lungenkrebs in der Brusttasche meines Flanell-Hemdes, krame es mit meinen verdreckten, zerkauten Fingern heraus und entzünde meinen persönlichen Castor-Transport. Der erste Zug schmeckt furchtbar nach Papier, wie jedes mal. Manchmal frage ich mich ob es nicht ein paar bolivische Kinder gibt, die mir Kuhscheiße in den PallMall-Tabak mischen, nur damit es zum Kotzen schmeckt. Ein kleiner, süßer Racheakt von genau den Leuten, die unseren Tabak pflücken und zerkleinern und deren Mütter mit einer geladenen Knarre am Kopf am Fuße des Volvic-Vulkans sitzen und mit den Flaschen das Wasser aus dem Fluss schöpfen. Hat sich da nie jemand Gedanken drüber gemacht? Es ist ein Naturschutzgebiet, irgendwie muss das Wasser ja in die scheiß Flasche kommen. 

Die Typen aus dem Auto wünschen eine gute Nacht und viel Spaß. Oder sowas. Sie fahren los, Du fährst durch Deine Haare und ich merke, dass ich Dich liebe. Was schlecht ist, denn im gleichen Moment öffnet meine Freundin die Haustür und bittet uns freundlichst rein. Ob Du es nun glaubst oder nicht, seit ich mir im Auto deine Haare ansah, sind erst 10 Minuten vergangen. Wir sitzen in ihrem Zimmer, sie ist angepisst. Warum auch immer. Du willst das nicht. Ich auch nicht. Hey, ist ja meine Freundin. Ich belagere sie mit solchen Romantik-Schwulitäten und sie teilt mir mit, dass sie eigentlich keinen Bock hat heute weg zu gehn. Schade. Würde ihr gut tun. Draußen sieht der lichtverschmutzte Himmel so aus, als hätte man eine A-Bombe auf das Stadtzentrum geschmissen. Wir beschließen sie in Ruhe zu lassen und verlassen dieses Haus.

"Wie oft sagte ich zu dir, dass ich Dich liebe? Stellte ich es umgehend danach in Frage? Sind die mit Öl verdickten Molotov-Cocktails, die an meiner Herzwand kleben nur temporäre Flammen bis die Kammern ihnen den Sauerstoff zum brennen stehlen? Nur Schmetterlinge mit entstaubten Flügeln, des Fliegens unfähig, bis sie meine Magensäure zersetzt? Unnütze Hautmenstruation nur wegen kurzzeitigen Geilseins? Wenn dem so ist, dann habe ich dich betrogen ohne es zu wissen. Sag etwas und nimm endlich das Bügeleisen vom Unterarm, es riecht nach angebranntem Gulasch."

Auf dem Weg zur Party treffen wir eine Tankstelle. Sie steht in ihrer einbetonierten Schönheit am Straßenrand und wirft uns einladende Blicke zu. Wir dringen in sie ein, kaufen ein paar Bier für den Weg und Du wirfst der Kassiererin einen abwertenden Blick zu, während ich "Exxasens - your dreams are my dreams" in mein Ohr fließen lasse.

Meine Pisse wird umgehend vom Schneesturm bedeckt und ich merke gar nicht, dass mehrere Autofahrer dich ansehen, wie du da stehst, das Bier in der Hand, die Haare im Gesicht, die Gedanken an den Begrenzungsstreifen klebend. Der Weg zu der Party verläuft kurvig und ich werde bis morgen sowieso schon wieder vergessen haben, wo diese Dame eigentlich wohnt.