Montag, 31. Mai 2010

Dehydration Deluxe

Es ist klar, dass Menschen, so wie du und ich welche sind, sich nicht wirklich bewusst sein können, wie es ist, einem extremen Mangel ausgesetzt zu sein. Du denkst vielleicht "bah, ich habe gerade einen scheiß Hunger." oder "ich hab seit Ewigkeiten keinen Sex mehr gehabt." Aber das meine ich nicht. Was ist mit verhungern, ersticken, verdursten oder keinen Schlaf mehr bekommen? Diese Situationen sind sicherlich total abgefuckt, man wünscht sie keinem und vor allem nicht sich. Es ist nun schon der dritte Tag, ohne das ich etwas getrunken habe. Kein Wasser, kein Alkohol, keine Limo, nichts. Ich habe irgendwo mal gelesen, dass man durch solche Grenzerfahrungen an neue Gedankengänge kommt und dass man neue Bewusstseinsebenen erreicht. Das brauche ich gerade. Doch ich weiß nicht, ob ich da wirklich die richtige Route eingeschlagen habe. Bei jeder Bewegung wird mir schwindlig, ich versuche mit meinem Speichel so viel, wie nur möglich meines Mundraums zu befeuchten nur langsam wird es nur noch schleimige Absonderung, die mir noch viel verhasster ist, als ein trockener Mund. Meine Arme sehen für mich aus, wie Äste, die mit zerknitterten Krepppapier überzogen sind. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Ich glaube nicht daran, dass es Menschen gibt, die ohne das alles überleben können. Die erzählen doch Scheiße!

Ich lasse mich von dem Stuhl fallen und irgendwie fühlt es sich an, als würde alles in meinem Körper brechen und kaputt gehen. Ich ziehe meinen vertrockneten Kadaver zu der Küchenzeile neben meinem Schlafzimmer und kralle mich am Rand des Waschbeckens fest. Ich schaffe es bestimmt, mich gleich hochzuziehen. Ich muss dann nur den Wasserhahn aufdrehen und der ganze Fick ist zu Ende. Als ich mit meinem Kopf über der Schüssel des Waschbeckens hänge und das Wasser endlich fließt, halte ich doch noch einen Moment inne. Erst denke ich mir: "Körper! Willst du mich verarschen?" Doch dann durchfährt es mich, als würde ich gegen einen Kuhzaun pissen:

"Was ist denn, wenn das ganze Leben selbst einen Charakter hat, und dich nicht so wirklich leiden kann? Dich auslacht, weil du manchmal aussiehst, wie der letzte Husten? Was ist, wenn die einzige Bewusstseinserweiterung nur darin besteht dich selbst zu hassen und all dein Sein, all dein Tun, all deine Gedanken zu verwerfen, denn im Grunde genommen ist jegliche Aktion und Reaktion sinnlos? Trinkst du, lebst du. Trinkst du nicht, lebst du vielleicht noch ein wenig. All das, was du hier mitbekommst, Floppy, ist das Tun und Rattern der Erde, welches genau so gut ohne dich stattfinden kann. Du bist lediglich ein Staubkorn im Zahnrad der Welt. Also scheiß drauf. Wozu die Abhängigkeit und die Sucht nach dem Leben?"

Der erste Schluck ist göttlich.
Der zweite Schluck brennt.
Beim dritten Schluck kotze ich mich voll.

War bestimmt die richtige Einstellung.
Feiges Arschloch.

Finis Terrae

Die Schneeflocken hier fielen langsam, schienen fast schon der Gravitation zu trotzen. Irgendwo schien die Sonne. Wir sahen sie an den Bäumen und Häuserwänden hochkriechen. Doch wir saßen im Schatten. Keine Sonne irgendwo zu sehen. Da waren wir. Am Ende der Welt. Ab und an kam ein Bus. Menschen stiegen ein, stiegen aus, verweilten hier nicht länger, als eine Zigarettenpause. Chris und ich saßen schon geschlagene zwei Stunden hier. Wir ließen unsere Füße über den Rand der Erde baumeln und spuckten hinunter in das Universum. Es war ein eigenartiges Gefühl hier zu sein. Nirgendwo auf diesem Planeten schien man weiter blicken zu können, als hier. Kein Vergleich zu Bergen oder Hochäusern. Ich drehte uns zwei saubere Zigaretten und Chris machte Musik an. Es fühlte sich an, als würden wir in einer riesengroßen Fruchtblase schwimmen, als die Stimme der Sängerin einsetzte und für einen Moment dachte ich, dass diese Zigarette hier die einzige Nabelschnur ist, welche mich verbindet mit der Welt, den Menschen, unseren toten, lebenden und noch nicht geborenen Göttern und der letzten Frau, deren Brüste ich vor Äonen liebkost hatte. Wir saßen so noch einige Stunden. Dann fraß uns die Sonne und ließ nur unsere Schatten und zwei glühende Zigarettenstummel zurück.

Sonntag, 30. Mai 2010

Sleep.Mode XII - Enteisung

„Kaffee?“
Sie zuckt zusammen, als die Worte meine Stimmbänder verlassen und für einen Moment denke ich, dass sie mich erschießen will. Sie antwortet nicht, sondern schaut mich immer noch wortlos mit ihren stahlblauen Augen an. Ich sichere die Waffe und nehme sie runter. So verweilen wir etwa zwei Minuten, ihre Pistole noch immer auf meine Stirn gerichtet. Sie schweigt weiter.
„Hör zu“, sage ich: „ich will dir nichts tun, ich bin nur sehr verblüfft einen normalen Menschen hier vorzufinden.“
Langsam sinkt ihre Waffe nach unten und Tränen bilden sich in ihren Augen. Ich drehe mich kurz um und nehme mir den Kaffee. Schwarz, ohne Zucker, und gebe ihn ihr. Sie nimmt ihn, immer noch wortlos und schaut ihn zitternd an. Irgendwie tut mir die Kleine leid. Endlich kann ich sie im ganzen anschauen. Sie ist schätzungsweise siebzehn Jahre alt, hat einen schwarzen Ring auf der linken Seite ihrer Unterlippe. Ihr Mund ist schmal, sieht dennoch weich aus. Ihr Körper ist, trotzdem sie klein ist, recht dünn und sieht sehr zerbrechlich aus. Sie trägt ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift Mera Luna 2006, einen schwarz-weiß karierten Rock, darunter eine Netzstrumpfhose mit scheinbar mutwillig zugefügten Löchern und ein Paar schwarze, etwa 14-Loch Springerstiefel.
„Wann hast du das letzte mal etwas gegessen? Soll ich dir etwas von mir geben? Vielleicht bist du ja nicht so der Schinken-Typ, aber ansonsten kann ich dir gerade nichts anderes anbieten.“
Jetzt fängt sie wirklich an zu weinen und drückt sich an mich dran, umarmt mich und ich merke, wie sie ein wenig zuckt, wenn sie einatmet. Wenn Menschen weinen, dann zucken sie immer beim Atmen. Ich vergesse immer wieder, wie das bezeichnende Wort dafür ist. Ich streiche durch ihr Haar und drücke sie noch fester an mich. Ich bin wahrscheinlich genau so froh wie sie, einen Menschen zu sehen, der noch nicht dem Wahnsinn verfallen ist. Es tut so gut, eine Umarmung zu spüren. Ich bekomme selbst weiche Knie und muss aufpassen, dass ich nicht auch anfange zu flennen. Ich muss der starke Part sein, sie klammert sich an mich. Ich sollte eigentlich so etwas wie Vatergefühle oder entwickeln, denke ich mir. Doch irgendwie bleibt es aus.

Als sie sich wieder von mir loseist und mit ihrem the Cure-Schweißband ihre Tränen vom Gesicht wischt, merke ich, dass sie mir den ganzen Kaffee auf den Rücken gekippt hat. Ich drehe mich um und mache zwei weitere Becher. „Wie heißt du?“, frage ich.
„Sind unsere Namen nicht mittlerweile unbedeutend?“
Ihre Stimme ist sanft und dennoch fraulich.
„Ja, aber mit irgendwas muss ich dich doch ansprechen können.“
Sie geht auf mich zu, umarmt mich von hinten, schließt ihre Arme um meinen Bauch und legt den Kopf auf meinen Rücken.
„Ich bin froh, dass ich dich gefunden habe. Meine Freunde haben mich immer Josie genannt.“
Ich zünde mir noch eine Zigarette an und reiche sie ihr. Dann noch eine für mich.
„Ich bin auch froh, dass ich dich gefunden habe, Josie.“

Freitag, 28. Mai 2010

Allein (Perspektive II)

Jede Nacht sieht sie gen Himmel.

Warum?

Jeden Tag zählt sie Sekunden.

Warum?

Mit jedem weißen Sternenschweif
erhebt ein Wunsch sich in die Nacht.

Warum?

Mit jedem Vogelflügelschlag
entfacht die Glut in ihrer Brust.

Warum?

Er ging von ihr vor vielen Jahren,
ließ sie zurück und auch sein Wort
"Ich komme wieder, Liebste, küsse dich
an diesem wundervollen Ort."

Warum?

Sie wartet noch auf ihren Liebsten
jeden einsam dunklen Tag
und trägt sein Wort in tiefstem Herzen,
auch wenn der Tag nie kommen mag.

Warum?

Allein (Perspektive I)

Auf der Fensterbank reihen sich braune Glasflaschen aneinander, etwa 40 Stück, die halbdurchsichtigen, nach Bier stinkenden Reste der letzten sieben oder acht Tage, die ich alleine in diesem Zimmer verbracht habe. Auf dem Boden einige Pizzakartons, Druchmesser jeweils 40 Zentimeter. Ich habe Magenschmerzen, mein Kopf fühlt sich an wie ein prall aufgeblasener Ballon, kurz vorm Platzen, der Rest meines Körpers scheint sich in eine Art Fleischbrei verwandelt zu haben, zusammengehalten von einigen Knochen und Sehnen, sowie von dem Rest meines Überlebenstriebes, einem kleinen Funken, vielmehr einem Splitter in meinem Kopf, der das spärliche Licht der dunkelgelb durchs Fenster hereinleuchtenden Straßenlaterne bündelt und einen winzigen, schmerzhaft brennenden Spalt in das Dunkel in mir hineinschneidet. Im Halbdunkel des kleinen Zimmers blickt mich ein rotglühendes Auge aus der Richtung der Tischkante an, ich strecke den von tiefen, teilweise noch leicht blutenden Schnittwunden bedeckten Arm aus, breche den Fluch und atme den ungefilterten, beißenden, blaugrauen Rauch ein, sauge ihn in mich auf, wie den Schmerz, wegen dem ich hier so jämmerlich vor mich hinvegetiere und kahle, von Fernsehschnneegestöber und hässlichgelben Laternen in organisch wirkende, dunkel schimmernde Lichtflächen verwandelte Tapeten und das sich im Zustand des ganzen Raumes widerspiegelnde Flackern meines Verstandes gebannt beobachte.

Sleep.Mode XI - monoton schwarz

Ich weiß, dass es eine schlechte Idee ist. Wahrscheinlich ist es mein Tod. Vielleicht locke ich damit Horden von den Wahnsinnigen zu mir. Doch man sollte ernsthaft einmal versuchen, komplette zwei Wochen ohne Kaffee zu überleben. Das ist die Hölle. Die Waffe ruht immer noch entsichert in meiner Hand, mit der anderen halte ich eine Lucky Strike Red zwischen meinen Fingern. Die Maschine schreit mir den Produktionsvorgang meines Kaffees entgegen. Für gewöhnlich würde man diese Geräusche kaum mitbekommen zwischen dem Lärm der Schüler. Zwischen den Röchelgeräuschen des Automaten ertönt ein fast unscheinbares „Klick“. Ich strecke meine Waffe gerade nach vorn aus, drehe mich herum und die Mündung meiner Walther ist auf einen schwarzen Haaransatz gerichtet. Ich ziehe meinen Arm weiter herunter und die Waffe zielt zwischen ein huskyblaues Augenpaar. Die Wimpern sind mit schwarzem Make-Up verlängert und zwischen ihnen befinden sich wenige, kleine Klumpen vom Mascara. Ich halte die Luft an. Mein Gegenüber schaut mir in die Augen, scheint nicht zu zwinkern und atmet ruhig, als würde er schlafen. Aus meinen Augenwinkeln sehe ich, wie die Person langsam ihre Waffe in Richtung meines Brustkorbs setzt. Ich versuche weiterhin Augenkontakt zu halten, obwohl ich liebend gern wissen würde, wie dieser Mensch im Großen und Ganzen aussieht. Die Haut ist blass und rein. Komplett frei von Mitessern oder Unreinheiten. In den Augen befinden sich kleine, rote Fädchen, wahrscheinlich aufgrund von Schlafmangel. Der Eyeliner ist leicht verwischt unter dem Auge, doch der Kajal, ich schätze Flüssigkajal, wegen der akribisch genauen Abzeichnung, ist wie frisch aufgesetzt. Die Haare sind monoton schwarz. Gefärbt, soweit ich das sehe, denn ich kann keine hellere oder dunklere Strähne finden. Ein paar selbstgefilzte Dreadlocks sind unter den dichten Haaren zu erkennen. Nicht viele. Vielleicht zehn. Die Ohren sind gepierct. Am rechten Ohr befindet sich ein schwarzer Segment-Ring, der an jedem Ende mit einer schwarzen Stachel verziert ist. Immer noch stehen wir voreinander, niemand will die Waffe herunter nehmen, da der andere ansonsten abziehen könnte, bevor man auch nur ein Wort sagen kann. Ihre Pistole liegt mittlerweile direkt auf meiner Brust, ich spüre, wie sie leicht zittert. Sie hat Angst. Für gewöhnlich hätte ich ihr schon vor fünf Minuten den Kopf weggeblasen, doch sie scheint noch am Leben zu sein. Oder sie ist wirklich eine lernfähige Wahnsinnige. Ich spüre, wie mein Adrenalinspiegel steigt und meinen Kopf zu überschwemmen droht. Meine Hände werden schwitzig, dennoch verstärke ich den Griff an meiner P7. Ich fange an schneller zu atmen, bekomme keine Luft mehr. Sie sieht es scheinbar als ein Anzeichen für Aggression, denkt, ich wäre auch wahnsinnig und geht mit ihrer Waffe ebenfalls an meinen Kopf. Meine Augen brennen, weil mir der Schweiß von meiner Stirn in Strömen läuft und ich fange an, wie blöd zu blinzeln. Dennoch behalte ich meinen ausdruckslosen Blick, so wie sie. Der Kaffee ist bereits durchgelaufen und meine Zigarette bis auf den angesengten Filter heruntergebrannt. Ich atme tief ein und lecke mit meiner Zunge meinen Gaumen an. Gott, hab ich eine Mundwüste. Ein weiteres mal tief einatmen. Meine Nervosität sinkt. Ich öffne meinen Mund und setze zur alles entscheidenden Frage an.

Mittwoch, 26. Mai 2010

Sleep.Mode X - Der Fänger im Dach

Scheiße. Mein Nährstoffmangel macht sich sichtlich bemerkbar. Einen anderen Grund kann ich nicht dafür finden, dass sich eine fette Herpes-Blase in der Mitte meiner Unterlippe bildet. Außerdem verkrampfen sich meine Beine bei jeder Bewegung. Draußen ist es mittlerweile hell geworden. Ich habe maximal vier Stunden geschlafen. Der Fänger im Roggen liegt fertig gelesen am Fußende meines Schlafsacks. J.D. Salinger hat meiner Meinung nach seinen Protagonisten viel zu einfach dargestellt. Wenn ich dieser Typ gewesen wäre, hätte ich nicht so inflationär die Worte „das deprimiert mich“ in das Buch geschrieben. Das Brummen und Wimmern unter mir hat seit dem Sonnenaufgang abgenommen.
Hoffentlich sind diese Scheißviecher nicht unten in irgend einem Schatten und warten darauf mich anzugreifen. Nachdem ich meine ganzen Sachen wieder im Rucksack verstaut habe, ziehe ich die Luke des Dachbodens auf und lasse vorsichtig die Leiter herunter. Mit jedem Schritt nach unten wird mir mehr und mehr bewusst, dass ich nicht allein in diesem Gebäude bin. Die Leiter lasse ich an der offenen Dachluke stehen. Ich werde sowieso nicht zurück kommen. Ich glaube, man sollte bei solchen Szenarien so viel, wie möglich reisen. Vielleicht findet man noch andere Normale. Der Gang ist still, meine Schritte hallen vom Linoleum-Boden und den Wänden wider, als würde eine ganze Armee durch die Schule marschieren. An den Wänden hängen Schülerarbeiten. Bilder unter dem Thema „Mein Urlaub“ von der ersten Klasse schmücken die Pissgelbe Raufasertapete. Mittendrin ist ein Bild von einem Kind, welches mit seinen magersüchtigen Eltern mit Wasserkopf und drei fingern im Wald zu sein scheint. Junger Wald, denn die Bäume sind kleiner, als das Kind selbst. Genau so groß stehen deformierte, grüne Kegel zwischen Baum und Anorexia-Familie. Inmitten dessen eine große Sprechblase mit den Worten „ich habe fiele Pilse!“ Kaum zu glauben, dass man so etwas in den Flur der Schule zulässt. Im Biologieraum neben mir höre ich etwas vom Tisch fallen. Die Tür ist nicht zugeschlossen und angelehnt. Ich ziehe die P7 aus meiner Tasche, entsichere sie und gleite, so leise wie möglich durch den Türspalt. Überall liegt noch Schulmaterial, manches mit eingetrocknetem Blut beklebt. Auf dem Boden zerschmissene Gläser. Müssen wohl einst Exponate drin gewesen sein. Der Raum selbst ist leer. Ein Wahnsinniger würde bei dem Tageslicht ohnehin mehr Geräusche machen, immerhin sieht er ja nichts. Genau so, wie ich. Keine Bewegung im Zimmer. Ich verlasse es und mache mich auf den Weg in das Lehrerzimmer.

Ach du Scheiße

Ich renne durch einen langen Gang und hinter mir ist eine Horde verrückter Gynäkologen her. Das weiß ich aber auch nur, weil sie die ganze Zeit mit diesen schrägen Frauenarztsesseln nach mir schmeißen. Anstatt zu schreien, geben sie in monotonen Piepen die fünfte Symphonie Ludwig van Beethovens von sich.

Vielleicht kennen Sie diese Situation, wenn sie durch das Klingeln eines Telefones geweckt werden und Ihre Träume dieses Geräusch mit verarbeiten. Egal.
Jedenfalls kommt mir dieser Raum verflucht unbekannt vor. Ich höre eine, etwa fünfundzwanzigjährige Frau telefonieren, außerhalb des Raumes. Dann wird aufgelegt, was ich am Klicken der Hauptstation des Telefons hören kann. Auch dieses gefühl kennen Sie vielleicht: "Gottverdammt, wo bin ich?" Ein Mädchen, was viel jünger ist, als ihre Stimme erscheint, kommt in schlabbrigen Schlafshorts und einem "Toten Hosen"-T-Shirt in das Zimmer und springt auf das Bett. Sie setzt sich breitbeinig auf meinen Schoß, der sicher durch meine Morgenlatte recht unbequem ist.
"Naa, gut geschlafen?"
"Ja, danke."

Sie beugt sich über mich, ihre dunkle, lockigen Haare fließen um meinen Kopf, als sie mir mit ihren, vom Alkohol der gestrigen Nacht ausgetrockneten Lippen einen Kuss gibt. Ihr Brüste berühren durch das Shirt durch sanft meinen Brustkorb und legen sich minimalistisch auf meinen Körper. Keine Ahnung, ob ich mit ihr schlief, wenn ich es tat, dann möchte ich es verdammt nochmal ein zweites Mal tun.
"Wo ist deine Toilette?"
"Zimmer raus, erste rechts."

Wenn man versucht bei seinem Morgenschiss so leise, wie möglich zu sein, ist ein Tiefspülbecken nicht förderlich. Was tut man also in dieser Situation? Man nimmt drei bis fünf Lagen Toilettenpapier und schmeißt sie in das Klo, damit der aufprallende Kot vom Geräusch her gedämpft wird. Wahrscheinlich bürstet sie sich gerade die Haare, als ich hier sitze und einen auf Schalldämpferschiss zelebriere.

Das Frühstück fällt aus. Eine Kippe und ein Kuss auf ihre trockenen Lippen komplettieren den Abschied und ich schieße mit offenen Chucks aus der Haustür. Wenn ich irgendwo einen Bahnhof finden sollte, fahre ich schnellstmöglich nach Hause.

Dienstag, 25. Mai 2010

Sleep.Mode IX - eingeschweißte Totgeburten

Als ich das letzte mal auf meine Taschenuhr schaute, war es 03:06 Uhr. Seitdem habe ich nicht geschlafen. Ich sitze hier oben, wieder auf einem Dachboden und höre unter mir Geräusche, die ich nicht zuordnen kann. Wahnsinnige oder Menschen. Tiere oder schlichte Bewegungen. Nur dumpfes, immer wieder währendes Brummen in Kombination mit einem Wimmern, wie es diese Tankstellenhure tat. Ich habe Angst nachzusehen, denn ich weiß, wenn ich falsch liege, kann ich bis zu hundert dieser Bastarde am Arsch haben. Riechen sie mich? Können sie sich etwa in meine Situation hineinversetzen, lernen sie dazu? Allein die Tatsache, dass diese Wesen lernfähig sind und mich irgendwann mit einem Auto jagen könnten oder so etwas, lässt mir nicht nur einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Der Gedanke ist so abgefuckt krank, dass ich vor Angst einen extremen Harndrang verspüre. Ich sage mir, dass es jetzt sowieso egal ist und Pisse in einen Kanister, der mit irgendeiner Flüssigkeit gefüllt ist. Mir egal, ob es jetzt 1:50-Benzin für den Rasenmäher oder Brom für den Chemieunterricht ist. Auf dem Dachboden lassen sich nur sinnlose Sachen finden. Ausgestopfte Tiere, Embryos von Küken, Landkarten und Stahlfeilen. Was für eine scheiß Location, um zu Grunde zu gehen. Das Gemurmel unter mir wird einfach nicht leiser, doch ich rede mir ein, dass die Verrückten sowieso nicht hier hoch kommen werden. Ich lege mich wieder zurück in meinen Schlafsack, verstaue meine Waffe unter meinem Kopf und drehe mich wieder auf die Seite. Wenn man die ganze Zeit paranoid an diese Viecher denkt, wird man zwar nicht genau so wahnsinnig, aber immerhin irre. Als es anfing, wurde meine Begleiterin auch immer paranoider, bis sie sich irgendwann in dieser Berliner Kneipe anbrannte und raus in den Mob rannte. Dabei schrie sie genau so, wie die Bastarde, die sie zu fassen bekamen. Als es anfing... Viel zu viele Kleinigkeiten bleiben mir in meinem Kopf kleben bei dem Gedanken an die Anfänge der Seuche. Die allgemeine Geschichte ist eine weitaus komplexere, als man in erster Linie vermuten mag.

Ich schüttele die Gedanken aus meinem Kopf, ich schmeiße ihn förmlich von links nach rechts, als würde ich durch die Fliehkraft versuchen Wasser aus meinen Ohren herauszubekommen. Ein weiterer Blick auf die Uhr: 4:13. Ich setze meine Wollmütze auf, in der Hoffnung, dass sie die Geräusche von unten abdämmt und versuche weiterzuschlafen. Ich denke an die Frauen, mit denen ich schlief, an die Frauen, mit denen ich hätte schlafen wollen, an meine alten Freunde, meine Familie, sogar an meine verfluchten Goldfische. All das, was mir in den letzten Jahren immer half, mich aufzubauen, versuche ich in meinem Kopf anzustauen um es dann schlagartig loszulassen, Dämme brechen lassen, die mir scheinbar den Rest meiner Menschlichkeit nehmen. Klar empfinde ich noch Emotionen. Aber ich töte Menschen. Genau so, wie es die Wahnsinnigen tun. Das haben wir gemeinsam. Aber ich bin froh, dass es scheinbar das einzige ist, denn mehr Parallelen fallen mir auch nicht ein. Als ich an meinen alten Job bei der Deutschen Bank denke, ist es dann letzten Endes wirklich zu viel aus der Vergangenheit. Ich richte mich total unterpennt auf und schlage Seite 49 auf.

„Ackley?“, sagte ich. „Bist du wach?“
„Ja.“

Montag, 24. Mai 2010

Warum nur?

"Liebst du mich?"
Ich schaute sie an. Tränen in den Augen. Sie brennen wie Shampoo.
"Ja, schon."
Ich glaubte es ihr nicht.
"Wirklich?"
"Ja."
Sie drückte mich. Doch warum glaubte ich ihr nicht?
Auf der Bühne spielte Exxasens. Mira Mama.
Ich mußte immer noch Weinen. Ich kann es nicht leiden, wenn ich das muß. Ich nahm sie in den Arm, obwohl ich ihr nicht glaubte, aber ich liebte sie und das war für mich entscheidend. Aber warum glaubte ich ihr nicht? Warum?
Sie sah mich mit ihren großen Augen an. Ich sah das glitzern ihrer Tränen. Weinte sie wegen mir?
Ich weiß es nicht.
Ich drückte sie fest an mich, sog ihren Duft ein. Es könnte das letzte mal sein, daß ich es roch.Warum? Ich wußte es immer noch nicht und sollte es auch später nicht erfahren. Aber ich liebte sie.
Fuck, was ist nur los? schoß es mir durch den Kopf. Ich drückte sie fester an mich, weinte weiter und bekam mich nicht mehr zusammen, atmete schwer. Es war wie auf dem Weg, den ich heute früh ging. Bahnhof Gmünd. Dann gerade aus. Rechts abbiegen. Anschließend links. Dann wieder rechts. Goethestraße entlang. Immer Trauer. Sie hat mich empfangen. Alles war toll. Wunderbar. Und nun? Ich mußte weinen und haßte meine Tränen, haßte meine Emotion.
Sie sah mich wieder an. Ich blickte durch den Tränenschleier zurück. Fuck, warum liebte ich sie? Es tat einfach nur noch weh. Im Kopf. Im Bauch. In den Knochen. Überall.
Drück mich noch einmal, dachte ich. Einmal nur noch.
Was ist nur los?

Danke ...

Hast du es?
Ja?
Fuck!
Nein!
Strahlend begräbt sich die Boshaftigkeit der Nichtssagung.
Ich liebe es.
Nein, eigentlich nicht.
Fragst du mich etwas?
Ja?
Frag nie wieder.
Ich hasse es.
Frag nicht mehr. Ich hab Kopfschmerzen von deinen Fragen. Frag einfach nicht mehr.
Du schaust mich an.
Was siehst du?
MICH!
Und sonst?
Ach dir geht es gut?
Mir nicht.
Frag weiter, du hörst ja nicht auf mich.
Fick dich!

Damn!

"Ich kann solche billigen Huren echt nicht leiden!"
Ich stimmte Liz zu. Diese Schlampe hatte uns den gesamten Abend verdorben. Wir wollten leben und das Leben genieße und dann kam uns doch tatsächlich diese Fotze unter die Augen. Sie hat nur Scheiße gelabert. Liz meinte nur "Laß uns!" und sie war abgedampft.
Trotz allem war unser Abend nun für'n Sack und wir grämten uns des derweil ungenießbaren Bieres. Ich schaute Liz an und sie mich.
"Wolf," begann sie. "Ich will woanders hin."
Ich nickte ließ das goldene Etwas, das man in diesem Lokal wohl Bier nannte meine Kehle hinab fließen, bevor wir uns in den kleinen roten Corsa setzten.
Kuppeln, anfahren, auf!
Im CD-Player lag Internal Suffering und Liz war glücklich damit. Sie trank ihr Wicküler und gab mir die Flasche. Mir war es grad egal ob ich beim Fahren soff. Hauptsache woanders hin.
"Frankfurt?" fragte ich.
"Auf jeden Fall!" kam die Antwort.
"Wohin?"
"Nachtleben zum Kaffee, Speak Easy für's Bier."
"Klingt gut!"
Also fuhren wir Richtung Frankfurt. Ich hielt meine Augen auf der Straße und merkte nur beiläufig, daß Liz mich die ganze Zeit beobachtete.
"Ich hab dich echt lieb!" sagte sie mit einem mal.
Ich schaute kurz zu ihr, drückte mit meiner Rechten ihre Schulter. "Ich dich auch."

Frankfurt. Ankunft.
Die Konstabler Wache war überfüllt mit Gesocks. Ich hasste es, aber ließ mir nichts anmerken. Alle zwei Sekunden sprachen uns irgendwelche Kanacken an, ob wir nicht etwas kaufen wöllten. Ich hasse Drogen, und ich wollte nichts kaufen.
Endlich waren wir im Nachtleben.
"Zwei Kaffee."
Das sollte reichen.
Ich sah Liz an. Sie schien sichtlich entspannter und ich freute mich darüber.
"Sag mal," sagte sie. "Warum werden wir hier eigentlich ständig von diesen Wichsern angelabert?"
"Liegt vielleicht an meinen Haaren." sagte ich und lachte.
Vielleicht war es wirklich so, - ich wußte es nicht.
"Wolf?"
"Ja?"
"Warum mag ich dich so?"
Ich war perplex. Was sollte das jetzt?
"Ich weiß es nicht. Liegt es an meinem Aussehen?"
"Nein."
Ich schaute sie an und wurde stutziger.
"Ich glaub es liegt an deiner Direktheit."
"Danke."
Sie strahlte, beugte sich herüber und gab mir einen Kuß auf die Wange.
"Du bist der Wahnsinn!" flößte sie mir dann direkt ins Ohr.
Wir tranken unseren Kaffee aus und begaben uns per Pedes ins Speak Easy um nochmal gehörig ein paar Biere zu trinken.

Samstag, 22. Mai 2010

Schwarz V

"Ich geh jetzt in den Buchenwald, denn meine Pillen wirken bald."
Der letzte Satz des Stücks verhallte im Raum und das Publikum klatschte.
Er sah nach rechts, wo Elaine neben ihm saß, und erblickte mit Freuden, daß sie herzhaft lachte und klatschte. Genau dieses Lachen wollte er im Gesicht eines anderen erblicken. Es erfüllte ihn ebenso mit Freude.


Dunkelheit umhüllte ihn. Nichts als pure tiefschwarze Dunkelheit. Seine Augen waren geöffnet und die Schlaflosigkeit kam einher mit starker Übelkeit, hervorgerufen durch die Beschleunigungsphase. Wie sollte er das noch zwei weitere Wochen aushalten?
"Licht."
Die Beleuchtung schaltete sich ein, er stand auf und legte gemächlich seinen Overall an. Was nun? Ersteinmal etwas essen.
"Amber," begann er. "Kaffee und etwas eßbares."
"Ja Captain, Sie können in wenigen Minuten ihr Menü im Speiseraum einnehmen."
"Danke Amber."
Er setzte sich erneut, faßte sich an den Kopf. Verdammte Kopfschmerzen. Verdammte Übelkeit. Verdammte Beschleunigung. Dann stand er langsam auf, wankte etwas und begab sich in den Speiseraum.
Etwas Musik wäre nicht verkehrt und er wählte Battle Of Mice aus der Schiffsdatenbank, dann setzte er sich und löffelte dieses widerliche künstliche Zeug runter, das mit jedem Tag etwas abscheulicher zu schmecken schien, aber er aß es - wollte ja schließlich nicht verhungern, nur weil es nicht schmeckte. Kaffee. Wenigstens etwas war genießbar auf diesem interstellaren Dampfer.
Elaine, dachte er. Irgendwie vermiß ich dich, obwohl wir uns kaum kannten.
Anschließend begab er sich auf seinen Rundgang. Er schwebte durch die Lagerräume, alles okay, die Cryokammern, alles okay, Maschinendeck, alles okay, anschließend die Kommandokapsel; auch hier war alles okay. Er ließ sich auf seinen Platz nieder und begann mit der üblichen Arbeit. Kontrollieren, beobachten, aufpassen. Nachrichten an die Erde brauchte er nicht mehr zu senden, da seit dem Beginn der Beschleunigungsphase kein Kontakt zur Heimat mehr möglich war. Wie er sie vermißte. Nicht die Erde. Elaine war es. Und Sonny, aber Sonny war schon lange vorher fort.
Ob sie jetzt in Berlin in diesem kleinen französischen Restaurant saß, wo sie sich kennengelernt hatten?
Er blickte weg von den Bildschirmen, hin zu den Fenstern. Die Sterne formten kurze Striche die langsam, bedrückend langsam, vorbei zogen. Dann nahm er das Buch aus seiner Gesäßtasche und fing an es von vorn zu lesen - es mag schon das dritte mal sein, daß er diese Geschichte las.

Freitag, 21. Mai 2010

A.D.:X - Sickman (The Game)

"Sickman: 1, Stranger: 10", ist auf der riesigen Anzeigetafel vor mir zu lesen. Ich ziehe die Desert Eagle aus dem Hosenbund und lege sie auf den Tisch zu meiner Rechten. Die Frau in Militäruniform nimmt sie und hält sie hoch. Das Publikum auf den Rängen rings um mich macht einen höllischen Lärm. Die rote Zehn verwandelt sich in eine Sieben. Ich lege den Mantel ab, sie wird zu einer Acht. Was für Freaks, aber immerhin vom Kämpfen verstehen sie was; ohne Mantel steigt meine Beweglichkeit, also auch meine Überlebenschance. Ich nehme den Schultergurt mit dem Holster, in dem die P8 friedlich schlummert, ab und lege ihn samt der Waffe ebenfalls auf den Tisch. Eine 3. Mantel wieder an. Eine 2. Immer noch ist die Jury der Meinung, meine Chance sei doppelt so groß wie die des Wahnsinnigen in dem Käfig am anderen Ende des zehn auf zehn Meter großen Sandkastens. Nur doppelt so groß... Das Vieh da drüben hat überhaupt keine Chance, aber wenn diese Typen mich unterschätzen ist das nur gut für mich. Das Messer aus der Gürteltasche wandert ebenfalls auf den Tisch, gefolgt von dem Dolch im Stiefel. "Sickman: 3, Stranger: 1" Schon besser, aber noch lange nicht gut genug. Dieser "Stranger" würde sie noch alle ungläubig mit den Augen rollen lassen. Sie hatten mich den "Fremden" getauft und irgendwie hatten sie ja recht. Ich bin ein Fremder... Aber einer, der ihnen gleich zeigen würde, wie man heutzutage überlebt, ohne sich hinter vier Meter hohen Zäunen und schweren Waffen zu verstecken. Die Unterarmschienen aus Leder und Hartplastik landen auf dem Tisch. Ich überlege kurz, wo ich sie überhaupt herhabe, aber dazu fällt mir absolut nichts ein. Der Stand: "Sickman: 5, Stranger: 1". Gut erkannt, die Arme sind die erste Angriffszone dieser Tiere, sie haben gelernt, dass ein Mensch ohne funktionstüchtige Arme nur noch zu 30% in der Lage ist, sich zu verteidigen. Jedenfalls diejenigen von ihnen, die schon gegen einen Menschen gekämpft haben und immer noch leben. Der Bursche im Käfig hat schon drei Fremde einfach aufgefressen, sagten sie mir beiläufig, als sie mir die Spielregeln erklärten. 5:1 ist zwar eine Menge, aber immer noch nicht genug. Ich drehe mich nach rechts, sehe der Frau hinter dem Tisch in die Augen und höre mich die Worte sagen:"Ich will erst kämpfen, wenn die Sonne untergegangen ist. Und ohne Scheinwerfer, nur eine Magnesiumfackel." Sie sieht mich einen halben Moment ungläubig an, dann siegt ihre militärische Ausbildung, sie nimmt ihr Funkgerät und teilt der Jury meine Entscheidung mit. Unter der Auflistung meiner abgegebenen Ausrüstungsgegenstände erscheint auf der Tafel in roten Lettern der Schriftzug "Stranger will fight in the Dark!!!". Darüber der neue Chancenvergleich: "Sickman: 15, Stranger: 1". Jetzt kann der Kampf beginnen.

5...4...3... Das Publikum wird still, angespannt, aufgeregt, in freudiger Erwartung eines guten Kampfes. Die 1 erlischt und weicht dem knallroten Wort "FIGHT". Am rechten Rand des Sandkastens liegt eine brennende Magnesiumfackel, die einzige Beleuchtung dieses Platzes. Auf den Rängen ist vereinzelt das Sirren von Restlichtverstärkern zu hören, sonst nichts. Ein dunkler Schemen kommt auf mich zugewankt, zielstrebig. Irgendetwas an seiner Art sich zu bewegen ist seltsam, unmenschlich, grotesk, nur eine Kleinigkeit, aber zu deutlich um es zu übersehen. Ich bewege mich nicht, lasse das Vieh an mich herankommen. Die letzten zwei Meter überwindet es mit einem Hechtsprung, ich wirbele zur Seite, weiche erfolgreich aus, mein Gegner landet im Sand, aber ich kontere nicht. Noch nie habe ich einen von ihnen springen sehen. Ich mache drei Schritte von ihm weg, warte bis er wieder auf die Beine kommt. Er wirbelt herum, stürzt auf mich zu, greift nach meinem Arm, ich weiche aus, greife mir seinen Arm, ziehe daran, ramme ihm den freien Ellenbogen ins Gesicht, es knackt, dann ein Tritt vor die Brust und mein Gegner taumelt rückwärts. Gleich darauf findet er sein Gleichgewicht wieder, beginnt jetzt aber, mich mit kleinen Seitwärtsschritten zu umkreisen. Verdammt, dieses Tier hat mehr Kampferfahrung als mir lieb ist. Und dumm ist es offenbar auch nicht. Es wartet darauf, dass ich angreife. Aber wie wird es reagieren? Was kann es und was nicht? Logisch denken. Es kann besser sehen als ich. Es fühlt keinen Schmerz und keine Angst. Es versteht etwas vom Kämpfen und das ist neu und das ist auch das was mir gerade ernsthaft Sorgen macht. Wenn ich es angreife, wird es das soeben Gelernte gegen mich einsetzen und mich verletzen. Das ist es. Ich muss so angreifen, dass es nicht kontern kann. Jedenfalls hoffe ich dass es das nicht kann, denke ich und laufe los auf meinen Gegner zu. Der will nach meinem Arm greifen und zieht schon den rechten Ellenbogen hoch. Ich springe ab, in einem Salto über ihn, lande und trete auf gut Glück hinter mich. Ein Treffer, nur ein leichter, aber es muss reichen. Im Umdrehen sehe ich schon, wie dieses Biest in meine Richtung losrennt. Es springt ab, ich stütze mich mit einem Bein nach hinten ab, greife nach oben, bekomme seinen Hals zu fassen und reiße mit meinem ganzen Körpergewicht daran. Ein weiteres hässliches Knacken und ich spüre, wie noch in der Luft die immense Spannung des Körpers in sich zusammenfällt. Schwer landet mein Gegner hinter mir im Sand und ich zertrete seinen Schädel wie eine überreife Wassermelone...

Donnerstag, 20. Mai 2010

Sleep.Mode VIII - Zwischenstopp im luxuriösen Mint-Hotel

Entweder habe ich mir etwas am Schwanz geholt, oder ich habe Samenüberdruck oder so etwas. Es tut gut, endlich wieder eine normale Toilette benutzen zu können. Im Asia-Imbiss lagen nur die Leichenteile zweier Vietnamesen. Diese Verrückten sind wie Katzen. Kopf und Galle lassen sie übrig, den Rest fressen sie. Als ich mich versichert habe, dass die Bude leer ist, ging ich zum ersten mal nach Wochen wieder auf ein übliches WC. Während meines zweiwöchigen Dachbodenexils konnte ich einfach nichts anderes tun, als in Plastiktüten zu scheißen und sie danach aus dem Fenster zu schmeißen. Gepinkelt habe ich ebenfalls aus dem Fenster. Nur tagsüber. Wenn ich in der Nacht musste, musste ich die volle Tüte aufbewahren, sonst hätten sie meine Anwesenheit mitbekommen. Die Spülung funktioniert, ist aber verflucht laut. Zurück im immernoch laufenden Corsa packe ich die Bücher und Hefte zurück in den Rucksack und lege ihn neben meine Tasche. Zoe. Solltest du noch leben, werde ich dich finden. Die Adresse ist laut Stadtplan nur fünf Kilometer von meinem jetzigen Standort entfernt. Während ich mich weiter durch die stehenden Autos bewege, male ich mir aus, wie Zoe eigentlich aussieht. Sicherlich ist sie eine etwa 1,70 große, 18 Jährige Gymnasiastin, mit lockigen, blonden Haaren. Vielleicht steht sie auch so auf Metal wie ich und läuft stetig in schwarzen Klamotten herum. Ich werde nicht in ihren Tagebüchern lesen. Ich will nicht wissen, ob sie vergeben ist oder was sie eigentlich für Zukunftspläne hat. Ich denke, das würde mich nur noch weiter deprimieren. Zoe, bitte sei noch am Leben. Ich sehe eine alte Schule und stelle fest, dass es bald dunkel sein wird. Es wäre besser irgendwo noch eine Runde zu schlafen, bevor ich weiter fahre. Ich parke die Karre vor der Schule und gehe hinein. Die Feuerschutztüren sind abschließbar, wenn man nur den Schlüssel finden würde. Ich gehe quer durch das Gebäude und es ist so verlassen, als wären Ferien. Es ist gar nicht so lang her, da ging ich selbst noch in die Schule. Fachabi in Wirtschaft und Verwaltung. Mit 20 Jahren aus der Schule raus und ein Jahr Arbeit in einem dieser kalten, grauen Bürogebäude der Deutschen Bank. Der Dachboden einer Schule ist immer recht leicht zu finden und man kommt auch ganz gut hoch. Die Feuerschutzleiter lässt sich auf den Dachboden hinaufziehen und ich weiß, dass ich diese Nacht hier sicher bin. Statt in ihrem Tagebuch zu lesen, nehme ich mir Den Fänger im Roggen und betitele es von jetzt an als meine Bettlektüre.

„Falls Sie wirklich eine Geschichte hören wollen, so möchten Sie wahrscheinlich vor allem wissen, wo ich geboren wurde und wie ich meine verflixte Kindheit verbrachte und was meine Eltern taten, bevor sie mit mir beschäftigt waren und was es sonst noch an David-Copperfield-Zeug zu erzählen gäbe, aber ich habe keine Lust, das alles zu erzählen...“

Dienstag, 18. Mai 2010

Sleep.Mode VII - Hallo Zoe

15:00 Uhr. Ich bekomme Hunger. Mein Ohr hat aufgehört zu bluten und ich fühle mich wie Treibholz. Der Alkohol stumpft meinen Körper immer so ab. Ich halte vor einem Asia-Imbiss, lasse den Corsa laufen und verlasse das Auto. Ich weiß, dass ich in dem Imbiss nichts verwertbares mehr zu essen finde, aber ich brauche einfach für einen Moment festen Boden unter den Füßen. Ich laufe sinnlos um das Auto herum, betrachte es. Kein Kratzer, keine Blutflecken, es sieht aus, als hätte man es wie jeden Tag aus der Garage geholt und wäre damit zur Arbeit gefahren. Die Kinder auf dem Rücksitz, die Handtasche neben sich und im Kofferraum die Einkäufe. Der Kofferraum. Bisher habe ich nicht daran gedacht, nachzusehen, was da eigentlich drin ist. Ich öffne ihn und kann neben einem Ersatzrad und dem Sanitätskasten nur einen Rucksack vorfinden. Ich nehme den Rucksack mit nach vorn in das Auto und kann es mir nicht verkneifen, ihn zu durchsuchen. Es ist ein Rucksack von einem älteren Schüler. Mathe- und Biologiehefter stecken fein säuberlich darin. Ein Hausaufgabenheft, eine Art Tagebuch und J.D. Salingers Der Fänger im Roggen. In der vorderen Tasche ist eine Cola. Ich schraube sie auf und leere die Hälfte in einem Zug. Verdammt, ich habe ganz vergessen, wie geil die Brühe eigentlich schmeckt. Meine Freundin hat mich nie das Zeug trinken lassen. Immer sollte ich Orangensaft trinken. Bei dem Gedanken an sie empfinde ich stumpfe Überreste von Sehnsucht und Trauer. Doch irgendwie verliert sich der Gedanke rasch in Bedeutungslosigkeit. Es wäre mir im Moment egal, ob ich nun meine Freundin oder eine x-beliebige Prostituierte treffen würde. Hauptsache irgendwer, der normal ist. Das Hausaufgabenheft gehört einem Mädchen namens Zoe. Zoe würde nächste Woche auf Klassenfahrt nach Schliersee fahren. Mit ihren Freunden trinken, Spaß haben, vielleicht ihren ersten Beziehungspartner klarmachen, ihn küssen, mit ihm vor dem Mitternachtsprogramm von Pro7 kuscheln und einschlafen. Nun muss ich tatsächlich flennen, die Gewissheit, dass es nie mehr so wie früher wird, ruft ungemeine Traurigkeit in mir hervor. Wozu habe ich noch diesen Selbsterhaltungstrieb, wenn alles um mich herum wahnsinnig ist? Wieso lasse ich mich nicht von einem dieser Wichser schlachten? Scheinbar drehe ich ja nicht durch, Gott weiß, warum. Die Mündung der P7 streichelt wie von selbst meinen Rachenraum, Ich schaue durch die Frontscheibe auf die einzige Wolke am Himmel. Sie hat die Form einer Straßenlaterne. Ich kneife meine Augen zusammen, um meine Tränenflüssigkeit aus meinen Augen heraus zu quetschen und drücke auf den Abzug.

Nur um zu merken, dass sie nicht entsichert ist.
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Schwarz IV

Der regen klatschte hart gegen die Fenster des kleine Restaurants. In Strömen lief das Wasser daran herunter, als gäbe es außerhalb dieser Räumlichkeiten nicht viel mehr als Wasser und graue, triste, vernebelte Luft. Vereinzelt sah man durch den Schleier des Sturzwassers Leute an den Fenstern vorbeieilen, ihre Regenschirme aufgeschlagen und vor sich haltend.
Der Mann betrachtete eine junge Frau in einem kurzen roten Kleid, welche vor einem der Fenster saß, und die Traurigkeit in Person zu sein schien. Sie saß da und schaute verdrossen in ihr halb geleertes Glas Rotwein. Ihr dunkles Haar hing glatt und zu gleichen Teilen links und rechts von ihrem Kopf herab. Sie schien versetzt worden zu sein, dachte er und beschloß sich zu ihr zu gesellen.
"Hi." sagte er, als er vor ihr stand.
"Hi." kam die Antwort, gefolgt von einem unterdrückten schluchzen.
"Kann ich mich zu Ihnen setzen?"
"Ja natürlich, der Platz ist ja nun frei."
"Wie lange warten Sie schon auf ihn?" Er schaute abschätzend auf die Weinflasche, in der Mitte des Tisches und zog seine Abgegriffene Schachtel Gauloise Blondes heraus. "Auch eine?" Sie nickte und er reichte ihr eine ohne zu vergessen ihr mit einem Benzinfeuerzeug, das er schnell aus der anderen Tasche zog Feuer zu geben. Anschließend zündete er sich selbst eine an.
"Das ist ja schon eine Weile." sagte er weiter mit einem erneuten Blick auf den Wein, als sie forthin schwieg. "Lieben Sie ihn?"
"Nicht mehr. Ich wollte heute Schluß machen, aber das habe ich jetzt via Kurznachricht erledigt. Wie kamen Sie dazu sich hierher zusetzen?"
"Ich habe Sie gesehen und war sicher, daß Sie Gesellschaft nicht ablehnen würden."


Er blickte stumm auf die Anzeigen. Graphen, Schemata und einige der größeren Bilderzeuger zeigten den Raum zum Bug, Steuerbord, Backbord und Achtern. Nichts, was er nicht in den letzten Tagen schon gesehen hatte. Er klinkte sein Pad an der Konsole ein und begann Musik zu spielen. Mahlers erste Sinfonie hallte nun sanft durch das Schiff. Wunderschön, schmiegten sich die Töne in sein Trommelfell und er schloß die Augen.

"Natürlich!" sagte sie. "Ist das so eine dumme Anmache um mich heute flachzulegen?"
"Bis eben war es das." antworte er und schaute ihr tief in die rehbraunen Augen. Sie waren etwas naß und ihr Makeup war leicht verwischt. Er reichte ihr ein Taschentuch.
"Was halten Sie von ... " er verstummte, kramte in seiner Jacke und holte einen Stadtführer von Berlin hervor. "Ich hab nicht mehr viel Zeit auf diesem Planeten. Ein paar Wochen noch. Also was halten Sie davon, wenn wir uns heute ein Theaterstück zusammen ansehen? Da gibt es eines, das ich letzte Woche schon gesehen hatte. 'Der Futorologische Kongreß' nach einer Novelle von Lem. Ich fand es sehr amüsant und Sie sehen so aus, als könnten Sie etwas Spaß vertragen."
Sie nickte und begann zu lächeln. Er lächelte mit und rauchte lasziv, was sie anscheinend sogar anziehend fand denn sie stützte ihr Gesicht in ihre Hände und schaute ihn interessiert an.
"Mein Name ist Elaine. Wie heißen Sie unbekannter blonder Mann?"


Ein Pfeifton. Augen auf. Licht.
"Amber?"
"Ja, Captain?"
"Wie spät ist es? Ich muß eingeschlafen sein."
"AM-Null-Sechshundert."
Tatsächlich war er über Mahlers Musik, welche mittlerweile verstummt war, eingeschlafen und hat mehrere Stunden lang seine Arbeit vernachlässigt.
"Irgendwelche Vorkommnisse?"
"Nein. Anzumerken ist, daß wir in achtundvierzig Stunden in die Beschleunigungsphase eintreten."
Er zog eine Zigarette aus seiner Brusttasche und zündete sie an.
"Okay, Amber." sagte er und drehte seinen Posten um neunzig Grad. "Es wird Zeit die Checkliste durchzugehen. Bist du bereit."
"Ja."
"Auf geht's."

Schwarz III

Ein wirklich abscheulicher Pfeifton ist das. Aber er mußte ja irgendwie geweckt werden. Er öffnete die Augen und schaute an die karge Metallplatte, etwa dreißig Zentimeter über seinem Gesicht. Das kleine Buch lag auf seiner Brust - er muß wohl beim lesen eingeschlafen sein. Kurz überflog er die aufgeschlagenen Seiten, legte einen Zettel dazwischen und setzte sich an die Kante seiner Koje, er erlaubte sich einen kleinen Blick nach rechts, wo das Bild von ihm und seinem kleinen Bruder hin.
"Bye Bye, Sonny." murmelte er und stand auf. Auf dem kleinen Tischchen legte er das Buch ab und griff statt dessen zu der Schachtel Gauloise Blondes, die dort lag, und zündete sich eine an. Er inhalierte den ersten Zug tief und schlüpfte dann in den Overall.
"Amber?"
"Ja Captain." erklang eine wohltönende Frauenstimme aus einer Box in der nähe.
"Wie lange habe ich geschlafen?"
"Genau fünf Stunden, dreiundvierzig Minuten und ... "
"Das reicht, Amber. Mach mir eine Kaffee und etwas eßbares bitte."
Dieses Elektronenhirn war schon eine feine Sache und machte die Einsamkeit etwas erträglicher. Er ging in den Speiseraum und räumte als erstes das Geschirr der letzten Tage in den Abfallvernichter. Er schloß sein Infopad am Tischrand an und lud die neuesten Raumschiffnachrichten darauf, um sie beim Frühstück zu lesen. Sein Frühstück konnte er sich an einem Nahrungsverteiler schön serviert auf einem Tablett abholen.
Hier in den Mannschaftsbereichen gab es wenigstens künstliche Schwerkraft, was ihm das ganze etwas erleichterte.
Während er den Kaffee trank studierte er die Dokumente, die er so eben auf sein Pad geladen hatte. Nichts besonderes war passiert. Sie sind durch einen kleineren Meteoritenschauer in der nähe des Pluto geflogen und waren nun drauf und dran das System Sol zu verlassen. Auf zum Orion. Vorfreude fühlte sich tatsächlich anders an. Sie wußten ja nicht einmal, was sie dort erwartete.
Als er fertig gegessen hatte, fischte er eine weitere Zigarette aus der Abgegriffenen Schachtel. Bald würden sie beginnen auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, dachte er; das würde eine harte Zeit werden, bestehend aus Kopfschmerzen und anderem Übel.
Er lehnte sich zurück und genoß den Rauch, beobachtete wie er sich kräuselte und seine Farbe von grau nach blau und wieder hin zu grau änderte, während er durch den Lichtschein der Neonröhren waberte.
Er drückte den Stummel auf dem Tablett aus und ließ es stehen. er mußte jetzt in die Kommandokapsel und sich wieder der beschissenen Schwerelosigkeit hingeben um nichts weiter zu tun, als Bildschirme zu beobachten und Standardnachrichten an die Erde abzusetzen.

Sleep.Mode VI - ...ins Nirgendwo

Die Luft riecht nach ausgelaufenem Benzin und ich hoffe, dass in der Zapfsäule noch ein wenig Sprit drin ist. Sie enttäuscht mich nicht und ich kann den Tank randvoll machen. Ich ziehe meine P7 aus der Tasche und mache mich auf den Weg in das Gebäude. Drinnen liegt der Geruch von Exkrementen und vergammelten Würstchen in der Luft. Ich schnappe mir ein paar Beck's aus dem Kühlfach, nehme mir eine Straßenkarte für Deutschland aus dem Ständer und laufe zur Theke. Plötzlich bekommt mein Kopf einen weiteren Geruch förmlich eingedroschen. Kalte, festgetrocknete Kotze steigt mir in die Nase und ich sehe hinter der Theke eine etwa zwanzigjährige Frau lungern.

„Weisen Sie sich aus.“, höre ich mich sagen. Fuck. Der erste Satz nach etlichen Wochen aus meinem Mund und ich hatte ganz vergessen, wie hoch meine Stimme ist. Irgendwie hatte ich sie tiefer in Erinnerung. „Hey, gute Frau, weisen Sie sich aus.“, wiederhole ich meine Forderung. Sie macht Geräusche, als würde sie vor sich hin wimmern und kratzt mit ihren Fingernägeln ihren Unterarm auf. Ich bin mir nicht sicher, ob sie eine von denen ist. „Wenn Sie keine Auskunft geben, bin ich gezwungen, Ihnen in den Kopf zu schießen.“ Keine Reaktion. Ich laufe langsam um die Theke herum und die Frau schnippt mit ihrem Kopf nach links und rechts, immer wieder. Sie sieht mich nicht, sie kann mich nur hören. Das reicht mir als Beweis. Ich richte die Waffe auf dieses freakige Miststück und mein Finger zittert am Abzug. Sie weiß mittlerweile, wo ich in etwa stehe und robbt auf ihren Knien auf mich zu. Ihre Unterschenkel sind abgenagt, vielleicht von ihr selbst, vielleicht von jemand anderem. Sie wimmert weiter und ist nur noch zwei Meter von mir entfernt. Ich versuche den Abzug zu drücken. Er ist blockiert. Ich drücke fester. Keine Regung. Nicht einmal ein Klicken. Ich halte meine Hand vor den Mund. Diese Schlampe stinkt wie die Hölle. Noch ein Versuch. Die Waffe tut nichts. Als sie etwa einen halben Meter vor mir ist und ihre Arme nach meinem Hosenbein ausstreckt, merke ich, dass ich die Waffe nicht entsichert habe. Ich Idiot. Ich drücke den Hebel Richtung Schlitten und haue meinen rechten Zeigefinger mit aller Kraft gegen den Abzug. Dann fiept es. Ich habe nicht einmal den Schlag der Waffe gehört, aber er muss verdammt laut gewesen sein. Warme Flüssigkeit dringt aus meinem rechten Ohr und ich muss mich zusammenreißen, nicht zu schreien. Das Fiepen lässt allmählich nach. Entweder bin ich nun taub, oder es ist wieder still. Der Freak vor mir jedenfalls ist nicht mehr in der Lage darüber zu urteilen. Rot-gräulicher Matsch fließt zähflüssig von der Wand hinunter und der Alten sickert Blut aus Mund und Nase. Scheinbar Literweise. Ich steige über sie drüber, hoffend, dass sie wirklich tot ist und stopfe alle Zigaretten in einen großen Beutel.

Bei den CD's habe ich Pech. Außer Kuschelrock und die Ärzte sind keine gitarrenlastigen Silberlinge in der Tanke vorzufinden. Ich nehme mir also die Jazz ist anders mit und stiefele zurück zum Auto. Beck's auf, Kippe an und Springerstiefel neu schnüren. Meine Hände zittern, als ich die CD in das Laufwerk schiebe. Zum Glück ertönen die ersten Klänge sanft in meinen Ohren. Wenigstens habe ich meinen Gehörsinn nicht verloren. Als ich tief einatme, merke ich, dass mein Herz stärker, als sonst gegen meine Brust zu schlagen scheint. Vielleicht sollte ich endlich wieder ein paar Vitamine zu mir nehmen. Ich starte den Wagen, dieses Mal läuft er besser, und trete den Weg zurück zu meinem Heimatland an. Thüringen. Hoffentlich bist du nicht genau so wahnsinnig geworden.

Schwarz II

Der Mann schwebte einsam vor dem Fenster und betrachtete die Sterne da draußen. Er suchte seine Heimat. Diesen kleinen blauen Punkt. Man konnte ihn noch bis vierundzwanzig Stunden nach dem Start sehen, aber nun war er zu weit weg und der Mann suchte vergebens. Sol hatte er gefunden, aber die Erde? Nein. Er trug einen Overall der Firma und in seiner Gesäßtasche steckte ein altes vergilbtes Buch - " 'Mein Tod in Blau' und andere Erzählungen" von einem Gewissen Herren Vegas. Der Mann drückte sich von dem Fenster weg und schwebte auf seinen Kommandoposten zu, wo er sich etwas umständlich niederließ, festgurtete und die Anzeigen studierte. Eine kleine Warnleuchte blinkte kurz auf und erlosch wieder. Das gute alte Spiel; jeden Tag passierte das gleiche. Er löste sich wieder vom Sessel und stieß sich ab in Richtung Luke.
Als er hindurch geschwebt war, Betrachtete er seine Kameraden auf diesem Flug, Ingenieure, Wissenschaftler. Noch vier Jahre würden sie In diesen Kisten ruhen und nichts von dem mitbekommen was der Mann tat. Und wieder die Frage: Warum hatten diese Särge eigentlich Fenster? Die Heimat konnte er auch nicht sehen, wenn er gewollt hätte. Er überprüfte die Anzeigen auf den Cryotanks. Nichts besonderes, alles im grünen Bereich. Also wieder zurück in die Kommandokapsel.
Wieder auf seinem Posten zog er das kleine Buch hervor und begann zu lesen.

Sleep.Mode V - von Berlin...

Das Tageslicht ist wie ein Schlag in mein Gesicht, als ich das Fachwerkhaus verlasse. Draußen hat es in den letzten Tagen keine wesentlichen Veränderungen gegeben. Tagsüber sind die Straßen immer noch leergefegt, bis auf ein oder zwei Wahnsinnige, die über die Straßen schlurfen und blind um sich schlagen. Ich schleiche fast den ganzen Weg bis zur Ampelkreuzung. Diese Bastarde sollen nicht mitbekommen, dass ich einer von den Normalen bin. Der silberfarbene Opel Corsa steht gottverlassen auf der Mitte der Straße. Der Schlüssel steckt, also steige ich ein. Nach zwei Versuchen springt der Motor an. Der Tank ist noch zur Hälfte voll und so kann ich erst einmal losfahren. Raus aus Berlin. Irgendwohin, wo weniger Freaks sind. Ich schalte das Radio an, beschleunige auf dreißig Stundenkilometer, denn schneller kommt man zwischen den ganzen stehenden Autos nicht voran und höre die ersten Töne aus dem CD-Player. Get Freaky von Music Instructor. Wie passend. Dennoch fühle ich mich recht unwohl dabei, dieses Lied zu hören. Ich mache das Handschuhfach auf, um nach weiteren CDs zu kramen. Finde allerdings nur die Fahrzeugpapiere, eine alte Nikon-Kamera und eine Schachtel L&M Link. Weiße Nuttenstängel, die halb so dünn und doppelt so lang, wie normale Zigaretten sind. Trotzdem zünde ich mir eine von ihnen an. Sobald ich an einer Tankstelle vorbeikommen sollte, werde ich alle Kippen dort einsammeln. Und mir ein paar gute CDs mitnehmen. Vielleicht haben sie ja wenigstens Metallica oder so etwas. Ich drücke den AM/FM-Knopf und hoffe irgendeinen Radiosender mit menschlichen Stimmen zu hören. In den Filmen gibt es doch immer einen Radiosender, auf dem eine Endlosschleife einer Botschaft läuft. Sei es nun “kommt alle nach Frankfurt in das Siemens-Gebäude, wir haben uns dort verschanzt“ oder „reist nach Australien, dort sind diese Verrückten nicht.“

In der ganzen Zeit der, nennen wir es mal Seuche, habe ich keinen gehört oder gesehen, der die Viecher als Zombies bezeichnet hat. Es ist nicht so, dass die Menschen sich nicht trauen, sie so zu nennen. Sie sind es einfach nicht. Es ist, als würden sie wirklich alle durchdrehen. Sie sind so lahm, aber trotzdem aggressiv. Als hätte sie irgendjemand beim Schlafen gestört. Trotzdem sind sie am Leben. Sie fressen sich manchmal auch gegenseitig.
Manchmal gehen drei von den Wahnsinnigen auf einen einzelnen drauf und schlagen ihn tot. Dann prügeln sie sich um das Fleisch.
Manchmal essen sie auch Tiere, Essensreste oder einfach nur Abfall.
Manchmal.

Ich biege die Hauptstraße nach links ab und vor mir steht gottverlassen eine Shell-Tankstelle mit eingeschlagenen Scheiben. Ich zünde mir noch eine dieser dünnen Kippen an, parke den Wagen vor Zapfsäule 5 – Super Bleifrei und öffne die Tür.

Montag, 17. Mai 2010

Ein Kuss

Lass es Feuer regnen über uns,
lass den Himmel brennen,
meine Augen dich erkennen,
Engel meiner Lust.

Lass die Sterne fallen über uns,
Schweife ziehend, glühend,
meine Hände dich berühren,
Engel meiner Lust.

Lass die Wolken brechen über uns,
regenschwere Streifen,
meine Liebe dich ergreifen,
Engel meiner Lust.

Lass die Welt sich nicht mehr dreh'n und uns
im warmen Regen liegen.
Lass deine Leidenschaft jetzt siegen
und gib mir einen Kuss.

Samstag, 15. Mai 2010

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Hier stehe ich. Im Regen. Wie sollte es auch sonst sein? Der Wind fährt mir mit eiskalten Klauen über Gesicht und Haare, beißt sich in meiner Kleidung fest und reißt mir den kleinen weißen Zettel aus der Hand. Ich versuche ihn wieder einzufangen, stolpere dabei jedoch nur über die Trümmer und Scherben, die überall auf dem Boden verteilt liegen und muss zusehen, wie das kleine Blatt Papier, hilflos im Wind taumelnd und tanzend, in die Schwärze der Nacht verschwindet. Der Regen tropft durch die Äste der Trauerweide auf meinen Kopf und meine Schultern. In einer der Scherben auf dem Boden erkenne ich ein Wesen, es erinnert mich an irgendetwas. Die Augen, rot von tausenden Aderrissen, rot wie erkaltendes Blut, schwarze Streifen darunter, Augenringe, schwarz wie die Augenhöhlen eines toten Tieres. Bleiche Haut, fast weiß, wie die Maden, die aus diesen Augenhöhlen hervorkriechen...
Der Wind macht keinen Umweg mehr um mich herum, er weht durch mich hindurch wie durch die klappernden Knochen eines an unsichtbaren Fäden aufgehängten Skelettes, einer Marionette deren Kreuz und Fäden ein grausamer Spielmann in den Händen hält. Durch die herabhängenden Äste sehe ich etwas weißes aufblitzen, ein Stück Papier, das Stück Papier und strecke meinen Arm danach aus, stürze darauf zu, greife es, doch es fällt durch meine Hände hindurch als wären sie nicht da, wirbelt davon und ich weiß, dass es nicht wiederkommen wird. Erschöpft und verzweifelt sehe ich ihm nach, bis es erneut und diesmal endgültig in der schwarzen Nacht verschwunden ist. Ich drehe mich um und erstarre. Dort am Stamm der Weide stehe ich selbst und winke mir ein letztes Mal zum Abschied...

Mittwoch, 12. Mai 2010

A.D.:X - My Sick Stick

Ich träume. Ich kann nicht aufwachen, aber ich weiß dass ich schlafe. Direkt vor meinen Augen geht ein Bus voller Menschen in Flammen auf. Einer der Cocktails hat ihn getroffen, weitere folgen. Durch die großen, schmutzigen Scheiben sehe ich schemenhafte Gestalten im inneren hin- und herhuschen, ihre Schreie höre ich nicht, es ist zu laut hier. Ich habe kein Mitleid mit den Gestalten dort drin, und nur ein wenig mit den Kindern, die weinend um den Feuerball herumstehen und zusehen, wie ihre Freunde, ihre Eltern und ihre Geschwister lebendig verbrennen. Ich tröste mich damit, dass die meisten von ihnen sowieso von diesem Wahnsinn befallen sind, der seit Jahren überall auf der Welt zu wüten scheint. Meine kleinen Hände greifen nach der Pistole, die in meinem Gürtel steckt. Sie ist mehr als doppelt so groß wie meine Handfläche, ich muss den Griff mit beiden Händen umfassen, um die Waffe sicher führen zu können. "Kein gutes Alter, um mit Schusswaffen und scharfer Munition zu hantieren." Ohne zu zögern richte ich den Lauf auf die Frau, die ihre Hand schon halb in meine Richtung ausgestreckt hat. Sie erstarrt mitten in der Bewegung, auf einmal zeichnet Angst ihre Gesichtszüge neu, Angst vor mir, einem Kind. Ich genieße den Anblick. Schon damals war Angst für mich der schönste Ausdruck auf einem Frauengesicht. Wortlos ziele ich über ihre Schulter hinweg auf einen dieser Wahnsinnigen, der auf uns zugestolpert kommt. Noch bevor die Frau sich umdrehen und ihre blutverschmierte Machete nach dem Angreifer schwingen kann, habe ich schon abgedrückt und der Kerl fällt wie ein Brett nach hinten um, regungslos. Die Angst im Blick der Frau wird noch intensiver, und ich weiß, dass sie im Moment mehr Angst vor mir hat, als vor den Infizierten. Ich genieße es, weide mich an dem Anblick eines hübschen, aber angstverzerrten Frauengesichtes.
Ich wache auf. Die Sonne geht gleich auf, aber ich will noch kurz hier liegen und das Bild dieser Frau betrachten, das noch immer auf meiner Netzhaut herumzuflimmern scheint. Meine Hose beult sich im Schrittbereich aus und scheint viel zu eng zu sein. "Du Psychopath", murmele ich in mich hinein und verpasse mir selbst eine heftige Ohrfeige...

A.D.:X - Sickmen

„Nein, ich fahre alleine, das hab ich schon immer so gemacht und das werde ich auch weiterhin tun.“ Der Kerl links neben mir am offenen Seitenfenster geht mir langsam auf die Nerven, und ein bisschen tut er mir auch leid. Er ist fast noch ein Kind. Aber ein Kind mit Mut, Ehrgeiz und einer Vision. Vor allem letzteres ist zwar selten geworden heutzutage, die meisten leben von einem Tag in den anderen und interessieren sich nicht dafür, was um sie herum geschieht, aber nichtsdestotrotz will und brauche ich keinen Begleiter. Ich bin eben ein Einzelgänger.
Ich starte den Motor, der Besitzer des Wagens hatte den Schlüssel im Zündschloss stecken gelassen. Es ist ein gutes Auto, ein Pick-Up-Modell von Ford, welches genau weiß ich nicht. Vermutlich allradgetrieben, wie amerikanische Pick-Ups eben sind, mit ansehnlicher Motorleistung und Geländegängigkeit. Der Typ tritt vom Wagen zurück und ich fahre los. Hier außerhalb der Stadt sind die Straßen weitgehend frei von Autos und nur stellenweise etwas mit Gestrüpp überwachsen. Nahezu optimale Bedingungen, um schnell voranzukommen.

Es ist inzwischen Nachmittag, ich sitze im Schatten des Wagens und drehe meine beiden Pistolen in den Händen, rechts die H&K P8, links die Desert Eagle Mark XIX. Ich weiß nicht, ob ich mich verfahren habe, oder ob ich die Dimensionen dieses Landes einfach nur unterschätzt habe und mich zwar auf dem richtigen Weg, aber noch Meilen vor meinem Ziel befinde. Was mein Ziel ist, kann ich momentan nicht sagen, es ist kein Wort, das es beschreibt, vielmehr ein Gefühl, ein Gemisch aus Farben, Formen und Geräuschen, aber auch keins von alledem. Wenn man so lange nur so wenige Menschen trifft, verlieren Worte an Bedeutung, dafür gewinnen Empfindungen und Bilder immer mehr die Oberhand über das eigene Denken. Ich würde bestimmt einen guten Künstler abgeben, einen Expressionisten, aber für wen würde ich meine Kunstwerke schaffen? Für eine verrückt gewordene Welt mit verrückten Menschen und anders verrückten Menschen. Das sind die beiden einzigen Arten von Mensch, denen ich seit langem begegnet bin.

Irgendwann heute Mittag habe ich einige Nomaden getroffen. Menschen, deren Häuser beim Beginn des Wahnsinns zerstört wurden und die seitdem in teilweise selbstgebauten, teilweise „gefundenen“ Trailern mit großen Zugmaschinen durchs Land fahren. Auf jedem Wagen war eine große Null zu lesen gewesen, als müssten diese Menschen beweisen, dass sie Menschen sind und immer bleiben werden. Sie sind wie ich Einzelgänger und lassen niemanden wirklich an sich heran. Der einzige Unterschied ist, dass sie eine Art Familie sind, dass sie sich untereinander brauchen. Aber was von dieser Familie nach außen dringt ist das gleiche, was ich dem Hänfling heute Morgen klargemacht habe. Sie sind autark, eigenständig, ein weiteres Mitglied hätte keinen Platz bei ihnen, würde sie behindern, sie schwächer machen. Einige von ihnen gehören sogar noch der ersten Generation an, den inzwischen selten gewordenen Zeugen des Anfangs der neuen Zeit.

Ich sehe mich um. Die Sonne berührt inzwischen fast den Horizont, ich war wohl so tief in meinen Gedanken versunken, dass ich die Zeit aus dem Blickfeld verloren habe. Rings um mich gibt es nichts, was mir Deckung und Schutz vor der Nacht bieten könnte. Also nichts, das eine Gefahr beherbergen kann. Ich entscheide, auf der Ladefläche des Pick-Ups zu schlafen. Ich befestige die Metallstange mit dem inzwichen nicht mehr wirklich weißen Tanktop mithilfe von etwas Klebeband am Auto, lege mich auf den Rücken und schaue in den sich langsam immer dunkler färbenden Himmel. Weit über mir leuchten die Kondensstreifen eines Flugzeugs rötlich am Himmel... Vielleicht ist es auch nur eine dünne Wolke... Egal. Jetzt weiß ich wohin ich fahre...

Dienstag, 11. Mai 2010

Sleep.Mode IV - Selbstportrait

Ich sehe keine Sonne. Dennoch merke ich, dass es heller wird. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich hinter der Blocksiedlung den immer heller werdenden Horizont. Ich öffne mir ein Bier, zünde mir meine letzte Zigarette an und lauere. So, wie es diese Bastarde tun. Als die ersten, wirklichen Sonnenstrahlen vor dem Haus auftauchen und sich mit ihren unsichtbaren Händen an den Häusermauern hochziehen, stehe ich auf und schaue mich nach ewiger Zeit zum ersten mal im Spiegel an. Es ist ein matter Rundspiegel, der an einem Regal voll mit Kinderspielsachen lehnt. Mein Dreitagebart lässt mich wie einen ungepflegten Kinderficker erscheinen. Mein weißes s.Oliver-Hemd ist blutgetränkt. Früher hätte ich einen totalen Wahn bekommen und meine Klamotten schon bei den kleinsten Flecken in die Reinigung gegeben. Auch meine dunkelgraue John Crocket Anzughose mit Nadelstreifen ist voller Dreck und meine schwarzen Tricker's Full Brogue Picadilly Black habe ich schon vor einiger Zeit gegen x-beliebige Springerstiefel getauscht, die ich einem sterbenden Punk in dieser Cocktailbar abgezogen habe, als es anfing.

Ich kann nicht sagen, dass diese Epedimie überraschend für mich kam. Ich habe sie mir herbeigewünscht, gehofft, dass sie irgendwann passiert. In meinen Gedanken malte ich mir aus, mein altes Leben hinter mir zu lassen und anarchistisch mit anderen Rebellen umherzuziehen und mir das zu nehmen, was ich brauche. Im Nachhinein betrachtet ist diese Vorstellung lächerlich. Es endet immer damit, dass man auf sich allein gestellt ist und alle verliert, die man nur verlieren kann.

Ich nehme den letzten Zug der Zigarette und trete sie auf dem Holzboden aus. Dann leere ich das Bier und packe meine Sachen zusammen. Die Taschenuhr zeigt 9:45. Ein perfekter Mai-Tag, um draußen spazieren zu gehen. Ich öffne die Kellerluke, schmeiße den zusammengerollten Schlafsack, meinen Rucksack mit Hygiene-Krams und Erste-Hilfe-Sachen in das Stockwerk unter mir und steige rückwärts die Leiter herunter. Die P7 fest umklammert. Noch ein mal tief durchatmen und die Tür auf die Straße aufstoßen. Die Klinke fühlt sich an, als hätte sie jemand heute schon festgehalten und angewärmt. Kann aber auch entweder an der Sonne oder meiner langsam steigenden Verwirrung liegen. Ich drücke die Klinke nach unten und trete, wie in so einem bescheuerten Action-Film die Tür auf.

A.D.:X - Six Six Sick

Langsam schlendere ich die 7th Ave runter, mitten auf der Straße, zwischen Taxen, Transportern und anderen Autos hindurch, die von ihren ehemaligen Besitzern stehengelassen und vergessen wurden. Über meinem Kopf hängt ein weißes Tanktop an einer dünnen Metallstange, die im Rhythmus meiner Schritte hin- und herschwingt und den Bewohnern der Häuser rings um mich signalisiert, dass ich nur auf der Durchreise bin und meine Waffen lediglich zu meinem eigenen Schutz einsetzen werde. Kurz hatte ich überlegt, eins der tausenden Autos kurzzuschließen, aber innerhalb der Stadt würde es mich mehr behindern als es hilfreich wäre. An einer quer über einem weißen 64'er Mustang liegenden Straßenlaterne halte ich inne, lehne mich an den Kotflügel des Wagens, angele nach meiner Feldflasche und nehme einige tiefe Schlucke der süßlich-bitter schmeckenden Flüssigkeit, die leicht im Rachen brennt. Beim Absetzen der Flasche bemerke ich auf dem schmutzig-weißen Lack des Mustangs einige Blutspritzer im Bereich der nicht ganz geschlossenen Kofferraumklappe. Ich widerstehe der Versuchung, das Ding zu öffnen, aber dennoch schüttelt es mich leicht beim Gedanken daran, was dieses Auto wahrscheinlich darstellt. Schneller als nötig schraube ich die Feldflasche zu und setze mich wieder in Bewegung. Ein Windstoß trägt mir wie zum Abschied den süßlichen Duft eines verwesenden Tieres in die Nase. Vielleicht ist es auch gar kein Tier, sondern ein Mensch, der da im Kofferraum liegt und den Köder mimt für das Böse, das vermutlich immer noch in den dunkleren Ecken von Manhattan lauert...

Auf der Kreuzung vor mir stehen keine Autos. Eine kleine Gestalt läuft dort hin und her, fast wie ein spielendes Kind, aber eben nur fast. Ich vergewissere mich, dass meine weiße Flagge zu sehen ist, schleiche mich näher heran, gehe hinter einem querstehenden Auto in die Hocke und beobachte die Gestalt, die ich gegen die Nachmittagssonne zunächst nur schemenhaft erkennen kann. Eine Wolke schiebt sich vor die Sonne und ich erkenne den Ausdruck auf dem Gesicht des höchstens sechs Jahre alten Mädchens. Pure Wut verzerrt das eigentlich hübsche Antlitz, eine Wut, die nicht natürlich ist, die kein Mensch jemals spüren sollte und schon gar nicht ein kleines Mädchen. Ich habe diesen Ausdruck bedingungsloser und vollkommener Raserei schon oft gesehen, aber noch nie auf dem Gesicht eines Kindes. Ein noch dickerer Teil der Wolke zieht vor die Sonne und jetzt bemerke ich auch die beiden winzigen roten Lichtpunkte, die auf Brust und Kopf des Mädchens ruhen, leicht zitternd, nicht stark genug um darauf schließen zu lassen, dass die beiden Waffen frei in der Hand gehalten werden, aber stark genug, um die Anspannung der Schützen deutlich werden zu lassen. Offenbar will keiner der beiden Scharfschützen als erster abdrücken und ein Kind dem sicheren Tod preisgeben. Ich atme tief ein, wieder aus und wieder ein, dann stehe ich auf und mache drei leise aber große Schritte auf die freie Fläche hinaus. Ich beobachte aufmerksam das Kind, es scheint mich nicht bemerkt zu haben. Die roten Lichtpunkte sind verschwunden, ich bin mir fast sicher, dass sie jetzt auf meinem Rücken ruhen. Noch zwei Schritte auf das Mädchen zu. Drei, vielleicht vier Meter zwischen mir und dem kleinen Monster. Ich pfeife. Das Kind wirbelt herum und stolpert auf mich zu. Ich ziehe die Desert Eagle aus dem Hosenbund, entsichere sie und richte den Lauf auf die Stirn des Mädchens. Es kommt immer näher an mich heran. Noch zwei Meter, einer, ein halber; die Stirn des Kindes berührt den Lauf, ich drücke ab. Der Schuss hallt dumpf in den umliegenden Straßenschluchten wider, das Klimpern der Patronenhülse auf dem Asphalt scheint eine Schneise in die darauf folgende Stille zu schlagen...

Sonntag, 9. Mai 2010

Sleep.Mode III - Jenseits von IOWA

Die Sonne geht unter. Man hört es daran, dass draußen die Wahnsinnigen wieder umherziehen. Sie machen Geräusche, als würden sie sich gegenseitig ficken, aber das tun sie nicht. Ich löse die Verpackung von dem Schinken und nehme einen großen Bissen. Beißen... Es schüttelt mich bei dem Gedanken und ich versuche nicht mehr an die Worte "Fleisch" "beißen" oder "Wunde" zu denken. Mir wird schlecht und ich versuche so wortlos, wie nur möglich meinen Schwall von Kotze in die Tüte, voll mit Winterschuhen zu exportieren. Nur noch eine Nacht ausharren. Tagsüber sind sie kaum da. Tagsüber lauern sie in dunklen Gassen oder unübersichtlichen Ecken, denn wenn es hell ist, sind sie blind. Als es anfing, machten wir mit unserer Truppe die Erfahrung. In den ersten Tagen konnten wir kaum schlafen. Sie waren immer und überall. Als dann die Sonne aufging, steuerten sie nur noch ziellos umher. Wenn man sich still verhielt, konnten sie direkt an Dir vorbei laufen, ohne dich mitzubekommen. Doch nach vier Tagen lernten sie dazu, verkrochen sich dort, wo keine Sonne hin kam und ruhten sich aus. Und so machen sie bisher weiter.
Ich werfe einen kurzen, unauffälligen Blick aus dem Fenster. Es scheinen hunderte zu sein. Ganz Berlin ist mittlerweile durchgedreht, habe ich das Gefühl. Die, die noch nicht wahnsinnig sind, verschanzen sich bestimmt, wie ich, in Häusern und hoffen, wie ich, darauf, dass irgendjemand anderes zu Hilfe kommt. Nur glaube ich nicht, dass jemand kommen wird. Vor zwei Wochen gab es noch die Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas. Nach einiger Zeit wurden auch sie wahnsinnig und schlugen mit ihren Schlagstöcken gegenseitig auf sich ein. Dann kamen sie mit Wasserwerfen, doch viel brachte das auch nicht. Die Polizisten waren einfach viel zu sehr in der Hoffnung bestärkt das alles wieder in den Griff zu bekommen. Die Wahnsinnigen nicht zu töten, sie einfach nur mit Handschellen zu fixieren, bis sie wieder normal werden würden. Irgendwann rückte die Bundeswehr an. Wir, die noch nicht wahnsinnig waren, versteckten uns, solange sie da waren, in dem besagten Neubaublock, weil die verfluchten Soldaten auf jeden schossen. Wahnsinnig oder nicht. Als sie merkten, dass sie ihre Lager nicht halten konnten, rückten auch sie ab. Zu dem Zeitpunkt waren wir etwa 40 Mann. Maik sprach von einem ultimativen Plan, wodurch wir ihre Zahl stark mindern könnten. Wir stellten eine Anlage in das oberste Stockwerk hinter eine verschlossene Tür und stellten den Timer auf 21:00 Uhr. Sleepmode. Dann warteten wir. Warteten. Punkt Neun sprang die Anlage an und die ganzen Wahnsinnigen liefen hinein. Fanden dort allerdings nur die IOWA von Slipknot in Endlosschleife spielend. Dann, gegen 23:00 Uhr, als etwa 300 von den Wichsern im Gebäude waren, fingen wir an den Block mit Molotov-Cocktails zu beschmeißen, um sie entweder zu verbrennen oder wenigstens so rauszulocken, dass sie nur aus der Tür kamen. Drei weitere Stunden hielten wir stand. Dann waren nur noch Thomas und ich übrig. "Verpissen wir uns irgendwohin.", schrie er, während er die Scheiße aus einem dieser Verrückten raustrat. "Besten ist, wir verschanzen uns im Fachwerkhaus. Los, komm!" Ich rannte los. Als ich vor der Tür des Hauses stand und mich herumdrehte, um ihn im Mob zu suchen, sah ich nurnoch, wie einer dieser Freaks seinen Kopf nahm und unaufhörlich auf das Kopfsteinpflaster drosch.
Seitdem sitze ich hier und warte darauf, dass ich irgendein Lebenszeichen eines anderen, noch normal gebliebenen Menschen empfange. Mein Handy ist auf Vibration. Netz existiert noch. Stromzufuhr ist auch noch da. Wer weiß, wie lange noch. Irgendwann schalten sich die Kraftwerke sicher automatisch ab. Morgen werde ich unten den Fernseher anschalten und schauen, ob noch irgendwo etwas gesendet wird. Dann werde ich mir ein Auto klauen und, solange es Tag ist, auf die Suche nach anderen gehen. Aber erst muss ich diese Nacht überstehen. Ich winkele meine Beine an und Ziehe mich in meinen Schlafsack zurück. In der P7 sind noch fünf Schuss. Das muss reichen.

Sleep.Mode II - Der Blick vom Wasserturm

Schlaf. Schlaf wäre förderlich. Seit mich vor 5 Minuten ein Donnerschlag aus meinem sowieso schon unruhigen, traumlosen Schlaf riss, habe ich das wieder einpennen komplett aufgegeben. Außer dem Regen und dem gelegentlichen Donner hört man nichts. Meine Taschenuhr zeigt 13:25. Es ist in den letzten Tagen ruhiger dort draußen geworden. Vor etwa vier Tagen war noch die Hölle los. Schreie wurden nur von Schreien übertönt. Ab und an wurde etwas zerschmissen oder explodierte. Der Neubaublock gegenüber stand, als ich vorgestern aus dem Fenster sah, immer noch in Flammen. Vor etwa einer Woche war ich selbst noch aktiv dabei, unten auf der Straße mitzumischen, doch als die Leute immer wahnsinniger wurden, flüchtete ich in dieses leerstehende Fachwerkhaus inmitten Berlins.
Ich werfe einen Blick durch die, mit Steppdecken abgedunkelten Fenster und sehe nur noch einen grauen, fensterlosen Haufen. Über jedem dieser einst beglasten Löcher schlängelt sich festgebrannte Schwärze nach oben. Niemand schreit. Ich gehe zurück zu meinem Schlafsack, öffne ihn und lege ihn mir um die Schultern. Nichts wäre mir gerade lieber, als eine Umarmung von irgendeiner Person, die ich kenne und die noch nicht "durchgedreht" ist. Im Schneidersitz, mit meinem Schlafsack um, greife ich nach vorn und öffne mir die vorletzte Dose Erbsensuppe. Ich muss sie kalt essen, denn die ganzen Küchengeräte sind ein Stockwerk unter mir. Und dort sind alle wahnsinnig. Der Regen schlägt nun mit einer Kraft gegen das Dachfenster, die mich in die hinterste Ecke zurückziehen lässt. Ich fühle mich wie ein Hundewelpe, der keine Ahnung von der Welt hat und sich winselnd in eine Höhle verkriecht.
Nach einer etwa fünf minütigen Inspektion des Dachbodens fällt mir eine Heckler & Koch P7 in die Hände. Besser als meine Brechstange. Falls einer dieser Wahnsinnigen zu mir hoch kommen sollte, puste ich ihm das Blei in seinen Arsch. Lange kann ich in meinem Versteck sowieso nicht mehr bleiben, ich hatte bisher nur Dosenfutter und Apfelsaft. Erstens wird mir die Diät langsam langweilig und zweitens Geht mir Dosenfutter aus und die letzte Packung Apfelsaft ist angebrochen. Ich öffne die Luke, lasse vorsichtig die Leiter herunter und steige ab. Die Küche ist leer, also schleiche ich mich zum Kühlschrank und finde dort ein Paket eingeschweißten Schinken. In dem Regal neben der Tür befindet sich eine Flasche Wodka, zwei Dosen Bier und eine Flasche Mineralwasser. Besser als nichts. Nachdem ich den ganzen Kühlschrank und das Getränkeregal ausgeräumt habe, verziehe ich mich wieder nach oben auf den Dachboden. Morgen gehe ich wieder nach draußen.

Antiquitäten: Happy End

Du liegst in deinem Bett. Neben dir der verbrauchte Körper eines Opfers. Hast sie abgeschleppt vergangene Nacht. Ihr Gesicht sieht aus wie zerknüllte Alufolie. Ein Bulldoggengesicht. Es war kein Sex zwischen euch. Nur Finger und Zunge überall an, um und in dem Contrakörper. Deine Gedanken schweifen zurück. Zu ihr. Sie hat dich verlassen. Für den Kerl, der dich damals mit ihr verkuppelt hatte. Der deine Beziehung gerettet hatte. Doch sie durchbohrt dein Herz mit dem Akkubohrer der Antiliebe und lässt schwarze dickflüssige Suppe raussickern. Verweste Liebe. Du weinst in einsamen, stummen Nächten immernoch ihrer Seele hinterher. Versuchst dich dennoch abzulenken. Sie aber lässt dich scheitern. You fail me. Der menschliche Verbrauchsgegenstand neben dir lächelt dich an. Gezwungen erwiderst du es. Rollst dich weg von ihr. Sagst, dass du schlafen willst. Mit ihren gierigen, klebrigen Fingern, welche noch nach deinem Schwanz riechen, streichelt sie deine Schulter. Ekel durchfährt deinen Kadaver. Weil mehr ließ sie nicht zurück. Sie hatte dich also wieder gefickt, dieses Miststück aus deiner Vergangenheit. Fingerst du eine Frau, hörst du ihr stöhnen. Pumpst du deine Samen in eine Frau, schaust du in ihre Augen. Du hoffst, betest fast, dass du sie vergisst. Irgendwann. Doch dieser Zeitpunkt scheint noch so weit entfernt. Wut überkommt dich. Wut auf dich selbst, Wut auf deine Ex und vorallem Wut auf dieses still lächelnde Miststück neben dir. Außer Druckabbau brachte sie dir nicht viel. Du schmeisst sie raus. Sie geht. Weinend. Nun bist du wieder allein. In deinen eigenen vier Wänden. Deiner eigenen Hölle. Alles hier erinnert dich an sie. Der Fernseher, vor dem ihr beide gesessen und gekuschelt habt. Jede Fliese, die sie dir wischte, wenn sie ihre Tage hatte. Jedes Lied, welches aus deiner Anlage tropft wird von deinem Gehirn mit IHR assoziiert. Du rastest aus. Scheiß Leben! Scheiß Liebe! Du zertrittst den Bildschirm deines Fernsehers, schmeisst alle Bücher aus dem Regal (Nietzsche fällt, Bukowski fällt, Bernemann fällt, LaVey fällt, Cobain fällt, Hawking fällt). Dann ist die Anlage dran. Voll aufgedreht, bis Billy Corgan kratzig aus den Boxen dröhnt. Scheinbar in Extase öffnest du das Fenster. Nun bist du dran. Schmeiss dich aus dem Regal. Du fällst. Fällst. Fällst. Glück. Aufschlag. Egal. Alles Egal. Sie hat dich gefickt. Nicht in Form einer anderen Frau sondern in Form des Asphalts. Fucked by Street. Happy End.

Freitag, 7. Mai 2010

Tod den Elefanten

Okay, also ich sitze in meinem Zimmer, ziehe mir Musik von einem Interpreten namens "cssc" rein, als mein Handy klingelt. Ich habe so ein altes, piependes Telefon, daher ist das Geräusch unerträglich. Muss ich wohl rangehen. An der Nummer erkenne ich, dass es Floppy's Haustelefon ist. Ich drücke auf den grünen Hörer.
"Jop?"
"Soma, hier is Floppy."
"Weiß ich."
"Alter, ich sitze hier, schaue Miss Undercover und merke, das meine Zigaretten leer sind. Rate, was passiert ist.."
Im Hintergrund höre ich das Geräusch eines Zippos, danach eine Mischung aus Hustenanfall und Würgereflex.
"Lass hören."
"Ich mach' mich also auf zum Zigarettenautomaten, stecke da meine Karte rein..."
"Aha?"
"... und will eben ne Packung Luckies ziehen. Da meint die Sackbacke nich wirklich, dass der Automat außer Betrieb ist und ich die Servicenummer anrufen soll."
"Hart."
"Ne?"
"Ja."
"Haja auf jeden Fall latsch' ich halt zum nächsten. Deutschland hat ja ne recht hohe Kippenautomatendichte. Geh ich ran, steck die Karte rein: Lesefehler."
"Oha."
"Joar, dacht ich mir auch. Also gut, nächster Versuch. Latsch' ich bis hoch zum Rathaus, gell?"
Floppy's Gelaber macht mich wirre. Ich zünde mir eine Zigarette an und nehme meinen Mund voll mit Köstritzer Schwarz.
"Hm."
"Da seh ich, dass solche Wichser den Automaten abgeflext haben. Alter, da steht nurnoch so'n Stumpf."
"Krass."
"Ne? Dacht ich auch."
"Und nun?"
Eigentlich interessiert mich das alles garnicht, ich höre einfach nur zu, weil im Fernsehen sowieso nur Dreck läuft und ich mit meinen Abend nix anderes anfangen kann.
"Ich also total angepisst nach Hause gelaufen, Brecheisen geholt und den ersten Automaten mit der verfickten Fehlermeldung aufgebrochen."
Ich lache.
"Haha, du Assi."
"Ja, man, das war aber übelst laut halt, also hab ich mir fix wahllos irgendwelche Zigarettenschachteln eingesteckt und bin heim gerannt."
"Na is' doch alles prima."
"Fick dich, prima. Ich sitz jetz hier mit 15 Packungen "Pink Elephant", die Dinger schmecken wie scheiße."
"Das Leben is' hart, man."
"Das isses, das isses. Machstn' morgen?"
"Keine Ahnung, Club oder so."
"Sieht man sich."
"Okay."
Ich lege auf und habe das Gefühl, dass mir irgendeine Botschaft zuteil wurde. Weiß allerdings nicht welche. Ich nehme noch einen Schluck Bier und tippe "Kino.to" in die Adresszeile.

Donnerstag, 6. Mai 2010

24

24. Vierundzwanzig. Scheiße, war es wirklich schon so viel?
Ich saß mit dem Rücken zur Wand in mehr als einer Hinsicht, dachte darüber nach und hörte The 69 Eyes.

I don't wanna see you cryin' little angel on my shoulder
I wanna see you flyin' back to heaven, where you belong


Liz lag da, ihren Kopf in meinen Schoß gekuschelt und ich kraulte ihren Nacken, spielte mit ihrem Haar. Doch die Gedanken ließen mich nicht in Ruhe, zwangen mich wach zu bleiben. Was hab ich erreicht? Mittelmäßige Schriftstellerei für einen elitär wirkenden kleinen Kreis an Verstehenden.
Was noch? Mehr gsoffen als alle anderen. Einige Jobs in den Sand gesetzt. Mehr Scheiße gebaut als andere in meinem Alter.
Ich war froh, daß sie da lag. Ich war drauf und dran aufzustehen und dieses verdammte scheiß Metallstück zu suchen - wollte es aber eigentlich auch nicht. Ich haßte es doch irgendwie mein Blut zu sehen, auch wenn es eine kurzzeitige, beinahe rauschartige, Befriedigung erzeugte. Besonders dieses pulsierende Gefühl, diese wahnsinnige Erleichterung; es schrie nach mir. Ich drückte mir imaginäre Hände auf imaginäre Ohren, um diese Stimme nicht mehr zu hören, während ich mit meiner Hand langsam Liz' glatten, ebenen Rücken entlang fuhr.
Sie bewegte sich, stöhnte leicht und erwachte ganz sanft. Sie küßte meinen Bauch und setzte sich auf. Das Mondlicht schien durch das Fenster und beleuchtete ihren nackten Körper, ließ ihre Brustwarzen ungewohnt dunkel erscheinen. Ich wußte ja, daß sie von einem perfekten rosa waren.
Sie schaute mich an.
"Was ist?" fragte sie mich, "Du wirkst bedrückt."
Ich zog sie zu mir und drückte sie fest an mich. Konnte mich des leichten Zuckens nicht erwehren. Meine Augen wurden naß und ich sagte immer noch nichts.
"Nun sag doch was." hörte ich sie leise in mein Ohr flüstern.
"Halt mich einfach nur fest. Ich hab Geburtstag und ich hasse es."
Und sie hielt mich fest.
Aus dieser Umarmung wollte ich nicht mehr entfliehen. Niemals mehr.
Ich blickte sie an. Sie strich das Wasser von meinen Wangen, küßte mich.
"Hey, Morgen ist es auch wieder vorbei und du bist nicht allein."
Ein Teil von mir wünschte sich gerade in jenem Momet die Einsamkeit herbei, wollte dieses wunderschöne Mädchen vor die Tür setzen und mir einen Schuß in die Schläfe verpassen, nur um nicht mehr nachzudenken und vielleicht auch um sich an den über das Laken verspritzten Fetzen von Hirn, Knochen und der Blutlache zu laben.
Ein anderer Teil ergriff ihre Hand, griff fest zu. Dieser Teil war mir lieber und ich hörte auf Ihn. Scheiß Geburtstagsdepression. Jedes Jahr der selbe Mist und Jünger werde ich ja nun auch nicht.

Mittwoch, 5. Mai 2010

A.D.:X - You make me sick

"Ein schönes Messer hast du.", bemerkt der Typ vor mir mit einer kleinen Handbewegung in Richtung meines Gürtels. "Deutsches Militärkampfmesser.", antworte ich kurz angebunden, ich habe eigentlich keine Lust, mich mit diesem angetrunkenen, leicht dämlich anmutenden Muskelpaket zu unterhalten, aber noch weniger Lust habe ich, es mir mit ihm zu verscherzen, zumal ich wohl seit wesentlich kürzerer Zeit hier bin als er und mir deshalb schlicht nicht erlauben kann, es mir mit einem dieser Hohlbrote hier zu verscheißen. Ein total zugedröhnter Typ (oder doch eine Frau?) stolpert zwischen uns hindurch, natürlich nicht ohne über die Spitze meines linken Stiefels zu stolpern und sich beinahe längs in den Matsch zu legen. Bei dieser Aktion fällt ihm/ihr ein Messer aus der am Gürtel befestigten Ledertasche. Ein schönes Messer. Ich hebe es auf, wische die Klinge am Hosenbein ab und halte sie ins Licht der knallrot am Horizont hängenden Sonne. Ich pfeife dem kaputten Etwas, das sich soeben an einem abgestorbenen und vermoderten Baum festzuhalten versucht hinterher. Wider Erwarten reagiert es sogar auf den Pfiff, richtet seine trüben Augen auf mich und kommt zurückgestolpert. Ich hole meinen Schleifstein aus der Tasche, ziehe die Klinge zweimal darüber und halte dem Wesen, das wohl ein Kerl ist, den Griff seines Messers hin...

Matsch, tote Äste und hin und wieder einige Knochen irgendwelcher Tiere geben unter den Sohlen meiner Stiefel Geräusche von sich, die manch anderer mithilfe einiger unkonservativ eingesetzter Effekte und des Einflusses der richtigen Substanzen zu einem akustischen Kunstwerk verarbeitet hätte. Langsam schlendere ich am Rand eines abgestorbenen Waldes entlang, halbherzig auf der Suche nach einem Schlafplatz. Ich setze mich hin und lehne mich an einen halb in den schlammigen Boden eingesunkenen Baumstamm. Beinahe von selbst zaubern meine Finger die Heckler & Koch aus dem Holster unter dem Mantel hervor und beginnen sie zu inspizieren und oberflächlich zu reinigen. Aus einigen hundert Metern Entfernung klingt noch immer die sogenannte Musik der Junkie-Party zu mir hinüber. Der Stil ist elektronischer, geradliniger, hypnotischer geworden. Ich will mir nicht wirklich vorstellen, was für abartige Praktiken sexueller oder spiritueller Natur dort inzwischen vollzogen werden, aber mir geht das Bild einer von drei Eseln und sieben Hunden vergewaltigten, danach aufgeschlitzten und kopfüber aufgehängten Hure nicht aus dem Kopf. Krankerweise ist ebendiese Hure, kopfüber inmitten von führungs- und ziellosen humanoiden Kampftieren hängend, in meiner Fantasie noch am Leben und schreit pausen- und ebenso chancenlos gegen die martialische Musik des "Sick Apple" an. Die Pistole in meiner Hand erhebt sich aus ihrem Schlaf, wird geweckt, auf ein Ziel gerichtet. Ich spüre den kalten Stahl an meiner Schläfe, dann ein immer stärker werdendes Ziehen im rechten Zeigefinger. Vor der halb zerfallenen Skyline zieht eine Leuchtrakete ihre Bahn über den inzwischen schwarzen Himmel, gefolgt von einigen grellbunt explodierenden Feuerwerksraketen, deren in den Himmel gebrannter Funkenregen sich auch in meine Netzhaut zu brennen scheint. Ein ganz sanfter Stoß an der rechten Schläfe, das Knallen der vor Sekunden explodierten Leuchtkörper und das leise, fast in ihrem Lärm versinkende Klicken einer ungeladen abgefeuerten Handfeuerwaffe...

Du weißt, wo du mich findest.

Das Dunkel der Nacht hatte uns schon fast verschluckt, als die nächste Laterne am Rande eines weiteren dieser unzähligen Dörfer matt aufleuchtete.
Wir hörten gechillten Indierock, wie er genau zu solchen Situationen passt.
Ich saß auf dem Beifahrersitz, durch das Baden im Stausee vor zwei Stunden waren meine Festivalbändchen am rechten Arm noch immer feucht und mein Handgelenk schien vereist zu sein. Mit jedem Zug, den ich der Zigarette entnahm und mit jeder Wolke, die ich durch das Fenster in die vorbeirauschenden Wälder bließ, schlug mein Herz ein wenig langsamer.
Gefühle, die nur mit der Vorstellung des komatösen Zustands zu vergleichen waren, strömten durch meine Brust, meine Beine, meinen Kopf. Wie taub umschlossen meine Lippen den immernoch trockenen Filter. Es schien, als würde mein Körper aus lauter Geiz seinen Speichel für sich behalten wollen. Zwischen meinem Schoß klemmte eine Dose Bier, zerknickt durch die Fliehkraft der Kurvenfahrten.
Der Fahrer schaute wortlos auf die Straße. Aufmerksam. Nichts in der Welt schien ihn vom Geschehen diesseits des Asphalts ablenken zu können.
Ich legte meinen Kopf in den Nacken und spürte die Adrenalinstöße, die mir das sich fortbewegende Auto gab.
"Wenn das Meer für uns zu weit ist", höre ich den Fahrer in meinen Erinnerungen sagen: "dann sollten wir aufhören uns der Illusion hinzugeben es noch einmal zu sehen. Wir sind nicht bei knocking on heavens door. Wir sind im Leben. Und es ist grausam."
Wie ein Ohrwurm strömte mir dieser Monolog durch den Kopf.
Ich schnippte meine Zigarette aus dem Fenster, leerte das Bier und schaute auf den Tacho. 200. Als ich die Walther PPK, 7,65mm mit zwei Patronen aus meiner Jackentasche ziehe, wird mir dies mit zuckenden Mundwinkeln des Fahrers gedankt. Ein Anflug eines Lächelns. Das einzige seit 2 Jahren. Wir hielten in einer Nebenstraße inmitten eines kleinen Dorfes, machten die Musik aus, stellten den Motor ab und hielten für einen Moment inne.
"Das Schicksal konnte mich nie leiden.", begann der Fahrer. "Doch heute bin ich das Schicksal. Und ich kann dich nicht leiden.", setzte ich fort. Wir schauten uns an und ich legte die Mündung an meine rechte Schläfe. "Ich will das Meer sehen.", hörte ich ihn sagen. Und dann hörte ich lange Zeit nichts mehr.

Dienstag, 4. Mai 2010

Zwei

Wir lagen nur so da, hielten uns an den Händen und schauten zu den Sternen hinauf - nicht das erste Mal heute. Ich roch ihr Parfum, drehte meinen Kopf zu ihr hinüber und konnte das Licht der Sterne in ihren Augen glitzern sehen. Und dann sah ich etwas. Weinte sie?
Sie drehte ihren Körper zu mir, schmiegte sich an mich. Ja tatsächlich, waren da ein paar Tränen in ihren Augenwinkeln.
Mit leicht erstickter Stimme sagte sie: "Mach dir keine Kopf, mein Süßer. Es ist, weil es so schön ist."
Sie rollte sich weiter und war über mir.
"Okay.", flüsterte ich.
Sie setzte sich auf und ich betrachtete ihre anmutige Gestalt. Wir waren etwas abseits vom tatsächlichen Partygeschehen und ich war froh darüber.
Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. Ich hob meine Hand und streichelte sie.
"Ist wirklich alles in Ordnung?"
"Ja."
Sie faste mich am Hals, ich richte mich halb auf, dann packte sie mich mit beiden Händen an den Wangen und gab mir einen lange zärtlichen Kuß.
Ich schaute mich etwas um. Einige Meter entfernt, brannte ein Lagerfeuer und ein Stückchen weiter war Floppys Haus. Dann hörte ich ein stolpern, eine Tür schlug zu und Somas Lachen ertönte keine drei Meter entfernt.
Er kam zu uns und setzte sich. Lara im Schlepptau.
"Na ihr zwei?"
Er war glücklich.
Ich lächelte ihn an und er sah, daß wir allein sein wollten. Er griff in seine Taschen, suchte kurz, kramte dann eine halb zerdrückte Zigarettenschachtel hervor und fischte zwei heraus. Er drückte mir eine in die Hand und ging dann lachend mit Lara weiter.
Ich gab Liz die Kippe, da ich gerade nicht rauchen wollte und Sie legte sie sich zwischen die Lippen. Irgendwo war doch ein Feuerzeug. Ich wuselte mit einer Hand in der Wiese und fand es - gab es ihr. Sie entzündete die Zigarette und atmete lasziv den Rauch aus. Irgendwie war das sexy. Ich setzte mich ganz hin und drückte sie kurz.
"Hey Liz, sag mal: Wollen wir vielleicht etwas spazieren gehen?"
Sie schaute mich an - eine absolute Göttin. Sie sagte nichts. Mußte sie auch nicht. Ich legte mich wieder ganz hin und Liz kuschelte sich an meine Seite, nachdem sie den Glimmstengel irgendwo in die Wiese geworfen hatte.
Ich schloß die Augen und schlief ein.

Montag, 3. Mai 2010

A.D.:X - Sick Apple

Ein durchschnittliches Horrorpunk-Gitarrenriff, über eine schlechte/alte/absichtlich völlig stümperhaft eingestellte PA-Anlage aufgemotzt, bringt die Luft zum Vibrieren, wird kurz überlagert von einer Reihe von Geräuschen, die sich wie der doppelt abgefuckte und gut geschüttelte Remix einer Feedback-Noise-Session zweier H-Junkies anhören und wohl ein Gitarrensolo darstellen sollen, dann endet der Song in einem akustischen Haufen Müll, und das Publikum, zur Hälfte besoffen, zu 45% auf irgendeinem Halluzinogen-Trip und zu 5% auf dem Boden liegend, den eintretenden Hirntod genießend, fängt an zu grölen; bei einigen wird das Grölen zu einem Würgen und ein Schwall von Flüssigkeiten, die ich in den letzten 2 Tagen in fast jeder Konsistenz und Farbe gesehen habe ergießt sich auf den bereits von hunderten Paar Stiefeln mehrfach umgegrabenen Matsch des ehemaligen Central Parks.

Es ist noch keine Woche her, dass ich in einem Flugzeug gesessen habe, mir einen Cocktail nach dem nächsten reingefahren habe und die dunkelroten bis dunkelblau-schwarzen Wolken über dem Atlantik bewundert habe; jedenfalls solange bis der Pilot der extremen Überdosis Koks zum Opfer gefallen war und ich den Flieger volltrunken aber erstaunlich zielsicher weiter in Richtung "Sick Apple" geflogen hatte. Sogar die Landung verlief ohne die erwartete Explosion, sehr zum Kummer meiner Mitreisenden, die sich schon beim Anlegen der Fallschirme gegenseitig wilde Geschichten über auf dem Boden zerschellende Flugzeuge und die obligatorischen anschließenden Explosionen an die zotteligen Köpfe warfen. Ich dagegen war vielmehr von der Tatsache beeindruckt, dass alle Passagiere den Flug und die Landung ohne ernsthafte Verletzungen überstanden hatten (verstauchte Knöchel werte ich nicht mehr als Verletzung, sondern als Folge der Torheit, beim Fallschirmspringen keine Stiefel zu tragen); der Kiffer aus der letzten Reihe, der ohne Fallschirm springen wollte fällt aus zwei Gründen aus der Wertung: 1.) So drauf wie er war, bin ich mir sicher, dass er wusste was er tat, als er ohne Fallschirm aus der Tür torkelte, und 2.) selbst wenn er den Sturz nicht überstanden haben sollte, würde das die Statistik nicht verändern, der Freak hätte sowieso keine Chance aufs Überleben gehabt in einer Welt wie der hier. Auf den ersten Blick das Paradies eines jeden abgefuckten Junks, tatsächlich aber die Reinform der Anarchie, dem einzigen Gesetz folgend, das sich aus dem natürlichen Recht ergibt: Wer stärker ist, lebt länger...

Betrunkene Gänseblümchen

Soma? Mit Lara verschwunden. Liz? Hinter mir; Haare halten. Tripp? Schläft auf der Veranda in den Armen seiner Freundin. Ich hätte den Joint vielleicht nicht rauchen sollen. Floppy? Keine Ahnung; der Typ schmeißt dauernd Partys und ist dann einfach weg.
15 Minuten später saß ich mit Liz im McDonalds um die Ecke und verputze den wohl fünften Cheeseburger innerhalb von nur kürzester Zeit. Sie schaute mich ungläubig an.
"Sag mal Wolfi, wo steckst du die Dinger eigentlich hin?"
Ich blickte sie an, schluckte runter und sagte: "Keine Ahnung. Hab ich jetzt eigentlich gekotzt? Sorry, das war eben etwas unerwartet und ich hab einen partiellen Blackout zwischen der Wiese und hier."
"Nein, hast du nicht." Sie lächelte und aß ihren Salat. Warum essen Frauen immer Salat bei Megges? Unwichtig.
Sie war jetzt bei mir; wir waren allein; etwas weiter weg von dem ganzen Trouble. Ich trank einen Schluck Kaffee schaute mich um. Gut. Wirklich weniger stressig war die Umgebung jetzt auch nicht, aber das war jetzt genauso unwichtig wie die Salat-und-Frauen-Frage.
Während ich mir Cheesy Nummer sechs aus dem Butterbrotpapier mit dem orangefarbenen Druck schälte schaute ich Liz an. Sie hob ihr Gesicht vom Salat und erwiderte meinen Blick, lächelte mich an. Ihre Augen strahlten. Wir brauchten in diesem Moment keine Worte; alles funktionierte nonverbal. Ich legte meine Hand auf ihre, beugte ich mich zu ihr hinüber. Unsere Lippen trafen sich. Die ihren schmiegten sich sanft und weich an meine. Während sie meinen Mund mit ihrer Zunge öffnete, öffnete sie mir ein ganzes kleines Universum an Gefühlen und Empfindungen. Alles in meinem Kopf war für den Moment des Kusses in die Musik von The Doors und bunte Farben getaucht. Mein ganz privates psychedelisches Kopfkino.
Ich setzte mich wieder und archivierte diesen Moment und dieses gemeinsame Essen unter besonders wertvoll in meiner Erinnerung.
Liz lächelte immer weiter; sie ist wirklich bezaubernd.
"Wolfi?"
- "Ja?"
"Ich hab dich echt lieb, Darling."
Ruhe. Die Sekunde - es war nur eine - verlief, als wäre sie eine Ewigkeit. In meinem Herzen blühte eine Orchidee auf und in meinem Kopf war nur noch ...
"Ich hab dich auch sehr lieb!"
Sie strahlte.

Der Song in meinem Kopf war übrigens Light My Fire und Betrunkene Gänseblümchen sagen immer die Wahrheit.

Vergessen, Verloren und irgendwo in der Ursuppe schwimmend

Ich trinke den letzten Schluck Bier, nur um festzustellen, dass es mein letztes Bier war.
Keins mehr da.
Auch keine Zigaretten.
Wenn man eine sowieso schon abgefuckte Situation vor sich hat, so fucken diese kleinen Dinge nur ein noch ein kleines Stückchen mehr ab.
Eher verzweifelt als durchdacht durchkrame ich meinen Rucksack nach Tabak.
Vergeblich.
Cheetah Gelb besteht nurnoch aus undefinierbaren Krümeln und einem zerdrückten After Eight.
Man möchte schreien.
Seinen Frust so lange hinaus brüllen, bis einem die Gedärme aus dem Mund rausglitschen, weil sie dem Unterdruck im Körper nicht mehr Stand halten.
Aber so weit kommt es nicht.
Der menschliche Körper ist ja immerhin eine Wundermaschine, die eigenständig atmen und leben kann. Er kann eine Menge Dinge erlernen, sie sich merken, einfühlungsvermögen zeigen und kommunizieren mit anderen menschlichen Körpern.
Aber er kann keine Zigarette aus After Eight-versetzten Tabak drehen.
Ob dies nun an dem 4. Bier auf nüchternen Magen liegt oder an der letztendlichen Unfähigkeit meines Körpers, bleibt mir dann doch verschlossen.
Forsaken, natürlich die Korn-Version, sickert durch meine Computerboxen und irgendwie fühle ich mich einsam.
Selbst wenn eine junge, hübsche Frau nun neben mir liegen würde - denn das könnte sie, mein Bett ist heute sogar aufgeräumt - würde ich mich einsam fühlen.
Ich habe das Gefühl, als hätte das Universum alle Seelen dieser Erde geschluckt und mich hier zurück gelassen.
Klar sind die ganzen Körper noch da, aber die Emotionen wird das Universum sicherlich mit verschluckt haben.
Wenn man so darüber nachdenkt der einzige Mensch auf der Erde zu sein, dann kommt das einen schon ziemlich bescheuert vor.
Da ja alle Körper noch vorhanden sind, kannst du nicht einmal machen was du willst, wie bei "I am Legend" oder sowas.
Du musst ja dennoch aufpassen.
Aber scheiß' drauf.
Wenn ich nun wirklich hier allein sein sollte in einer geistlosen Welt voller Körper, die keinen Sinn mehr wirklich haben, dann ist wohl die letztbeste Lösung, hierzusitzen und zu versuchen aus vergammelten Süßwaren Zigaretten zu drehen.

Also mache ich mich auf zur Tankstelle.

Sonntag, 2. Mai 2010

gib' mir 15 Minuten

Unweit von mir entfernt wühlte Liz in Wolfs Hose und Tripp stand blöd sabbernd daneben und rauchte seine Tüte. Irgendwie ein total abgefuckter Anblick.
Tracs war verschwunden, soviel war klar. Vielleicht mit Rike irgendwo. Aber naja was soll's. Ich hörte hinter mir eine penetrante Lache und wusste, dass es das verfluchte Gekicher von dieser Tussi war, die ich auf der letzten Party kennenlernte.
Ich setzte mich zu Frank und den anderen Konsorten, die gerade Beck's tranken, selbstgedrehte Zigaretten rauchten und mal wieder irgendwelchen Dünnschiss laberten.
"Hi, Jungs."
"SOMA! ALTER SCHWEINEFICKER!"
Ich nahm mir eine Bierdose aus der Palette, die in der Mitte stand. Die paar Betrunkenen um mich herum hatten einen Gartenstuhlkreis um das Bier gebildet, als würden sie es anbeten.
"Jungs, wenn ihr eure Bierkästen als Kaaba anseht, wieso lauft ihr nich auch noch drumherum?"
"Was?"
"Egal."
Frank und Thomas lachten. Steve nahm sich ebenfalls ein Bier aus der Mitte, öffnete es und saute die ganze Kaaba-Clique voll.
"Also wo waren wir stehen geblieben?"
"Schrödingers Katze und Super Mario World."
"Metadimensionalität?"
"Ich bin mal pissen."
Ich stand auf und drehte mich in Richtung Floppy's Haus, nur um vor Lara zu stehen.
"Hi", sagte sie.
"Hi", sagte ich.
"Wir kennen uns noch von der letzten Party."
"Wie könnte ich dich vergessen, du hast quer über meine Hose gekotzt."
"Darf ich das irgendwie wieder gut machen?"
"Mädchen, damit wertest du meinen Abend regelrecht auf."
"In Floppy's Gartenhütte?"
"Gib' mir 15 Minuten."