Samstag, 21. August 2010

Ode an die Einsamkeit

Funkelnd standen die Sterne am Himmel - und ich blickte in die einsame schwarze Leere zwischen ihnen. Jedes mal, wenn ich in solchen klaren Nächten dort hinauf blickte, wurde mir die eigentliche Nichtigkeit und diese schiere sandkornartige Witzlosigkeit meiner Existenz bewußt. Jedoch war es dieses Mal anders. Keine Einsamkeit bedrückte mein Gemüt. Ich nahm eines der wenigen Male in meinem Leben diese Schönheit wahr.
Ich drückte die Einsamkeit, nahm sie fest in meine Arme. Ich streichelte sie und gab ihr einen Kuß. Sie schmiegte sich an mich, erwiderte diesen Kuß. In diesem Augenblick wurde mir klar, wie sehr ich an ihr Hing. Ich liebte sie. Und ich schloß sie noch fester in meine Arme, küßte sie erneut. Es war unbeschreiblich.
Niemals zuvor habe ich das Alleinsein so sehr genossen.

Mittwoch, 18. August 2010

Schwarz VI

Er strich sich mit der linken Hand über das kurze Haar und fischte mit der rechten eine Zigarette aus seiner Brusttasche. Es wirkte wie einstudiert und war tatsächlich eine Bewegungsabfolge die er mehrmals täglich durchführte. Der Mann blickte auf und sah zum Barkeeper hinüber, der gerade mit seinem Kaffee beschäftigt war. Das surren der Senseo und der aromatische Duft eines frisch gebrühten Kaffees verschwammen mit dem Qualm der soeben entzündeten Gauloise zu einer allzusehr gewohnten Melange. Der Barmann stellte die Tasse vor ihn hin. Er bezahlte und gab großzügiges Trinkgeld.
Der sanfte Duft stieg in seine Nase und sorgte für eine leicht belebende Wirkung. Dann trank er. Mild, würzig im Geschmack. Genau wie er es mochte. Er setzte die Tasse wieder auf dem kleinen Tellerchen ab und drückte die Zigarette aus - nicht, ohne vorher noch einen letzten Zug genommen zu haben.
Wie spät war es eigentlich? Er schaute auf die Uhr. Gleich zwölf - dann müßte sie jeden Augenblick kommen. Und in genau dem Moment des Gedankens hielten ihm zwei zarte Hände die Augen zu und er hörte dicht neben seinem Ohr die süße, wärmende Stimme Elaines flüstern: "Hey Raumfahrer!"
Er drehte sich um in der Erwartung sie in die Arme zu schließen, doch mit einem mal Stockte er in der Bewegung. Da stand sie, aber sie bot ein Bild, das er nicht erwartet hatte. Nicht, daß sie nicht umwerfend ausgesehen hätte. Nur eben nicht so, wie er gedacht hatte.
Sie war normal groß - vielleicht eins-siebzig. Ihr Haar war streng zurückgekämmt und zu einem Zopf geflochten. Sie trug eine weiße taillierte Bluse, die ihre Formen sehr schön einfaßte, dazu einen schwarzen Schlips, sowie einen schwarzen knielangen Rock. Ihre Beine steckten in ebenso schwarzen glänzenden Lederstiefeln. über den einen Arm hatte sie den Blazer und das Schiffchen gelegt und um den anderen war die unverkennbare Armbinde der Verteidigungstruppen der Eurasia-Allianz gebunden. Das war eben doch etwas anderes als das rote Kleid vom Vorabend.
"Huch!" entfuhr es ihm und dann nahm er sie in die Arme. "Verdammt! Du siehst umwerfend aus."
"Du stehst wohl auf Mädchen in Uniform?!" sagte sie kichernd und schaute ihn verführerisch an.
Er stand auf, nahm seinen Kaffee und sie gingen in eine der kleinen Sitznischen der Bar, vorbei an staunenden Gesichtern. Er war eben doch ein Hüne und mit seinen fast zwei Metern über einen Kopf größer als das zarte Mädchen an seiner Seite.


"Elaine, weißt du was gerade das Traurige an dem Ganzen ist?" flüsterte er in die Dunkelheit seiner Koje hinein, die Worte wiederholend, die er an jenem Tag zu ihr sagte. "Wenn ich irgendwann zurückkomme von dort oben - falls ich irgendwann zurückkommen sollte - werden auf diesem Planeten mehr als dreihundert Jahre vergangen sein. Ich jedoch werde keine zehn Jahre altern."
Er wurde ausgewählt, weil er keine Angehörigen hatte. Keine Eltern, keine Familie. So gut wie niemand, der ihn vermissen würde. Deswegen darf er der Pilot dieses Fluges ins Ungewisse sein.
Er stand auf, stieß sich den Kopf und fluchte. Dann die alte Bewegungsabfolge. Durchs Haar streichen, zur Brusttasche greifen, Zigarette heraus holen, anzünden. Er faßte sich an die Stirn und rieb sich im selben Zug die Augen. Waren sie tatsächlich etwas benetzt? Er hätte sich diese Trauer nicht zugetraut.
Er ging weiter in die Messe und wies Amber an etwas eßbares zuzubereiten, was er sich anschließend eher widerwillig als mit Genuß zu Gemüte führte. Ununterbrochen dachte er an Elaines unschuldiges, wunderschönes Lächeln.
"Captain." schallte es unvermittelt aus den Boxen.
"Ja, Amber?" Kalt und trocken.
"Sie sollten sich etwas ansehen."
Er verputzte eilig den letzten Rest seiner Mahlzeit und begab sich in die Kommandokapsel, wo er sich direkt auf den 'Chefsessel' setzte, wie er ihn mittlerweile nannte. Ein Blick auf die Anzeigen verriet sofort was los war.
"Amber, sag bitte, daß das nicht wahr ist."
"Ich wünschte ich könnte dem nachkommen, Captain."
Er stieß sich vom Sessel ab, schwebte zurück zur Luke, öffnete sie und begab sich in die Kammer mit den Cryostasiskapseln. Nun noch die richtige finden. L094. Und schon hatte er sie gefunden.
"Gut." sagte er als er vor dem richtigen Tank schwebte. "Amber, Ruf das Notfallprotokoll auf und stoß die Kapsel aus der Dockstation."
Die Kapsel löste sich von der Wand und schwebte ihm entgegen. er empfing sie und war dankbar für das Paar Magnetstiefel, daß er zur Sicherheit angezogen hatte bevor er die Kammer betreten hatte. Langsam Trug er sie zu einem Freien Dock und schloß sie dort wieder an.
"So, Johnny." - der Kamerad hieß Jonathan Mayer, Fahrzeugingenieur - "Ich bin froh, dich nicht jetzt schon wecken zu müssen.
Amber. Laß sämtliche notwendigen Diagnoseprogramme durch das defekte Dock laufen und gib mir anschließend Bescheid. Zeit bis zur Fertigstellung?"
"Drei Stunden und 45 Minuten."
"Sehr gut. Ich bin derweil in der Kommandokapsel." Und damit begab er sich zurück zu den Anzeigen und Bildschirmen ohne noch mal einen Blick zurück zu werfen.
"Noch etwas, Amber." sagte er, als er es sich bequem gemacht hatte - so gut es eben ging. "Über die Sache mit der Anrede müssen wir uns nochmal unterhalten."

Dienstag, 17. August 2010

Wo ist zuhause?

Es fing alles damit an, das David sein Skateboard in der Mitte beim grinden zerbrochen hatte. Er war also total angepisst und wir mussten ihn irgendwo oder mit irgendwas besänftigen. "Fickt euch!", schrie er immer wieder: "Mein Deck is kaputt, ihr könnt mich mal!"Also versuchten wir ihm gut zuzureden und schleppten ihn in irgend eine Kneipe. Bars besänftigen durchdrehende Menschen. Im Hintergrund hörte man das sporadische Pochen der Dartpfeile gegen die Scheibe. Aber meistens war es die Wand, die die Werfer trafen. David spülte schnell seine ersten zwei Bier hinunter, danach konnten wir ihn schon für ein Kickerspiel überzeugen. So etwa bei 3:7 kotzte er auf das Mittelfeld und wir verließen schnell die Kneipe. "Ich hab Hunger.", murmelte er die ganze Zeit.

Als wir ihn nach zwei Stunden nach Hause brachten, schauten wir - das heißt Katha und Ich - uns um. Inmitten von Neubaublocks. Wir setzten uns auf ein paar Schaukeln und schauten uns an. Hinter uns ging die Sonne auf, wir wollten allerdings nicht hin schauen. Das würde uns sowieso nur zeigen, dass wir den Abend übertrieben hatten und voller Sorgen, dass wir heute wieder einmal nichts geschafft haben, ins Bett gehen würden. Also schauten wir uns die Wand von Davids Neubaublock an, still, und ich fasste ihre Hand. Als es zu hell wurde, um den Zeitpunkt als Nacht zu beschreiben, sprang Katha auf und fuhr mit der C-Linie nach Hause. Der Rewe machte gerade auf und ich holte mir zwei Sesam-Brötchen. Ich steh' einfach auf die Scheißteile.

Montag, 2. August 2010

Der Morgen danach

Ich schließe meine Augen, lausche ganz tief in mich hinein, auf der Suche nach irgendeinem Widerhall des Geschehenen, aber da ist nichts. Alles was ich höre, spüre, ist das gleichmäßige Schlagen meines Herzens und das leise Rauschen meines Atems in meiner Brust. Sonst nichts. Kein Gefühl des Bedauerns, der Angst, der Verstörung, nichts. Langsam schlendere ich durch das knöchelhohe, taufeuchte Gras. Spüre die Kälte durch die leichten Schuhe hindurch. Das von meinen Füßen niedergedrückte Gras richtet sich bereits nach kurzer Zeit wieder auf, verwischt die Abdrücke. Im Osten schimmern die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke, die magische Stunde geht zu Ende, die Nacht ist vorbei.

Vielleicht hätte ich den Sonnenaufgang gern mit dir zusammen ERLEBT, Seite an Seite im feuchten Gras sitzend, mein Arm über deinen Schultern, dein Kopf an meiner Brust...

Wieder schließe ich die Augen, öffne den Damm vor meiner Gefühlswelt. Nichts als die eitle Erwartung einer Regung, das Sirren einer Mücke über einem ausgetrockneten Flussbett. Rationale Verwirrung wird verdrängt von dem rationalen Wahrnehmen der Schönheit dieses Morgens. Kein Gefühl.

Ich stelle mir vor du wärst jetzt hier, würdest fast unmerklich erschauern angesichts der Schönheit des neuen Tages und deine WARME Hand in meine legen...

Ich schlage den Weg nach Hause ein, wohin sonst? Setze langsam einen leichten Fuß vor den anderen, summe leise vor mich hin, genieße die ersten Strahlen der vorsichtig über den Horizont und durch die Wolken hindurchblinzelnden Morgensonne.

Aus den Wolken blickst du mich an. Ein letztes Mal, bevor ich anfange, dich zu VERGESSEN...

Ich schaue hinter mich, zu dem Ort an dem du liegst. Dein kleiner Wald steht still da, kein Wind, kein Atemhauch bewegt die Blätter und Äste.

Fast wünsche ich mir, du stündest in LEBENSGRÖSSE vor mir...