Samstag, 27. November 2010

Die Nummer (Teil 1)

"Maaan, wie ich grad Bock hätte, eine von diesen minderjährigen Tussis zu ficken.", stöhnte Pete halblaut.
"Ey, wir sind nicht zum Spaß hier.", gab Frank zurück, "Wir haben noch was zu tun.".
"Kannst du das nicht alleine machen und ich geh in der Zwischenzeit meinen Lümmel ins Honigtöpfchen stecken?". Er grinste und deutete auf eine höchstens 16 Jahre alte Brunette. "Die da will ich." Die irgendwie perverse Mischung aus schmolligem Kleinkind und notgeilem Halberwachsenen brachte auch Frank zum Grinsen.
"Jaa, dann geh halt, ich mach das schon."

Und so begann der Abend, an dem ich Frank und Pete zum ersten Mal traf. Natürlich hatte ich von dem Gespräch nichts mitbekommen und Frank auch erst gefunden, als Pete schon woanders war. Den sah ich später am Abend auch noch, in einer Situation, die sich tagelang hartnäckig in meiner Erinnerung festkrallte.

Nachdem ich einige Zeit ruhelos zwischen den verschiedenen Räumen und dem Garten hin- und her gelaufen war und dabei einen Liter Bier gedankenverloren in großen Schlucken in mich hineingeschüttet hatte, setzte ich mich allein in die Mitte der Rasenfläche, zog bewusst langsam das klobige, metallisch im gelben Licht der Straßenlaterne schimmernde Feuerzeug aus der Tasche, dann das rote Gauloises-Softpack, zündete mir eine Zigarette an, blies zwei Rauchringe in die Luft und legte Feuerzeug und Zigarettenpäckchen neben mich ins Gras. Ich musste nicht lang warten, bis Frank sich neben mich setzte und sich dafür entschuldigte, dass Pete "leider verhindert" sei. Kurz überlegte ich, die ganze Sache abzubrechen, aber im Prinzip brauchte ich Pete ja nicht. Irgendwo ganz tief drin war ich sogar froh, dass er nicht dabei war, nicht weil ich Angst davor hatte, ihn zu treffen, sondern einfach weil ... Tja, keine Ahnung warum. Also nahm ich den kleinen, zerknitterten Zettel von Frank entgegen, tippte die daraufgekritzelte Zahlenfolge in mein Handy, schickte sie an DIE NUMMER (so hatte ich Frank am Telefon meinen Kontakt benannt) und stellte den Timer auf 2 Stunden und 15 Minuten. Dann steckte ich das Handy weg und den Zettel in Brand, zündete mir eine Zigarette damit an und bot auch Frank eine an.

Sonntag, 7. November 2010

Das Vorbild

Das ständig in verschiedenen Farben und Formen durch die Halle flackernde Licht blendet mich, frisst sich in mein Gehirn und brennt Löcher in ethanolgetränkte Synapsenbündel. Meine Augäpfel vibrieren und außerhalb des Punktes auf den ich mich konzentriere kann ich nur noch verschwommene Muster, Formen und Menschen wahrnehmen. Direkt vor mir tanzt provokativ und aufreizend irgendeine Schlampe in einem kurzem, weißen Rock und wirft mir ihren Duft, ein Gemisch aus billigem Parfüm, Schweiß und ungewaschener Fotze ins Gesicht, bis sie schließlich verschwindet. Mir ist schlecht. Ich versuche aufzustehen und es dauert eine gefühlte Ewigkeit voll absolut würdeloser Versuche bis jemand sich meiner erbarmt, mich hochreißt und in Richtung Tür schleppt. Blicke voller Abscheu und Ekel treffen mich und ich grinse zurück, lachend, einen Speichelfaden am Mundwinkel, als gelte es, irgendwelchen Paparazzi hinter ihren blitzenden Kameras zu einem guten Foto zu verhelfen. Plötzlich schlägt mir feuchte Kälte entgegen, kurz darauf lande ich am Rand eines Gebüsches auf dem nassen, gepflastereten Boden, Regen tränkt binnen Sekunden meine Kleidung, meine verklebten Haare, mein ganzes Ich. Ein Stück Klarheit kehrt zurück und ich stelle fest, dass der Abend vorbei ist. Meine Aufgabe ist getan, sinniere ich in betrunken-zerstörter Art leise vor mich hin, die Menschen haben mich gesehen, sich vor mir geekelt, mich verabscheut, mich ausgestoßen und sich selbst damit gereinigt. Meine Aufgabe ist getan... Jetzt kann ich nach Hause gehen, beruhigt und erleichtert... Ich hangele mich an dem Busch auf die Beine, mache einen wackeligen Schritt und... Irgendetwas schießt durch die rosa Zuckerwatte, die meine Gehirnmasse geworden ist. Ich blinzele. Und wieder zischt es vorbei, diesmal langsamer. Dann fällt es mich wie ein Blitzschlag einen morschen Baum. Ich habe gar kein Zuhause...

Donnerstag, 4. November 2010

Wir haben verloren

wir krümmen uns
auf teppichen
zusammen
um nicht herunterzufallen
zusammen
um nicht allein zu sein

wir verschmelzen uns
mit flüssigem metall
miteinander
sodass unsere extremitäte nie wieder auseinanderreißen
miteinander
um nicht ohneeinander diese wege zu beschreiten

wir schauen in die sterne
und stehen bewegungslos
nebeneinander
um uns die schönsten bilder des nachthimmels zu zeigen
nebeneinander
um nicht allein in die nacht zu fallen

haben wir verloren?

Ein komischer Morgen

Ein leises Kratzen, ein leichtes Tatzen und ein putziges Schmatzen. Rike öffnete langsam und mit etwas gequälter Miene die Augen. Und da saß sie. Genau auf ihrer Brust saß diese Katze. Schwarze Streifen, braune Streifen und tiefe goldene Augen. Sie schaute Rike damit an, als wollte sie etwas bestimmtes sagen.
Ein Maunzen und ein Katzengähnen. Rike pustete sie an. Die Katze bewegte sich wahrlich keinen Millimeter von der Stelle, sondern schaute sie weiterhin aus ihren großen Augen an. Wie war diese Katze hier hereingekommen? Und dann dieser gräßliche Geschmack von der letzten Zigarette von gestern Abend.
Rike blickte auf ihren Wecker und mit einem Mal war sie hellwach. Sie packte die Katze, warf sie in die Luft, düste mit einem Affenzahn, die Worte "Scheiße" und "Fuck" hochfrequentiert wiederholend, durch das Zimmer, sammelte Klamotten zusammen, machte einen Abstecher in die Küche, drückte auf den kleinen roten Knopf an der Kaffeemaschine und blieb schlußendlich vor der Badezimmertür stehen. Da schoß es ihr durch den Kopf: Was ist denn jetzt mit der Katze? Verschlafen hin oder her.
Sie ging wieder zurück in ihr Schlafzimmer und schaute hinein. War sie weg? Und doch da oben an der Decke hing sie, nein, saß sie! Rike blinzelte, schaute noch einmal genauer hin. Nein! Das kann doch unmöglich sein. Da saß eine Katze an ihrer Zimmerdecke und schaute sie an. Sie schüttelte den Kopf und ging Duschen, Schminken, dann Zähne putzen und dann … NEIN! Zahnpasta und Kaffee! Das geht doch nun mal gar nicht! Okay. Thermoskanne ausspülen, Kaffee einfüllen und dann los.
Rike stand schon an der Tür; da überkam es sie ein weiteres mal. Sie ging zurück in ihr Zimmer und blickte sich um, aber die Katze war verschwunden. Was für ein seltsamer Morgen, dachte sie und begab sich kopfschüttelnd mit einer qualmenden Zigarette im Mundwinkel auf den Weg zur U-Bahn.