Mittwoch, 16. November 2011

Eldorado 2

Das goldene, am Innenspiegel baumelnde Dogtag blitzt in der von rechts ins Auto scheinenden Nachmittagssonne; wie ein sehr langsam eingestelltes Stroboskoplicht. Blitz... Blitz... Blitz. Ich nehme es ab, halte es mir vors Gesicht und drehe es in der einen Hand hin und her, während ich mit der anderen das riesige Fahrzeug auf der mittleren Spur der vollkommen leergefegten Autobahn halte. Kaum zu glauben eigentlich, dass ich eins der Symbole des besten Einzelgänger-Zombiejägers, von dem ich je gehört habe in der Hand halte, während ich in dem anderen eine leere Autobahn entlangfahre. "Eldorado" steht auf der Hälfte des Dogtags, die ich in der Hand halte. In feinen, verschlungenen Buchstaben. Ihr Zwilling, die andere Hälfte, liegt auf dem Steinhaufen, unter dem ich seine beinahe kopflose Leiche begraben habe. Er hat sich eben den falschen Schlafenden zum Ausrauben ausgesucht und mein Symbol - die riesige silberne 12,7x99mm-Patrone - leider zu spät, nämlich erst beim Durchsuchen meiner inneren Jackentasche entdeckt. Woraufhin er wohl lieber eine Ladung Schrot fraß, als darauf zu warten, hirn- und seelenlos durch die Welt zu ziehen.

Ich gehe vom Gas und hänge das Dogtag wieder an seinen Platz, um einer Gruppe Untoter hinter der Leitplanke beim Grasen zuzusehen. Ein dämliches Wort für ihr Verhalten, aber wie sie da so stehen, so weit wie möglich nach vorne gebeugt, den Rücken zur Sonne und die Arme hin und her pendelnd, passt es eben wie die Faust aufs Auge. Als ich vorbeifahre, schrecken einige von ihnen hoch und stieren in meine Richtung, bevor sie sich wieder nach vorne beugen und weiter Sonne tanken.

Ich fühle mich wie der König der Welt. Nicht wie in dieser behinderten und tausendmal parodierten Szene aus Titanic, sondern irgendwie cooler. Ich hab den Zombiejäger Nummer 1 besiegt, und das ganz buchstäblich im Schlaf und obwohl es nun wirklich nicht meine Absicht war. Außerdem stehe ich in dieser ganzen Scheiße zwar irgendwie zwischen den Fronten, aber auf eine ziemlich abgefahrene Art. Die Hirnlosen greifen mich nicht an, weil ich das Virus ja habe und die mit Hirn greifen mich nicht an, weil ich eben Hirn habe und, mit diesem Auto mehr denn je, aussehe wie einer von den Guten. Dass ich hochansteckend bin, muss ja keiner wissen. Jetzt ist die ganze Welt mein Eldorado, sie liegt mir zu Füßen, ich kann mir nehmen was ich will und leben wie Gott in Frankreich. Zwischen eigentlich ganz liebenswerten Zombies und etwas gestressten, aber trotzdem ganz netten Menschen.

Montag, 14. November 2011

Tiefenpeeling III

Häuser ziehen am Fenster vorbei. Das Grau des Himmels wird löchrig und einzelne blaue Flecken mit rissigen Rändern tun sich auf. Dann Spüre ich die Schräglage der Gleise und durch das Fenster hinaus beobachte ich, daß unser Zug sich unter die Oberfläche wühlt, wie ein riesengroßer Regenwurm. Schwarze Finsternis umgibt uns für wenige Sekunden bevor die Innenbeleuchtung der Bahn anspringt. In der Fensterscheibe sehe ich nun Sveta, wie sie sich umsieht, versucht unbemerkt Leute zu beobachten. Immer wieder sehe ich, wie sie sich dabei ertappt, jemanden zu lange und zu direkt anzusehen.
Ich beuge mich zu meinem Rucksack hinab und wühle darin. Eigentlich suche ich nichts bestimmtes, gebe nur vor etwas finden zu wollen. Dabei mustere ich dieses Mädchen. Ich stelle fest, daß sie noch etwas unbeholfen ist. Wahrscheinlich ist sie nicht von hier, lebt noch nicht lange in der Stadt. Während sie den Linienplan begutachtet, wirkt sie verloren, als wüßte sie nicht wo sie ist. Sie studiert ihn viel zu lange. Ich fische zwei Bierdosen aus dem alten zerschlissenen Rucksack und reiche ihr eines. Etwas perplex hält sie es fest, während ich das meine öffne — zisch-klack.
„Woher kommst du?“ frage ich aus dem blauen heraus.
„Was meinst du?“ kommt eine Gegenfrage.
„Naja ich merke einfach, daß du noch nicht lange in Frankfurt lebst.“
„Ich bin aus Rostock.“ sagt sie dann. „Bin wegen dem Studium hier. Germanistik.“ Ein zuckersüßes lächeln umspielt ihren Mund. Jetzt kann ich auch ihren leichten Akzent einordnen.
Der Hauptbahnhof zieht vorbei, wird langsamer. Der Zug hält. Wieder strömen Massen herein und heraus. Tausend Gesichter in zwei Minuten. Keines bleibt lange im Blickfeld. Graue Götterkacke auf dem Weg ins Irgendwo.
Alles beruhigt sich wieder etwas bei der Abfahrt, aber wie immer gibt es noch den einen oder anderen Reisenden, der mit seinem viel zu vollgepackten Koffern versucht einen Platz für sein zersessenes Arschfleisch zu finden.
Ich beginne mir eine Zigarette zu drehen, da fällt mir ein, daß ich wenigstens ein kleines bisschen Gentleman sein sollte und frage Sveta: „Möchstes du auch eine haben?“
„Danke, aber ich hab.“ Sie lächelt.
An der nächsten Station verlassen wir den Zug und begeben uns an die Oberfläche um zu Rauchen. Ein paar dieser flacheren Häuser scheinen vor dem Hintergrund der Bankentürme das Stadtbild hier zu dominieren. Am Himmel ist immer mehr Blau zu sehen. Und ab und an treffen uns sogar ein paar Sonnenstrahlen. In der Nähe öffnet ein Dönerhaus. Zwei Leute tragen diese Kreidetafeln auf die Straße.
Dann schaue ich Sveta an. Ihr ist kalt, das sehe ich und lege meinen Arm um sie. Sie schaut zu mir auf und lächelt wieder so dermaßen bezaubernd.
„Wollen wir einen Çay trinken?“
„Gerne.“ Ihre Augen leuchten.

Wir sitzen wieder an der Station, aufgewärmt von türkischem Tee. Ich beobachte einen Mann der in unserer Nähe steht. Offensichtlich betrunken versucht er etwas aus seinen Taschen zu holen und stülpt sie sich dabei nach außen. Sveta wird ebenfalls auf ihn aufmerksam und kichert leise.
„Was ist denn mit dem?“ fragt sie.
„Voll, würde ich mal vermuten.“
„Oh.“
„Ja. Ich denke er wird sich betrunken haben. Danach war er sicher im Bahnhofsviertel und wie er aussieht hat er bestimmt keinen hochbekommen. Schau nur, wie unbeholfen er seine Fahrkarte sucht. Aber er wird sie gleich in seiner Geldbörse finden.“ — was er in diesem Moment auch tut — „Siehst du? Ein typischer Fall von zu viel am falschen Tag ist das.“
Sveta lacht. „Du bist witzig, Ben.“
Ein paar Momente später vernehmen wir auch schon das Geräusch eines einfahrenden Zuges.

Tiefenpeeling II

Neben mir sitzt seit ein paar Minuten ein Mädchen. Schön ist sie. Schlank, vielleicht eins-siebzig groß, etwa 45 Kilo leicht, langes dunkles Haar, große braune Augen und volle Lippen. Sie ist gänzlich in schwarz gekleidet und auf ihrem rechten Oberarm prangt eine norwegische Flagge. Wahrscheinlich eine von diesen … äh … Johnny sagt immer „Bläckmetlerinnen oder so“.
Ich krame in meinen Taschen und hole meinen Tabakpäckchen sowie Longpapers heraus. Zum Glück ist es in diesem Glasabteil windstil. Ich nehme also etwas Gras und Tabak aus dem Päckchen, mische beides auf einem Paper grob zusammen bevor ich alles zu einem Joint zusammenrolle.
Ich tippe das Mädchen an, schaue fragend und zeige ihr die Lunte. Sie lächelt und nickt. Also rauche ich jetzt mit einer völlig fremden, aber gutaussehenden, Frau am Arsch von Frankfurt eine Joint auf einer Übertagestation der U-Bahn. Das hätte ich mir heute früh nicht erträumen lassen.
„Ich bin Ben, wie heißt du?“ frage ich plötzlich.
„Sveta.“ sagt sie und reichte mir die Hand. „Schön dich kennenzulernen, Ben.“
Ich erwidere den Händedruck und sage: „Gleichfalls, Sveta.“
Sie hat ein süßes Lächeln.
„Was treibt dich um diese Uhrzeit an dieses Ende der Stadt?“ fragt sie mit einem Mal und überrascht mich damit. Wie soll ich ihr jetzt erklären, daß mir langweilig war und ich mir eine Tageskarte für die U-Bahn gekauft habe.
Und da tue ich es eben einfach so, wie man es tut.
„Ja weißt du, ich habe mir aus Langeweile eine Tageskarte für die U-Bahn gekauft und bin in den ersten Zug gestiegen, der durchfuhr.“ Ich lache leise und schaue auf den Betonboden. „Bald werde ich wieder in irgendeinen dieser Züge steigen und an einer anderen Stelle der Stadt auf einem Bahnsteig sitzen und mich umsehen, hinsetzen, über nichts nachdenken und einfach nur die Stadt von unten beobachten.“
„Das klingt wundervoll.“ flüstert sie beinahe unhörbar.
„Ich habe dabei nicht wirklich Schönheit und Wundervolles im Sinn gehabt.“ sage ich und fahre fort, „Irgendwie konnte ich nicht Heim. Es erdrückt mich dort“ — Warum erzähle ich ihr das? — „und die Stadt lenkt mich ab.“
„Kann ich ...“ beginnt sie, bricht aber plötzlich ab.
„ … mich begleiten?“
„Ja.“ ein Flüstern nur.
„Es wäre mir eine Ehre.“ antworte ich, bevor sie es sich anders überlegen kann.
Sie drückt den Joint mit dem Absatz ihres linken Stiefels aus, steht auf und geht zum Fahrkartenautomaten.
Ich schaue mir die Überdachung an. Modernes Wellblech — das Eckige, nicht das Runde von früher. In den Vertiefungen sind Neonröhren. Gerade sind sie nicht eingeschaltet und man sieht wie verschmutzt sie sind.
„Hey!“ höre ich Sveta neben mir.
Ich stehe auf und schaue in Richtung Stadtrand, sehe eine Bahn kommen.
„Nehmen wir die?“ fragt sie lächelnd.
„Warum nicht?!“ antworte ich und grinse.
Das Mädchen hakt sich bei mir ein und wir stellen uns an den Bahnsteigrand.
Es ist sicher nicht verkehrt eine Begleitung zu haben, denke ich und lächele in mich hinein.
Vor uns öffnen sich die Türen und ein Schwall Menschen quillt heraus. Allerdings scheinen Sveta und ich eine Respektbarriere zu besitzen die niemand aus der grauen Masse zu durchbrechen wagt oder gar fähig ist. Es ist wirklich nicht verkehrt eine Begleitung zu haben und meine ist gerade wahrlich wundervoll.

Freitag, 11. November 2011

Eldorado

Ich öffne die Augen, aber es bleibt schwarz. Ich höre das Brabbeln eines V8-Motors im Leerlauf irgendwo links von mir. Warum kann ich nichts sehen? Der erste Gedanke: "Scheiße, ich hab zu viel von dem selbstgebrannten Wodka gesoffen.". Dann der Verstand leise: "Es ist Nacht, Holzkopf." Okay, es ist also finsterste Nacht, ohne Sonne, Mond und Sterne und ich liege auf etwas, das sich wie eine Isomatte auf einer alten Matratze anfühlt. Nicht weit weg steht ein Auto mit laufendem Motor. Der Luft nach zu urteilen bin ich nicht in einem geschlossenen Raum. Außerdem fühlt sich der Boden unter der Matratze kalt und feucht an, wie Asphalt oder rauher Beton sich nachts eben anfühlt. Ich richte mich langsam auf und krieche auf allen Vieren herum, bis sich das unsaubere Grummeln des Motors direkt neben mir befindet. Taste nach dem Auto. Meine Finger berühren kaltes Metall, eine Kante, dann, knapp darunter einen Reifen. Kalt. Also steht das Auto wohl schon länger hier. Warum ist der Motor an? Ich krabbele weiter, die linke Hand auf dem Boden vor mir, die rechte am Kotflügel entlangstreifend, auf der Suche nach einem Türspalt. Da ist der Spalt, einen halben Meter weiter auch der Griff. Ist aber abgeschlossen. Ich wage es aufzustehen und tapse mit vorsichtigen Schritten um das riesige Fahrzeug herum. Es ist wohl ein amerikanisches Coupé aus den Fünzigern oder Sechzigern, jedenfalls den ausladenden Karosserieelementen nach zu urteilen. Senkrechte Flossen über den hinteren Kotflügeln, projektilförmige, spitz zulaufende Rückleuchten. Ziemlich sicher ein Cadillac Eldorado. Aus der ersten Generation. Da ist die andere Tür. Nicht verschlossen. Ich öffne sie und die Innenraumbeleuchtung brennt mir Löcher in die Netzhäute. Mit tränenden Augen blinzle ich ins Fahrzeuginnere, drehe mich sofort wieder um und kotze auf meinen Schatten. Nachdem sich mein Magen wieder etwas beruhigt hat und mein Kopf sich mit der Szenerie abgefunden hat, zerre ich den mehr oder weniger kopflosen Typ von Fahrersitz und löse seine Finger von der vollkommen mit Blut und Gehirnfetzen versifften Schrotflinte, bevor ich anfange, ihn und meinen neuen Wagen nach weiteren nützlichen Gegenständen zu durchsuchen...

Donnerstag, 10. November 2011

Rast am Irken-Riff

Nillias hielt einen Moment inne, schloss die Augen und nahm einen tiefen Atemzug, welcher ihm die Meeresluft tief in seine Lungen pumpte. Er vermisste den Wind, erhoffte sich sogar einen Sturm, jedoch war er sich bewusst, dass hier an den endlos hoch scheinenden Klippen des Irken-Riffes nie auch nur ein Windhauch vorbeizog. "Das Riff ist so voller böser Seelen, dass selbst der Atem der Götter vor diesem Schauplatz zerstaubt.", flüsterte Sedan. Sein flüstern verwandelte sich an den Wänden der Klippe zu einem unheimlichen Echo, welches Nillias frösteln ließ. Weit unter ihnen befand sich die sich bis zum Horizont ziehende Golgatha der Zwerge. Sie mussten irgendwo hinter ihnen in den verschlungenen Gängen des Androth-Berges lauern. Nillias zog das Schwert aus seiner Lederscheide, welche durch die zahllosen Kämpfe bereits rissig war. Das Schwert hingegen, welches ihm sein Vater vermachte, als die Zeiten noch besser waren, schien makellos und die eingravierten Sprüche der alten Magier waren zwar von festgekrusteten Blut überzogen, jedoch waren sie noch einwandfrei zu lesen. "Es ist mein Geist, nicht mein Schwert, welcher dich tötet.", flüsterte Nillias. "Und es ist die Bedeutungslosigkeit, nicht die Fäulnis, welche dich in in das Nichts auflöst.", beendete Sedan. Sie schauten sich einen Moment in die Augen und setzten ihre Reise gen Heimat fort.



geschrieben während jenes Lied gehört wurde.

Mittwoch, 9. November 2011

Amphetamin II

"Naja, nachdem er sich halt vollgeschissen hatte, meinte er nur noch flennend zu uns, wie schwer es doch sei ein Einzelkind zu sein. Er habe aus Rebellion bereits angefangen sein Zimmer partiell anzuzünden und, warte mal..." Sega legte sich eine weiter Bahn zurecht und sog sie durch sein linkes Nasenloch in die Tiefen seines Körpers, als würde einfach alles an und in ihm aus einem organischen Staubsauger bestehen. Nachdem die Bahn weg war, atmete er noch einmal tief ein, damit auch nichts aus der Nase fiel und während eine Träne aus seinem linken Auge, welches direkt über dem Speed-Staubsauger saß lief, beendete er den Satz: "...naja und dann ist er mit 'nem Cutter-Messer auf sein Mobiliar und so weiter losgegangen. Letzten Endes hat er drei Löcher in sein Plüsch-Pikachu geschnitten und das penetriert er jetzt regelmäßig." Lucy sah auf: "Kann ich bezeugen man, das Teil is' knüppelhart, ist kaum noch als Plüschtier zu erkennen."
Ich nahm die von Sega vorgelegte Bahn dankend an und etwa zwei Minuten später lief mir ein ekelhaft bitterer Geschmack den Rachen hinunter. Ich schaute auf die Uhr. 10:30. Verdammt, seit 36 Stunden nicht geschlafen und das Bedürfnis nach einem Bett schwand bei jedem Nachlegen und verzog sich zurück in eine dunkle, mit minimal dekorierte Ecke.
"Ich müsste mal molchen.", quoll es mir aus dem Mund.
"Na da hinten links is' die Toilette. Weißt du doch."
"Jaman, aber Mikel hängt da schon seit 'ner Stunde und kotzt permanent."
Da sieht man es ein weiteres Mal. Gras und Alkohol bringen dich zum Kotzen, alsbald du nur eine Gräte bewegst. Amphetamine hingegen...
"Ach dann piss' halt in's Waschbecken."
Ich nahm seine Aussage wahr, legte sie jedoch in meinem Unterbewusstsein ab. Noch könnte ich warten. Später würde ich vielleicht darauf zurückgreifen.
Stattdessen stand ich auf und schleppte mich, Selbstgespräche führend in Richtung Toilette.
Klopfen.
"Ey Mikel."
Von der anderen Seite der Tür hörte man ein leises Röcheln.
"Ich komm jetzt rein man."
Ich öffnete die Tür und sah meine Kumpanen mit dem Kopf in der Kloschüssel, wild kotzend.
Zurück in's Wohnzimmer.
"Lasst den mal umlagern oder so."
Danach ging alles ganz schnell. Zwei Typen liefen gen Toilette, verfrachteten Mikel's Kopf in einen Eimer und schleppten ihn in ein separates Zimmer, wo er neben des Kotzens noch ein wenig schlafen konnte.
Ich spülte, bevor ich pisste, pisste, schaute mir mein Urin an, empfand es als leuchtend, strahlend, spülte noch einmal, wusch mir Hände und Gesicht und dann war ich wieder im Wohnzimmer.
Sega zockte FIFA2012 auf seiner XBOX und Lucy chillte im Sessel rum. Die beiden Typen, welche eben noch Mikel in das andere Zimmer verfrachteten, standen nun auf dem Balkon und unterhielten sich über Liedermacher. Die Stimmung war an sich sehr entspannt, bis Lucy das Schweigen brach.
"Ey Soma?"
"Hm?"
"Ich bin untersext."
"Dito. Lass uns zusammen tun, um dieses Problem zu beheben."
Lucy sah zwar schon ziemlich verbraucht aus, speckige Haare, Augenringe ohne Ende und dünne Zahnhälse und wahrscheinlich würde sie ohne Gleitcreme nicht einmal mehr feucht werden, aber der Trieb siegte und ich verzog mich mit ihr in Sega's Zimmer.

Dinner bei Tom - Tom's Abend

Es war eher ein stummes Gewitter. Man sah zwar die Blitze, wie sie den Himmel für Sekundenbruchteile erleuchteten, jedoch kam es einem eher so vor, als würde irgendwer aus einer dunklen Ecke heraus Fotos schießen. Der Stadtverkehr übertönte einfach den Donner, welcher noch viel zu weit weg erschien. Der Regen war nach Tagen endlich ein richtiger Regen geworden. Ergiebig. Große Tropfen klatschten um mich herum auf das Kopfsteinpflaster und hinterließen winzig kleine Pfützen bei jedem Aufschlag. Die letzten Tage war es eher ein Nieselregen und die Kleidung war durchgeweicht und man wusste überhaupt nicht warum. Durch den Regen brachen sich die suchenden Lichter von Scheinwerfern, die sich langsam auf dem Parkplatz nach vorn tasteten. Es wehte bloß ein schwacher, aber dennoch recht kalter Wind. Ungewöhnlich für mitte Juli. Erschrocken warf ich meine Zigarette weg, welche in den letzten paar Minuten langsam vor sich hin glomm, anstatt von mir geraucht zu werden. Ich hasse Brandnarben, die schmerzen noch tagelang. Ich hatte zwar keine Lust noch eine zu rauchen, zündete mir jedoch umgehend danach eine Weitere an, nur aus diesem Gedanken, eine Kippe aufzurauchen, da es mir ansonsten immer so unfertig vor kam. Nach zwei Zügen und einem kurzen Blick auf die Uhr, verwarf ich den Gedanken den Glimmstängel leerzusaugen und flüchtete zurück durch die Tür des Personaleingangs.
"Tom, die Kunden stapeln sich fast schon."
"Hm, ich geh' gleich vor."
"Irgendwie geht's dir in letzter Zeit nicht ganz so gut, hab' ich das Gefühl."
"Später, Martha, ja?"
Martha war das Mädchen aus der Vorschicht. Wir arbeiteten beide in der selben Tankstelle. Ich setzte diese überaus alberne Mütze und ein gekünseltes Lächeln auf und stellte mich hinter den Tresen. "So, wer ist denn der nächste?"

Tiefenpeeling I

Der Geruch von warmem Gummi liegt in der Luft und doch ist es arschkalt. Die Fliesen an den Wänden sind dreckig. Die Leute auf den Metallsitzen davor zum Teil ebenfalls. Da Sitzt ein Banker neben Oma Krause aus dem Altersheim und Peter Fragmichnicht steht zwei Meter weiter, traut sich nicht einmal den versifften Punk – mich – vor ihm nach einer Zigarette zu fragen.
Ich rauche, frage mich, was ich heute tun soll. Hab ja eh keinen Job. Viel Geld in der Tasche hab ich auch nicht, aber es reicht irgendwie für eine Tageskarte durch Frankfurt. Warum sollte ich das nicht mal nutzen. Hab ich noch nie gemacht. Der stumme Peter guckt kurz hoch und sieht sich um, stiert danach wieder auf den Boden wie ein lethargischer Rhesusaffe auf kaltem Entzug.
Langsamen Schrittes, ich merke immer noch dieses psychosomatische Beben in den Knochen, gehe ich also zum Fahrkartenautomaten, wähle die scheiß Tageskarte und stopfe meine verdammten letzten zehn Euro in den Geldschlucker vor mir. Nach ein paar Sekunden ist das Papier bedruckt und etwas Rückgeld klappert hinterher.
„Dreifuffzig!“ murmele ich so vor mich hin, wie ich es in der Hand halte. Die Bahnhofsdurchsage kündigt gleichzeitig den einfahrenden Zug an. Ich blicke mich um. Am Ende des Bahnsteigs sehe ich zwei Ordnungsbullen. Na heute aber nicht, denke ich dann bei mir und lasse die Zigarettenkippe fallen, trete einmal drauf, kicke sie unter den Automaten.
Ich drehe mich um.
Der stumme Peter steht plötzlich wieder dicht neben mir. Was hat der Typ eigentlich? Ich weiß nicht einmal wie er wirklich heißt. Er steht immer nur in dieser Station herum und macht eigentlich nichts. Unheimlicher Kerl.
Der Zug fährt ein und haufenweise Menschen quellen aus ihm heraus. Ja sie quellen. Wie zäher Honig oder Schleim. Oh, Schleim. Ja das gefällt mir. Sie quellen heraus wie Schleim. Grüner ekliger, verschissener Nasenrotz. Der Scheiß der einem direkt die Arschhaare zu Berge stehen läßt.
Bei dem Gedanken schmunzele ich vor mich hin und merke gar nicht, wie ich in den Zug steige und mir eine Platz suche. Auf jeden Fall sitze ich mit einem Mal auf einem dieser grauenhaft gepolsterten Plätze und habe meinen 12 Jahre alten Armeerucksack zwischen die Unterschenkel geklemmt, jedoch nicht ohne mir vorher eines dieser widerlichen Dosenbiere herauszufischen.
Eine Frau geht vorbei und guckt mich strafend an. Sie sieht ganz gut aus aber ich interessiere mich nicht wirklich dafür und rotze ihr nur ein grimmiges „Was guckst'n so!“ entgegen.
Der Zug fährt ab und geleitet mich in die Unterwelt. Schwarze Wände huschen an mir vorbei und Nach ein paar Stationen sitze ich auch schon nicht mehr allein in diesem Viererabteil – nennt man das so? Ich weiß das echt nicht!
Neben mir sitzt eine Ziemlich fette Frau mit üblem Körpergeruch, aber ich bin wahrscheinlich nicht viel besser, wo ich doch seit drei Tagen nicht geduscht hab. Vor mir ist ein Junges Mädchen, wahrscheinlich nicht einmal halb so alt wie ich, und guckt aus dem Fenster. Vielleicht fährt sie gerade in die Schule oder so etwas. Daneben ein Bulle der gähnt wie ein Scheunentor. Vielleicht hat er Nachtschicht gehabt. Auf seinem Hemd kann ich zumindest eindeutig Kaffeeflecken und einen klecks Puderzucker, wie man ihn für Donuts verwendet ausmachen. Klischeescheiße, ich glaubs nicht. In Wirklichkeit würde es sich wohl als Koks herausstellen.
An der nächsten Station steige ich aus. Sie ist oberirdisch und ein kalter Wind zieht durch. Auch meine Zigarette will nicht wirklich angezündet bleiben, also werfe ich sie weg. Ein letzter Schluck vom Bier und dann stecke ich die Dose zurück in meinen Rucksack. Ist doch Pfand drauf.

Donnerstag, 1. September 2011

Klick

Da ist er, der berühmte nächste Morgen, an dem man eigentlich durch Kopfschmerzen und Schnapsatem hindurch sowas wie eine universale Wahrheit zu erkennen glaubt. Der Moment wenn man merkt, dass etwas "Klick" gemacht hat und plötzlich alles wieder gut ist. Aber Bullshit. Nichts ist gut, mein Atem riecht nach Kotze und Schnaps, mein Kopf fühlt sich an wie ein Fledermausnest in einer läutenden Kirchenglocke, aber da hört die Verwandschaft zu dem von früher bekannten Nächster-Morgen-Gefühl auch schon auf. Der Schalter ist kaputt, er macht nicht "Klick", sondern höchstens noch "Krx". Irgendwas hat ihn verklebt oder verkantet. Hab ich ihn vielleicht selbst mit ner halben Rolle Panzerband festgetaped, weil ich Angst hab vor diesem leisen, aber bestimmten "Klick"?
Ratlos stolpere ich zum Waschbecken und halte den Kopf unter eiskaltes Wasser, aber außer noch mehr Kopfschmerzen bringts nichts. Wie fängt man denn so einen Tag an? Keine Ahnung, keine Erfahrung damit. Rastlos tigere ich durchs Haus, stoße zweimal fast mit Frank zusammen, der irgendwas sucht, trinke zwei Tassen Kaffee, muss davon kotzen, will mir ne Tüte bauen, muss aber feststellen dass das Gras verschwunden ist (das sucht Frank also), begnüge mich mit ner filterlosen Zigarette, muss husten, schlucke den Kotzreiz gerade noch so wieder runter, fühl mich scheiße. Einfach scheiße. Nicht antriebslos oder gelangweilt oder depressiv, auch nicht einsam (hab ja Frank, der immer verzweifelter rumrennt), sondern einfach nur so als wär ich schon tot, ohne dass mans meinem Körper schon gesagt hat...

Something About Us

Mein Kopf fühlte sich an, als hätte irgendein verrückter Doc mir mit einem Laser jede zweite Zelle aus dem Hirn gebrannt. Leer fühlte es sich da oben an, verbrannt und irgendwie neblig. Ein leises Klappern hinter mir ließ vermuten, dass jemand versuchte, die Tür zu öffnen ohne dabei den Stuhl umzuwerfen, den ich davorgeschoben hatte, aber ich machte mir nicht die Mühe mich umzudrehen, sondern starrte weiter die bunt vor dem dunkelblauen Novembernachthimmel schimmernde Skyline an. "Weißt du Mann, manchmal is es zwar die Richtige, aber man selbst is nich der Richtige.", nuschelte Pete, lehnte sich rücklings an das Stahlgeländer und schob die Zahnbürste vom linken in den rechten Mundwinkel. "Ey!", blaffte ich ihn an, "Seh ich echt so aus wie jemand, der Beziehungstipps braucht von nem Typ, der seit zwei Tagen mit ner Zahnbürste in der Fresse rumrennt?!" Kurz starrte Pete mich ratlos aus seinen stahlfarbenen Augen an, grinste dann und hielt mir die Zahnbürste hin. "Willst du auch mal? Du stinkst wie ein Penner." Ich stierte ihn an. "Verpiss dich." Die Worte hatte ich eigentlich nur denken wollen, aber Petes einfaches Gemüt schien mir zu verzeihen, noch bevor ich auch nur an eine Entschuldigung denken konnte. "Okay, sag Bescheid wenn du was brauchst. Oder wenn dir jemand deine ungewaschenen Haare halten muss." Ohne ein weiteres Wort schob er sich die Zahnbürste wieder in den Mund, lächelte und verzog sich nach drinnen. Kurz überlegte ich, ihm nachzurufen, entschied mich dann aber doch dagegen, zog ein Haargummi aus der Tasche, band mir die Haare hinten zu einem Zopf zusammen und kotzte mal wieder auf die Straße.
Während ich noch hustend die letzten Reste Magensäure hochwürgte, schoss mir durch den Kopf, dass Pete vielleicht gar nicht so sehr daneben gelegen hatte mit dem was er gesagt hatte. Natürlich war sie die Richtige. Aber war ich der Richtige? Und war die Zeit die richtige? Was hieß überhaupt richtig oder falsch? Kotzebrocken von den Mundwinkeln wischend beschloss ich, der Richtige zu sein. Gleich ab morgen früh...

Donnerstag, 25. August 2011

Sterne

Da ist sie wieder, die Sehnsucht nach dem Unerlebten. Es heißt, man könne etwas nicht vermissen wenn man es nicht kennt. Bullshit. Warum sitz ich denn hier, mit ner unangezündeten Kippe in der Fresse, mit eingeschlafenen Armen, und starre in die Sterne. Bestimmt nicht weil sie so schön sind. Sondern weil sie ein Symbol sind. Ein unzureichendes, kleines, popeliges, nicht mal halbwegs befriedigendes Symbol, aber das einzige das ich habe. Die einzige Rechtfertigung, die ich der in Hut und Mantel von dannen ziehenden Gelegenheit hinterherschmeißen kann.
Ich kann mir doch auch nicht einfach einen Stern aussuchen und hinfliegen. Und wenn ichs könnte, dann würde ich nicht. Wäre ja loco. Bescheuert. Naja, und wenn man der Wissenschaft glauben kann, dann haben die Sterne ja auch längst Hut und Mantel an und verpissen sich. Und trotzdem lieg ich hier, die kribbelnden Arme von mir gestreckt, die unangezündete Kippe im Mundwinkel. Auf Asphalt. Und starre in den schwarzen Himmel mit den kleinen weißen Funkeldingern. Irgendwann werd ich mir nen Stern aussuchen. Hut und Mantel hab ich ja schon. Dann ist nichts mehr Bullshit und nichts ist loco. Dann ist alles drin.
Alles.

Mittwoch, 24. August 2011

Wolfs Jersey-Theorie

Also okay, wir saßen mal wieder an einem Mittwoch in der "Endstation",
unserer Stammkneipe. Eigentlich hatte ich Frühschicht und musste um vier
aufstehen, jedoch habe ich meist nur eine Motivation am Sonntag und Montag
um 10 oder so ins Bett zu gehen. Mittlerweile war es halb zwölf und Moni,
unsere Barfrau, brachte uns drei weitere Pils an den Tisch. Die Gespräche
der letzten paar Stunden waren für Kneipenverhältnisse recht vielschichtig.
Von Drogen über Politik bis hin zu Filmen. Jedenfalls glaubte ich, eine
Vielschichtigkeit irgendwo erkennen zu können.
Irgendwann kamen wir zu dem Thema Einsamkeit, Weltschmerz und Hoffnung in die
übriggebliebene Menschenmeute, die sich nicht nach diesem ganzen Trend-scheiß
richtet. Nachdem wir sämtliche gegenwärtigen Typen durchgekaut hatten, kam
Wolf zurück vom Pissen und setzte sich wieder in unsere kleine Runde. Er zündete
sich wortlos einen Cigarillo an und atmete tief und lang ein.
So etwas wie ein Zeichen, das er etwas mehr, als lediglich ein paar Sätze und Konter
zu bieten hatte.
"Also ich möchte euch jetzt mal etwas erzählen.", begann er:
"Ihr kennt doch alle den Film 'Dogma', oder? Da gibt es am Anfang diese Stelle, an der
Ben Affleck mit Matt Damon am Flughafen sitzt und zu ihm meint, dass er es mag, wie die
Leute sich empfangen und sich freuen. Ich traf irgendwann einmal den Umkehrschluss und
dachte darüber nach, wie es den Menschen wohl ergeht kurz bevor sie fliegen.
Also setzte ich mich einfach mal an den frankfurter Flughafen und studierte die Leute.
Ich hatte den Nachmittag eh frei und fuck, was sollte ich sonst machen?"
Die Geschichte schien wohl doch eine Längere zu werden, demnach bestellte ich mit einem
dezenten Fingerzeig noch eine Runde für die kleine Gruppe, frumelte mir eine Pall Mall rot
aus der 5-Euro-Packung und steckte sie mir unangezündet in den Mund.
"Da war gar nix, ein wenig Freude, aber viel Angst. Und auf jeden Fall eine Menge an Leuten,
die einfach so allein da saßen. Total frustrierend also. Etwa zehn Meter von mir entfernt
saß eine Studentin. Ein wenig auf ihrem Laptop herumklimpernd, aber dennoch stillschweigend
auf ihren Flug wartend. Ich kann euch heute nicht mehr sagen, weswegen ich das tat, jedoch
setzte ich mich einfach so zu dem Mädel und fing ein Gespräch an.
Ich: 'Hallo.'
Sie: 'Hi.'
Ich: 'Wohin fliegst du?
Sie: 'Erfurt.'
Ich: 'Na hast du denn niemanden, der dich hier her bringt?'
Sie: 'Nee, keine Ahnung, alle im Stress...'
Ich: 'Das doch scheiße...'
Ihr Flug wurde ausgerufen und sie stand auf. Ich im gleichen Moment auch.
Sie fragte mich noch, ob ich auch mit diesem Flieger Frankfurt verlassen würde.
Ich verneinte und umarmte sie einfach still mit den Worten 'damit du wenigstens beim weg-
fliegen das Gefühl hast, dich hätte jemand hier her gebracht und wird dich auf diese un-
bestimmte Zeit vermissen.' Sie lächelte und wandte sich dann ab, um in ihren Flieger zu steigen.
Ich hab' keine Ahnung ob ihr das irgendwas bedeutete, aber in dem Moment war es, als hätte
ich einen Menschen tatsächlich glücklich gemacht. Auch wenn es nur für einen Moment war."

Dann hielt Wolf inne und zog sich verbal wieder in den Hintergrund zurück, während sich
der Rest über Kevin Smith-Fiölme unterhielt. Wenn ich ihn flüchtig anschaute und in seine
melancholisch blickenden Augen sah, sah ich, dass diese Umarmung für ihn viel mehr Wert hatte,
als der zuhörende Stamm glaubte. Vielleicht viel mehr, als diese damalige Frau glaubte.
Ich exte mein Bier, stand leicht torkelnd auf, fest in dem Bewusstsein dass diese dreieinhalb
Stunden bis um vier zum Schlafen reichen und machte mich auf den Heimweg.
Unterwegs schrieb ich Wolf noch eine SMS mit dem Inhalt "Auch dein Flieger kommt irgendwann."
Erst am nächsten Tag erhielt ich die Antwort. "Danke."

Montag, 8. August 2011

Verregnet

„Laut den örtlichen Behörden von Tuba City, Arizona gab es bei dem Brand in dem Highway-Restaurant keine Überlebenden.“ – Die Nachrichtensprecherin schaute kurz auf ihre Notizen. – „Es wird vermutet, daß der Brand von den zur Zeit meistgesuchten Verbrechern der Vereinig- ...“ An dieser Stelle schaltete ich das TV-Gerät ab und streckte mich auf der Couch. Die Chipstüte am Fußende fiel raschelnd und knisternd herunter, verstreute ihren Inhalt auf dem Fußboden. Ein kurzer Anflug von Ärger, den ich jedoch sofort wegdrückte, überkam mich. Ich stand auf und räumte das Gröbste weg. Dann beseitigte ich den Rest.
Es regnete eigentlich schon den ganzen Tag und dabei wollten Liz und ich uns eigentlich mit Tripp, Pete und Frank treffen. Ich schaute auf mein Mobiltelephon und legte es wieder fort. Ich gähnte und streckte mich wieder, rieb mir die Augen mit den Fäusten. Während ich so da saß packte mich immer mehr Langeweile. Am liebsten hätte ich mich wieder ins Bett gelegt, aber das wurde komplett von Liz beansprucht und sie mochte es gar nicht geweckt zu werden, also ließ ich sie schlafen. Ich rollte mir fix eine Zigarette und begab mich auf den Balkon um sie zu rauchen. Ich trat durch die Tür hinaus und sogleich trafen mich kleinste Tropfen feuchten Nieselregens. Das störte mich aber nicht. Ich kramte in meiner linken Hosentasche und dann in der rechten, nur um schlußendlich in meiner Sweaterjacke ein Feuerzeug zu finden. Unglaubliche Verpeiltheit. Ich zündete die Zigarette an und tat den ersten Zug. Bittersüßer Rauch quoll meinen Rachen hinab und füllte meine Lungen. Kurz hielt ich ihn ein und stieß ihn dann wieder aus. Der leichte Wind trug die Rauchwolke fort und der Regen zerstieß sie; bis sie nicht mehr erkennbar war vor dem Hintergrund des Grauen Himmels.
Etwas strich über meinen Rücken. Ich drehte mich um.
„Hey Süßer.“ säuselte Liz und lächelte mich verschlafen an.
Sie kam langsam auf mich zu lehnte sich an mich und bewegte meine Zigarettenhand zu ihrem Mund um selbst einen Zug von der Zigarette zu tun. Sie genoß es richtig.
„Hast du gut geschlafen?“
„Hervorragend!“
„Wunderbar.“
Ich streichelte durch ihr Haar und roch daran. Sie trug ein Aroma an sich, das mich dahinschmelzen ließ.
„Was ist mit dem Treffen heute?“ fragte sie leise.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht sollte ich absagen und wir schauen einfach einen Film oder machen irgendwas anderes drinnen … das Wetter kotzt mich sowas von an heute.“
„Ach Quatsch, Wolfi! Wir machen das. Laß dir nicht vom Wetter die Laune nehmen.“ antwortete sie viel wacher, als sie eben noch war.
„Na gut.“ sagte ich lächelnd.
Sie drehte sich um, wackelte einmal kurz mit ihrem teuflisch heißen Hintern und ging wieder in das innere der Wohnung. Ich konnte mir ein gigantisches Grinsen nicht verkneifen. Das war immer so, wenn sie das tat.
Als ich aufgeraucht hatte ging ich ebenfalls wieder hinein. Vor dem CD-Regal blieb ich stehen und nahm blind eine hinaus. Eine halbe Minute später ertönte Carry On Wayward Son von Kansas durch die Wohnung und hob meine Stimmung noch einmal erheblich.

Mittwoch, 27. Juli 2011

Where is my mind?

Während sich unsere Lippen vorsichtig zum ersten Mal treffen und ich mich noch frage, woher auf einmal das Feuerwerk vorm Fenster kommt, schleichen sich heimlich die ersten Akkorde von "Where is my mind" von den Pixies in meinen Kopf...
Alles hätte so einfach sein können, so gewöhnlich, so bedeutungslos. Flirt, Kuss, Sex, fertig. Wie hätte ich denn mit so was rechnen können? Wieso können denn ein gar nicht mal so guter Song und ein illegales Kleinfeuerwerk mich dermaßen in die Scheiße reiten? Gefühle ex machinae oder was? Und jetzt sitz ich auf Emotionen, die ich nie wollte. Und auf nassem Waschbeton.
Kalter Regen mischt sich auf meinem Gesicht mit warmem Salzwasser. In einem Spalt in den Betonplatten wächst ein Gänseblümchen. Es scheint sich gegen die schweren Regentropfen zu stemmen. Oder es will sich an ihnen betrinken.
"Betrunkene Gänseblümchen sagen immer die Wahrheit", schießt es mir durch den Kopf. Aber ich scheiß auf Gänseblümchen.
Und Wahrheit gibt es nicht.

Dienstag, 21. Juni 2011

Fake Memories

Manchmal wünsche ich mich in diese ganz besondere Zeit zurück. Diese Zeit, die jeder anders erlebt hat und doch irgendwie alle gleich. Die Zeit in der man sich kollektiv mit karierten Nietengürteln und schwarzen Jeans individualisiert hat. Aber noch bevor der Kommerz das alles zunichte gemacht hat. Oder vielleicht war es auch da schon Kommerz, vielleicht war ich, waren wir alle einfach zu jung um Begriffe wie Individualität und Kommerz nicht durcheinanderzuwerfen. Vielleicht, vielleicht. Vielleicht war das ja die beste Zeit bisher. Die beste Zeit, die wir immer als die schlimmste in Erinnerung haben werden. Naja, wir warfen ja auch Liebe und Trieb in den Mixer um uns die raustropfende Brühe als puren Schmerz in die Adern zu drücken. Von hier aus sieht er so klein aus, so bittersüß-harmlos. Ein leichtes Ziehen in der Brust und melancholische, wirklichkeitsfremde Gedanken bringt er hervor. Merkwürdiges kleines Ding in meinem Kopf. Aber irgendwann macht es sowieso immer Zack! und man ist wieder in der Realität. Und ich weiß dann nicht, ob ich dahin zurückwill. Oder ob ich mir ne Platte von Paramore anmachen und noch ne Weile dableiben soll. Aber dann fällt mir ein, dass ich nie Paramore gehört hab. Zack!

Dienstag, 24. Mai 2011

2-face

Ich stehe auf. Der Tag hat längst begonnen, Sonnenlicht mischt sich mit weißgrauen Wolkenschleiern und fällt vom Himmel. Ich bekämpfe den allmorgendlichen Kotzreiz mit einigen Zügen frischer Luft. Spüre wie der Dreck der Nacht aus meinen Lungen getragen wird und sich in unsichtbaren, stinkenden Schwaden mit dem Wind hin und her bewegt. Ich stelle mich vor den Spiegel und starre mir selbst in die Augen. Sie glitzern. Ein Melodramatiker hätte dieses Glitzern als ungeweinte Tränen bezeichnet. Meine Haare stehen nach allen Seiten ab, wie jeden Morgen. Aber nicht in der kruden Ästhetik des Punk, sondern in der abstoßenden Nicht-Ästhtetik meiner Person. Hektisch entferne ich die gröbsten Knoten, versuche Ordnung zu bringen in diese strähnige, mich anwidernde Unordnung. Ich schaue an mir herab. An dem maroden, mit unsauberer Haut überzogenen Knochengerüst. Und ekele mich vor der Art, in der Knochen und Sehnenstränge deutlich sichtbar ein Muster zeichnen. Ein Muster, das Minderwertigkeit bedeutet.

Ich stelle mich unter die Dusche. Lasse heißes Wasser auf mich niederprasseln, bewegungslos, erstarrt in der Hoffnung, das Wasser werde mich auflösen und mitnehmen auf seinem Weg in die Kanalisation, langsam abkühlend und schließlich in einem Becken voll wässeriger Scheiße landend. Der Gedanke, dass ich das Becken voller Scheiße schon erreicht haben könnte, reißt mich aus der Starre und ich beginne, mir den sich stetig ansammelnden Dreck meiner bloßen Existenz vom Körper zu reiben, zusammen mit kleinen Hautstückchen. Dünne, blutige Wasserfäden bilden einen flachen Strudel zwischen meinen Füßen.

Ich trete aus der Dusche, wische mit der Hand über den beschlagenen Spiegel und betrachte mich. Meine Augen glitzern nicht mehr wässrig, sondern strahlen ein wunderschönes Braun in die Welt, kein Knoten und keine abstehende Haarsträhne stört die perfekte Ich-Ästhetik. Nacheinander spanne ich die sich leicht unter der Haut abzeichnenden Muskeln an. Zufriedenheit durchströmt mich, Freude, und ein unbeschreibliches Gefühl von Sieg und Niederlage zugleich.

Sonntag, 22. Mai 2011

Amphetamin 1

Sind wir denn nicht alle nur so etwas wie diese eigenartigen Hüllen, welche um die Zigarren sind, um sie aufzubewahren? Um irgendetwas in uns frisch zu halten, das es nicht verfällt? Wir klammern uns an den Gedanken, das der Inhalt so lang wie möglich erhalten bleibt, jedoch sind wir, wie eben schon erwähnt, die rostende Hülle und das Klammern und Krebsen bringt gar nichts, denn die Verpackung verfällt und wird dann irgendwann von der Tabakwarenhändlerin weggeworfen.

Als ich meinen Kopf aus dem heruntergelassenen Fenster strecke, um einen Atemzug dieser Nachtluft zu inhalieren, tropfen mir die ersten, sporadisch fallenden Regentropfen dieses angebrochenen und angekotzten Morgens auf die Stirn und scheinen direkt auf meinem Gesicht zu versieden. Überhitzt, übernachtet, überlebt, einfach nur überallest. Ich drücke mit einer fast schon paranoiden Agression den Fensterheber und die Scheibe fährt mit der Gemütsruhe eines Rentners nach oben. In mir brodeln die letzten Spuren der vergangenen Nacht, mein Magen weist ein, durch zu viel Druckbetankung resultierendes Völlegefühl vor und in meinem Gaumen hat sich ein nicht wegspülbarer Restgeschmack des Speeds breitgemacht. Ich beuge, einer Kotzbewegung ähnlich, meinen Oberkörper in Richtung Fußraum und suche in meinem Rucksack nach der einen verbleibenden Flasche Bier. Die Gelenke meines rechten Mittelfingers bluten, da ich den ganzen Abend die Flaschen mit dem dort befindlichen Ring öffnete. So auch jetzt. Der herbe Geschmack dieses Gesöffs komplettiert den Ekel in meinem Mundraum, dennoch behalte ich die überteuerten Getränke inne.

Wer zur Hölle spielt in diesem Moment Passenger von den Deftones? Wieso macht der Fahrer so etwas? Und allgemein, warum schweigt er? Und die wichtigste aller Fragen: warum hab ich sie heute Nacht gehen gelassen?

Donnerstag, 19. Mai 2011

toilet story IV

Ein weiteres Stück Salat fällt aus dem Döner in den Schoß des Fahrers, wo sich inzwischen so viel Grünzeug sammelt, dass ein geschickter Dönermann bestimmt einen vegetarischen Kinderdöner daraus zaubern könnte. Dann noch eine Tomatenscheibe und ein kleines Salatschnipselchen nebst einem Klecks Soße.

Jeglicher Versuch, Frank und Pete davon abzubringen, sich auf der Rückbank in spielerischer Zankerei und Balgerei zu verausgaben und dabei ständig an die vorderen Sitze zu stoßen war bisher gescheitert, was zusammen mit der Schwierigkeit, einen Döner mit nur einer Hand zu verspeisen wohl zu dem nicht mehr wirklich ansehnlichen Erscheinungsbild der blauen Jeans geführt hat.

Sichtlich entnervt lässt der Fahrer den Van auf einen Parkplatz rollen. Graues Klohaus, ein paar Steintische und -bänke, ein typischer Ort für die kleine Tüte zwischendurch. Die Hände halb nach dem Handschuhfach ausgestreckt fallen mir die großen, in schwarzer Farbe daraufgemalten Buchstaben auf. Auf jeder Hand ein X. Die unmissverständliche Erinnerung an die heute früh getroffene Vereinbarung.

Irgendjemand meinte mal, es gebe wohl kaum eine Stilrichtung, die in ihrer Bedeutungslosigkeit mit dem Straight Edge vergleichbar sei. Aber worin die Legitimation dieser Strömung in der amerikanischen Jugendkultur lag, wussten wir sehr genau. Wir hatten übertrieben, glücklich darüber, endlich nicht mehr dem Einfluss irgendwelcher Pillen unterworfen zu sein, und außerdem hocherfreut, dass wir uns der tschechischen Grenze langsam aber sicher näherten. Wir hatten übertrieben. Saumäßig. Und nachdem wir alle mehrmals unseren Magen- und Darminhalt wenig anmutig dem Gebüsch anvertraut hatten, wollten wir verständlicherweise einen derart unerquicklichen Über-Trip demnächst tunlichst vermeiden.
Also Straight Edge.
Bis zur Stadtgrenze.
Von Prag.

toilet story III

Seit 20 Minuten gestaltet sich die Fahrt trotz mildem Wetter und schöner Landschaft relativ anstrengend. Größtes Ärgernis ist Pete, der davon überzeugt ist, dass die beiden Zitronenbonbons Einfluss auf seine Psyche genommen und ihn hyperintelligent und extrem arrogant gemacht haben. Alle Versuche, Ersteres zu widerlegen werden grundsätzlich von Zweiterem im Keim erstickt. Franks im Grunde recht gewiefte Methode der Symptombekämpfung stellt sich inzwischen als mindestens ebenso nervenaufreibend heraus, da er vorgibt, ebenfalls eine dieser quietschgelben Psycho-Pillen gefressen zu haben und sich nun in einem Höllentempo mit sich selbst darüber streitet, ob die Pille einen Redeflash oder eine dissoziative Persönlichkeitsstörung hervorgerufen habe. Der Clou an der Sache sei, erkläre ich dem Fahrer, dass ja die Wirkung jedes noch so abstrusen Medikamentes irgendwann nachlasse. Just in dem Moment bricht Frank die erlösende Diskussion vom Zaun, dass in spätestens einer Stunde der ganze Spuk vorbei sein müsse und radebrecht einige haarsträubend realitätsferne physiologische Scheintatsachen vor sich hin, die glücklicherweise ausreichen, um sein Alter Ego und -was wichtiger ist- Pete zu überzeugen.

Ich beschließe, mich die besagte Stunde lang intensiv damit zu beschäftigen, möglichst eingeschlafen auszusehen und mir dabei per Kopfhörer die volle Dröhnung Fear Factory auf Lautstärke 22 zuzuführen...

Als ich aus dem vorgetäuschten, dann real gewordenen Schläfchen aufwache, steht der Van auf einem Parkplatz, die Sitzlehne wurde zurückgeklappt und unter meinem Kopf liegt ein Kissen, das ich am leicht floralen Duft als Franks erkenne. Floraler Duft im Sinne von: Stinkt nach Gras. Im letzten Moment widerstehe ich dem Impuls, mich herumzuwälzen und entgehe so dem plumpen Sturz aus dem Auto. Stattdessen stemme ich mich hoch und sehe die anderen an einem Steintisch sitzen und Dosenfutter mampfen. Guruhaft lächelnd greife ich ins Handschuhfach...

Montag, 25. April 2011

Gesammelte Bruchstücke

Habe heute mal meine alten Hefte durchsucht und ein paar Schnipsel an Worten gefunden, die ich irgendwann in Kurzgeschichten einbauen wollte. Da diese Fragmente schon verjährt sind, poste ich sie hier.

[...]
und in der Stadt sieht man die Lichter in den Fenstern erlischen. Die Menschen flüchten sich in ihren Schlaf. Erzwingen die Träume. In der Hoffnung sie könnten die Realität für einen Moment sterben lassen. Doch einer ist noch wach. Der gute Herr Schicksal, der jeden dieser Stumpfmenschen überrascht, fickt und absticht.

[...]
Tag, Nacht, Tag, Nacht und die Sonne hüpft auf und ab und kein Schwein weiß warum sie das tut. Weil im Grunde genommen ist das auch egal denn Zeit ist sowieso nur ein Maßstab.

[...]
augenpaare die sich treffen
nur flüchtig im flug
des blickes
keine emotionen die da sind, waren, sein könnten
kopf sinkt
und die erinnerung an die augen
welche vor sekunden noch
deine wahrnehmung bestimmten
werden verdrängt von der
monotonie der kopfsteinpflaster

Donnerstag, 14. April 2011

Venus im Pelz

Küß mich, beiß mich, saug an meinem Schwanz und steck ihn dir ins Arschloch. Knie dich hin oder reit auf mir, das ist mir wahrlich gleich. Von Interesse ist nur die Sache. Lebe deine Vorlieben aus und nimm mich in dich auf. Ja du versteht. Du sollst mich ficken. Tu es wie keine andere vor dir. Pump mich leer. Noch einmal ist kein Problem. Dann können wir schlafen. Kuschel dich ruhig an mich während meine Suppe deine Beine hinab fließt. Du kannst es. Dann spüre ich deine schweren, von Erschöpfung geformten, Atemstöße an meinem Hals. Unsere Körper sind blutbeschmiert. Nicht dein Blut. Meines. Es sickert noch immer welches in in dicken Tropfen aus den tiefen Schnitten an meinem Arm. Irgendwo hinter dem lichter werdenden Nebel sexueller Extase vernehme ich Musik. Auch die drückende Schwere ist wieder da. Nein, schlaf doch bitte nicht jetzt. Drück mir lieber die Kehle zu oder stich mir das Messer dort in die Brust. Alternaiv fick mich einfach noch einmal.

Mittwoch, 13. April 2011

toilet story II

Seit der Beseitigung des allgemeinen Fresswahns nimmt die Furzerei im Auto immer mehr Überhand. Meine verzweifelten Versuche, eine der Scheren zu ergattern, mit denen die anderen sich emsig befleißigen, kleine Streifen aus der dicken Luft herauszuschneiden, werden mit höhnischem Gelächter beantwortet. Shice. Ich drücke auf den Knopf für den Fensterheber und 130 km/h schnelle Luft bläst das fluide Patchwork aus Darmnebenprodukten in kleinen Wölkchen durch den Bus. Als endlich ein Großteil davon seinen Weg in die autobahnnahen Ländereien gefunden hat, muss Petes Hose samt Boxershorts ihnen leider folgen. Der Idiot wollte aus dem Fenster kacken, wovon Frank ihn abhalten musste. Dass er sich daraufhin saftig in die Buxe wursten würde, konnte keiner ahnen.

Auf der Suche nach Erlösung von dem höllischen Gestank setze ich meine Kopfhörer auf und versuche meine Geruchsnerven mit "Wednesday 13" zu betäuben. Mäßig erfolgreich. Hoffentlich versuchen die Freunde in Blau uns zu kontrollieren. Wie lustig wäre denn das Gesicht des Ordnungshüters wenn er den Mief riechen würde. Und wenn er erst den Typ ohne Hose bemerkt, ist der YouTube-Hit doch wohl perfekt.

In ein paar Kilometern werde ich den glücklichgrünen Beutel aus dem Handschuhfach holen, nebst einigen Longpapes und dem halben Flyer von irgendeinem Black-Metal-Konzert. Und dann werden wir auf einem von diesen Parkplätzen anhalten, wo so ein graubraunes Scheißhaus steht, den Sonnenuntergang in eine süßliche Rauchwolke hüllen und ihn in allen 13 Farben genießen.

/me out!

Bitches!

Dienstag, 12. April 2011

toilet story I

Blaue Schilder oder Tankstellen fahren an mir vorbei, manchmal auch einer dieser Parkplätze mit den nach Schweiß, Pisse und Drogen stinkenden Toilettenhäuschen. Ihr wisst schon, diese graubraunen Klötze mit Türen aus poliertem Stahl, wo man jedesmal wenn man da pissen geht irgendwie damit rechnet, einem Perversen, Junkie, einfachem Assozialen oder sonstwem Unangenehmen zu begegnen. Die Teile, bei denen einem schon die Pisse entgegenschwappt wenn man nur die Tür öffnet. Vielleicht sollte man Warnschilder dran anbringen: "Nur mit Gummistiefeln betreten!". Und nebendran einen Shop für Einmal-Gummistiefel aufmachen. Mit einer kleinen Abteilung der spezielleren Art, damit endlich das Gewichse in den Kabinen aufhört...
Als die andere Autobahn sich unter den VW-Bus schiebt, scheint mir die Sonne in die Augen. Also stracks die Pornobrille auf und weitergammeln. Ist gar nicht so einfach, die Bügel unter die Kopfhörer zu wurschteln, klappt aber letzlich doch. "Zombie Joe" geht also auch mit Pornobrille auf der Nase. Nice.

Ich glaube, wesentlich cooler als ich in diesem Moment war, kann man nicht sein: Geile Mukke hörend, total stoned über Pisshäuschen nachdenkend deutschen Autobahnen beim Vorbeirasen zuschauen, dabei ne Pornobrille tragen, sich die Sonne ins Gesicht scheinen lassen, den leichten Hauch von Klimaanlagenkälte durch die Haare streichen lassen und das alles einfach nur geil finden. Das, meine Freunde, ihr semiintellektuelles Gesocks, ihr Perlen des Abschaums, DAS ist cool.

Freitag, 25. März 2011

Gedankensuppe

Staub und Straßendreck kleben an der Scheibe. Vormalige Wassertropfen haben kleine trübe Kreise geformt. Für den Moment bannen sie mich, wie eines dieser Kinderspiele bei denen man nummerierte Punkte durch Linien verbindet um ein Bild zu erhalten. Allerdings ergeben sie dieses Mal nur Chaos.
Ich spüre das sanfte goldene Licht der Frühlingssonne und schmecke den säuerlichen Nachgeschmack der Plörre, die sich lauthals Bier schimpfen ließ, jedoch allenfalls dem Begriff bierähnliches alkoholisches Spülwasser Rechnung pflichtet.
Die Stadt zieht an mir vorbei während Heretoir meine Ohren verwöhnen und mich nicht zuletzt in eine nahezu angenehme Mischung aus Ästhetik und Melancholie eintauchen, als wäre ich eines dieser gebackenen Bananenstückchen, welche immer noch ein Mal in Honig gebadet werden bevor man sie verzehrt. Allein dieses Gedanken wegen müßte ich vielleicht doch einmal wieder zum Chinesen. Ich war ja eh schon lange nicht mehr mit geliebten Menschen in einem Restaurant.
Gedankliche Stille frißt mich, zerrt sich, während der Bus für einen Moment auf Hochtouren läuft und sogar die Musik meines mp3-Players brachial übertönt.
Ein kurzer Blick genügt – nur ein kurzer Blick. Bis eben ist sie mir nicht aufgefallen. Aber da saß sie wieder. Manchmal zeigt sie sich durch Eindrücke, andere Male ist sie beinahe materiell. Dann sitzt sie vielleicht wie ein Geist neben mir. Ihre Küsse schmecken bitter wie der Rauch von Zigaretten, aber in diesen Momenten ist es als hätte ich nie etwas schöneres geschmeckt. Brennendes Eis.
Ihre Umarmung in diesem Moment schmerzt, obwohl es die erste ist, die ich seit geraumer Zeit spüre.
„Vielleicht solltest du die Einsamkeit heiraten!“ sagt eine sarkastische Stimme in meinem Kopf.
„Fick dich!“ antworte ich.

Dienstag, 15. März 2011

Prag Off - Prolog

Die Geschichte beginnt, wie Geschichten nun einmal beginnen. Ich schlage meine Augen auf und atme ein. Es schein mir, als wäre es der erste Atemzug, den ich je in meinem Leben machen würde. Gerade eben jagten mich noch Schemen durch eine eisige Dunkelheit, Einsamkeit. Kein Ausweg, nur rennen. Doch nun bin ich wach und meine verschwommenen Augen blicken gen Decke. Um mich herum herrscht Stille. Keine Stille, die durch ein sporadisches Vorbeifahren eines Autos erfrischt wird. Nein, diese Stille ist so taub und drückend wie ein traumloser Schlaf. Der Tinitus, welcher sich in diesem Moment in meinem Kopf breit macht, verstärkt dieses Gefühl von Nichts. Ein plumpes, weit entferntes Erschüttern des Bodens ist zu hören. Es scheint jemand eine Treppe hinauf zu laufen. Eine Treppe, welche mir ebenso unbekannt ist, wie dieses Bett, in welchem ich gerade liege. Die Tür wird sanft geöffnet und eine in Slip und Shirt bekleidete Frau, man möchte sie nicht mehr Mädchen nennen, dafür hat sie schon viel zu weibliche Züge, bringt mir eine dampfende Tasse Kaffee, dekoriert mit einem verführerischen Lächeln und den Worten "Den brauchst du jetzt sicherlich." Ich richte mich auf und nehme ihr den heißen Tonkrug mit der Aufschrift "für meine Schatz" aus der Hand. Noch kann ich nicht so ganz verstehen, weswegen ich in ihrem Bett liege. Sie ist der Inbegriff jeglicher jemals gesehenen Schönheiten. Schwarzes, etwa schulterlanges Haar, welches sich ein wenig an den Spitzen kräuselt und huskyblaue Augen. sie trägt einen kleinen Leberfleck an der linken Oberseite ihrer Lippe und ihr Dekollete ist in den verschiedensten Farben tättowiert. Als ich weiterhin wortlos auf diese Tasse starre, fängt sie an zu kichern und schafft es dennoch zwischen diesen beschämenden Lauten ein "du hast absolut keine Ahnung wer ich bin und wie du hier her gekommen bist, oder?" einzubauen. "Das hast du erfasst.", sage ich mit einer kratzigen Stimme, die klingt, als hätte ich ein ganzes Festivalwochenende hinter mir. "Wir waren gestern zusammen auf dieser Party."
Party? "Irgendwann warst du ziemlich betrunken und jemand fragte mich, ob du nicht bei mir im Gästezimmer schlafen könntest. Allerdings warst du echt so süß, dass ich dich eher mit zu mir ins Bett genommen habe. Und ich wette gerade im Moment bereust du deine fehlenden Erinnerungen, weil du danach sagtest, dass es der beste Sex deines Lebens war." Ich schlürfe monoton den ersten Schluck dieser bitteren, braunen Koffeinsuppe und frage mich ob sie mich einfach nur auf den Arm nimmt oder ich wirklich wieder im Blackout irgendwelche Frauen vernascht habe. "Naja, ist ja auch egal. Meine Eltern kommen gleich von meiner Tante wieder und deswegen solltest du dich schnellstmöglich auf den Weg nach Haus machen." Ich exe meine Tasse Kaffee und tue wie mir geheißen. Auf der Türschwelle drehe ich mich noch einmal um und schaue mir dieses schwarzhaarige Stück himmel noch einmal an. "Wie heißt du eigentlich?", frage ich sie. "Tut das was zur Sache?", antwortet sie und gibt mir eine Zigarette und einen Kuss mit auf den Weg.

Die Sonne versucht sich mit aller Kraft vom Horizont abzustoßen, was sie nur in einer eher mäßigen Geschwindigkeit schafft und in der ganzen Stadt ist kein Anzeichen von einem Erwachen zu sehen. Selbst der Bäcker hat noch geschlossen. Meine Füße ziehen mich in Richtung Busbahnhof und meine Augen kleben an Plakatwänden, Graffitis und Schaufensterwerbung. Wenn der Tag gerade erst begonnen hat, dann hat jeder Anblick, ganz egal welcher, eine ganz besondere Mystik, finde ich. Ich setze mich auf eine Parkbank inmitten der Stadt und zünde mir die Zigarette dieser Namenlosen an. Dann überprüfe ich meine Taschen. Mein Geldbeutel, meine eigenen Kippen und mein Zippo sind noch da, jedoch ist mein Handy irgendwo seit gestern 20:00 Uhr und heute früh um fünf auf Wanderschaft gegangen. Ich stütze meine Kopf auf meine Hände, reibe mir mit den kleinen Fingern die Augen und massiere mit der restlichen Hand meinen Kopf. Es ist noch so, als hätte mir jemand Klettverschlüsse an die Augenlider montiert denn jedes Mal, wenn ich sie schließe, weigern sie sich, sich wieder zu öffnen. Meine Haare sehen sicherlich total zerwüstet aus und deswegen erhebe ich mich nur wegen dem Gedanken mir die Haare zu kämmen von der Parkbank und laufe weiter nach Haus. Was für eine dreckige Stadt.

Samstag, 12. März 2011

Asche und Kettensägen

Es war ein schöner Tag Ende Februar. Tatsächlich war es der erste wirklich Schöne dieses Jahr. Die Schneefälle der letzten Woche hatten sich als Sparwitz seitens Frau Holle entpuppt und Platz gemacht für ein angenehm mildes Klima, Sonnenschein und einen nicht allzu kühlen Wind, der jetzt friedlich durch Baumspitzen, Wiesen und Aschenbecher wehte und die Frühlingsluft mit dem unbestimmten Gefühl von aufkeimendem Leben und kleinen Aschestückchen anreicherte. Der Zweitaktmotor der zwei Grundstücke weiter brüllenden Kettensäge verströmte seinen unverkennbaren Duft, aber auch dieses kleine, benzingetriebene Stück Störsamkeit, das ihn vor einigen Minuten aus dem alkoholinduzierten Schlaf gerufen hatte konnte Frank die gute Laune nicht verderben, die er angesichts der Schönheit dieses Tages empfand. Er lag auf dem Balkon seines Vorstadtapartments in einem von den Jahren weichgesessenen und inzwischen noch viel bequemeren Liegestuhl und atmete abwechselnd Frühling, Zweitaktabgase und THC-haltigen, leicht im Hals beißenden Rauch ein. Auf der anderen Seite der zum größten Teil gläsernen Balkontür verrieten ein leises Poltern und ein halbherzig unterdrückter Fluch, dass Pete sich soeben zum zweiten Mal den Fuß an dem kleinen Tisch gestoßen hatte unter dem er die Nacht verbracht hatte. Kurz darauf flog die Tür auf und ein zerzauster, verschlafener Pete ließ sich mit so genau dosierter Wucht auf seinen der beiden Liegestühle fallen, dass dieser zwar bedrohlich knackte, das Panzertape an seinem Bein jedoch keine Anstalten machte nachzugeben. Als sei das Auftauchen dieses rüde geweckten Kolosses ein allgemeines Zeichen für Flucht, ließ der Wind nach und die Aschepartikel sanken vor dem Balkon zu Boden. Auch die Kettensäge verstummte und hinterließ eine Art akustisches Loch, mit dessen Bewältigung Franks betäubtes Gehirn erst ringen musste. Kurz hatte er das Gefühl gehabt, jedes Geräusch werde von der plötzlich entstandenen Leere angesaugt und verschluckt, wie Materie von einem Schwarzen Loch. Dann nahm das leichte Rascheln von im Wind wogenden Nadelbäumen wieder an Intensität zu und das akustische Gleichgewicht war wiederhergestellt. "Wie warsn gestern Abend?", nuschelte Pete und ließ einen nach Mentholkippe stinkenden Rauchring eine kurze Flaute erforschen. Der Ring zerfaserte sich und wurde schließlich vom nächsten Windstoß erfasst und löste sich auf. "Du warst doch dabei.", erwiderte Frank ohne den Blick von einem Punkt in sehr, sehr weiter Ferne abzuwenden. Ein weiterer Ring. "Naja, schon, aber du ja auch und deshalb dacht ich, du kannst mir das vielleicht sagen." Hätte Frank das hilflose Gesicht zu seiner Rechten gesehen, hätte er vermutlich laut aufgelacht, aber sein Blick blieb nach wie vor schnurgeradeaus gerichtet, auf etwas, das nur er selbst sehen konnte, als denke er über etwas nach, über das normale menschliche Gehirne aufgrund ihrer mangelnden Kapazität nicht nachdenken können. Langsam antwortete er: "Ich hab keine Ahnung. Absolut keine Ahnung. Und aus irgendeinem Grund gefällt mir das wirklich gut so. Irgendwo im Internet hab ich mal was gelesen, wo jemand dieses Gefühl beschrieben hat. Ich fand das so cool damals. Ich glaub sogar ich kanns noch auswendig..." Und er fing an zu zitieren.

"Ich fühle mich klein. Bin verkatert, wie nach dem Zurückfinden in die Wirklichkeit nach einem Rausch, in dem Moment, in dem gerade die Sonne aufgeht und alles in rotes Licht taucht. Der Moment, in dem man realisiert, wo man ist, wer man ist... Man fragt sich, wer die Person neben sich ist, oder wer der Typ ist, der in der Küche steht und Kaffee kocht... Die Frage nach dem Geschehenen kommt auf... vergeht wieder... wird gestellt... nicht beantwortet... Man nimmt einfach hin was war... was sein wird... Ob es eine Bedeutung hat, oder nicht, es ist da und lässt sich nicht löschen. Einzig die Art damit umzugehen ist immer anders. Manchen ist es egal, manche machen Witze, andere spekulieren, wieder andere bedauern. Ich genieße das Gefühl... Das Gefühl, zu wissen, dass da etwas ist, aber nicht, was es ist... Das Gefühl, das von allem schließlich zurückbleibt..."

Mittwoch, 9. März 2011

Der weiße Hase

Soma und ich saßen vor diesem grauen unscheinbaren Koffer. Er war ziemlich schwer, hatten wir zuvor festgestellt.
„Nun mach schon auf, Wolf!“ drängelte er und reichte mir den Joint.
Ich klemmte mir das Ding zwischen die Lippen. „Na gut. Gehen wir's an.“ Ich schob die Verschlußschnallen nach außen und der Deckel der Koffers schnappte mit einem leisen Plopp ein Stück auf.
Ich atmete tief ein, klappte den Deckel hoch.
Mein Gesicht gefror und mein Blick schweifte mit diesem Ausdruck immenser Überraschung hinüber zu Soma der ebenso erstaunt auf den Inhalt starrte.
Vor uns lagen zehn Folienpakete in zwei Reihen mit jeweils einem Etikette darauf. Es waren schwarze Etiketten auf welchen weiße stilisierten Hasen abgebildet waren. Und auch wenn dieser Fund uns vielleicht gutes Geld einbringen dürfte, verhieß er nichts gutes.
„Dude!“
„Ja Soma?“
„Das ist nicht das was ich glaube, das es ist oder?“
„Doch ist es!“
„Shit!“
„Doppel-Shit!“
„Ja Mann! Zehn Kilo bestes White Rabbit Kokain sind echt kein gutes Zeichen. Und schon gar nicht, wenn sie mit dem Zimmerservice kommen.“ sagte ich. Mein Versuch dabei ruhig zu klingen ging mächtig in die Hose. „Was ich noch sagen wollte …“
„Was?“
„Laber nie wieder über diesen Matrixscheiß Mann!“
„Ist gebongt.“ Er schluckte. „Bier?“
„Ja.“
„Kalt oder oder aus'm Kasten?“
„Seh ich aus, als ob mich das gerade jucken würde?“
Soma griff neben die Couch und holte zwei Biere hervor, die natürlich sofort geöffnet wurden und noch schneller unsere Kehlen hinab flossen.
„Alter!“ sagte er.
„Yamann! Ich weiß.“ antwortete ich.

Montag, 21. Februar 2011

Irgendwie lieb' ich das,

Ich war also so kurz vorm einpennen, als Wolf so etwas wie "wirmüssnlosalter." vor sich hin murmelte. Wäre die Bar vorm Feierabend gewesen, hätte ich das verstanden, doch es war reges Treiben. "Noch'n Bier, Mensch!", hörte ich mich selbst lallen, doch es war für mich eher als würde ich mich in einem Baumstamm verstecken und jemand von der anderen Seite des Baumstamms würde versuchen diesen Satz durch das Astloch zu brüllen. Das Internetradio der Kneipe fing an zu hacken und Wolf schmiss aus Frustration eine Bierflasche gegen die Boxen. "Na wenn ihr auch immer so Schwuli-Punk laufen lasst, isses auch kein Wunder, das die Boxen irgendwann kein' Bock mehr haben."
Der Barkeeper fluchte irgendetwas auf tschechisch und Wolf antwortete mit einem Rülpser der so laut war, das er von Gott selbst hätte kommen können. Ich bekam einen Lachanfall und versuchte meine Kotze immer wieder herunterzuschlucken während mein Kopf immer noch versuchte sich der Oberfläche des Bartisches anzupassen.
"Was nu?", lallte Wolf: "Hardcore jetz' oder Arschlecken?"
"Hardcore jetz'.", murmelte ich ihm entgegen.
Wolf lachte und zog seine Hose aus. Etwa fünf minuten später saßen wir auf dem Mittelstreifen der Straße, welche vor dem Pub lag und schmiedeten Pläne wie wir denn heute noch zu unserem Hotel kommen sollten. Gottseidank gab der Wirt Wolf seine Hose wieder. "Lass ma so Taxi rufen oder so.", sagte Wolf. Ich brüllte aus den tiefen meiner Lunge ein "TAXI!" heraus und reierte im gleichen Atemzug auf den Bordstein. Wolf lachte und drehte mir eine Zigarette. "Lass' ma lieber laufen und so." - "Haja."

Samstag, 19. Februar 2011

Chipgesteuert

„Künstliche Intelligenzen kontrollieren mittlerweile die Welt, Alter. Hier, ehmn, ich mein Google und so. Weißte? Die vermitteln uns gefiltert irgendwelche Informationen. Alles mit dem Ziel uns durch Input zu beherrschen. Das weiß nur keiner. Aber selbst unsere Regierung wurde schon durch Computer ersetzt.“ Soma redete ununterbrochen und scheinbar sogar ohne Luft zu holen.
„Ok.“ sagte ich kurz und wand mich wieder meinem Drink zu.
„Irgendwann sieht's hier aus wie in der Matrix.“ fuhr er fort. „Du mußt dir das so vorstellen. Erst kommt diese Terminator-Scheiße und dann Matrix. Wenn du verstehst was ich meine. Diese Computer haben sicher so ein Programm um heraus zu finden, wie man die Menschheit vor der sicheren Selbstzerstörung rettet und das einzig schlüssige Ergebnis, das die erhalten werden, wird sein, daß man die Menschheit nur retten kann wenn man sie auf einen kontrollierbaren Status setzt. Was wiederum Populationsreduktion und nutzviehartige Haltung der übrigen beinhaltet. Das ist alles viel zu realistisch um ein Fake zu sein. Wer weiß schon, ob wir nicht bereits in der Matrix leben und wir wissen es gar nicht da um uns herum eine Perfekte Simulation des angehenden einundzwanzigsten Jahrhunderts aufgebaut ist.“
Soma konnte einfach nicht aufhören, aber ich hörte ihm gern zu wenn er von solchen Sachen sprach.
„Dude, wer weiß? Vielleicht bist du Neo. Immerhin kannst du ja gut mit normalen Computern umgehen.“ sagte er nach einer kurzen Pause.
Ich streckte mich, murmelte ein „Vielleicht.“ und begann mir selbst etwas den Nacken zu massieren. „Sag mal, rein hypothetisch gesehen: Wenn ich jetzt Neo wär. Dann würde ja auch die scharfe Trinity auf der andren Seite warten, wa?“
„Hmn. Eigentlich schon.“
In diesem Moment vibrierte mein Handy. Ich bekam eine SMS von einer unbekannten Nummer: „Folge dem weißen Hasen!“

Donnerstag, 17. Februar 2011

Acidjazzed Evening

"Und dann?", fragte Frank, die Mundwinkel leicht zuckend, in der Andeutung eines Grinsens.
"Naja, ich hab angefangen zu lachen.", meinte Pete achselzuckend. "Und ich konnt für ne halbe Stunde nich mehr aufhören. Die Tussi war dann irgendwann weg, aber ich lag da halb aufm Boden und konnt gar nix mehr weil ich nur am Lachen war. Aber irgendwann hab ich mich dann eingekriegt und noch ne Tüte geraucht, zum Beruhigen."
Es war inzwischen halb Drei morgens und die besagte Dosis THC wirkte nicht mehr, ebensowenig wie das Bier. Frank fand das insofern hilfreich, dass Pete sich wieder wie ein Mensch benahm, jedenfalls in den engen Grenzen, die seine -vermutlich ebenfalls bekifften- Schöpfer ihm gesetzt hatten, andererseits fehlte ihm selbst das leichte Drehen im Kopf und dieser Druck in der Brust, der sich über den dämlichsten Dingen in lautes Gelächter entlud.
"Hat die Erfahrung denn wenigstens ihrem Gelaber irgendeine Legitimation verliehen?", wollte Frank wissen, unfähig, über etwas anderes nachzudenken als darüber, wie er sich verhalten hätte, wenn eine im Prinzip hübsche und nicht überreife Frau seinem bekifften Bewustsein dieses 'Gelaber' nach einem Fickstündchen entgegengeschleudert hätte.
"Naja, ich schätz mal schon. Also ich hatte jedenfalls noch nie eine, die sogar beim Vögeln nich eine Sekunde ihre Fresse halten konnte. Irgendwann gings mir so aufn Sack, dass ich ihr ein Kissen übers Gesicht gelegt hab, aber das fand sie geil und hat einfach weitergeschwätzt. Du glaubst gar nich, was durchn Kissen gedämpftes Lustgeschwafel fürn Lattenkiller is."
Von links kamen Stimmen auf sie zu, zwei Gestalten taumelten durch das Wechsellicht der gelben Straßenlaternen, waren kurz zu sehen, verschwanden dann wieder in der Dunkelheit, tauchten wieder auf und manifestierten sich schließlich als Wolf und Soma unter dem kaltweiß beleuchteten Dach der Bushaltestelle.
"Und, wie wars bei euch so?", lallte Wolf und Pete antwortete mit einer angesichts des Themas wirklich verblüffenden Trockenheit: "Ich hab ne Alte gefickt die behauptet hat, ihr Kerl hätte sie für nen schwulen Neger verlassen."

Schwarz VII

„Sieh nicht nach unten.“ sagte der kleine junge, Sonny.
„Hmn?“
„Ja schau nach oben, da ist deine Zukunft!“
Der ältere blickte zum Himmel, welcher in jener klaren Nacht vor Sternen strotzte. Quer über das Firmament bahnte sich die Milchstraße in ihrer ganzen Pracht.


Hätte er damals gewußt, was ihn in seiner – zu jener Zeit noch – Zukunft erwarten würde, er hätte sich wohl nie dazu entschieden Kosmonaut zu werden. Gerade wenn die Beschleunigung für die Überlichtgeschwindigkeit ihre Hauptphase erreicht, wird es wirklich ungemütlich im Weltall. Die Kopfschmerzen gehen gerade so. Das Fiebergefühl ist auch vernachlässigbar. Aber dieser Druck im Magendarmtrakt ist unerträglich. Es fühlt sich wie eine nicht enden wollende Verstopfung an. Ein Gefühl, als würde etwas wirklich gigantisches hindurch kriechen, niemals den Ausgang finden.
Als ihm das ganze zu viel war – es gab keine Mittel gegen diese Art „Raumkrankheit“ – , ließ er sich für ein paar Tage in Stasis versetzen und AMBER übernahm für diese Dauer den Gesamtbetrieb des Schiffes. Dieser verlief ruhig. Praktisch problemlos und sorgenfrei schoß es Unsichtbar für das normale Auge durch die schwärze des Alls, vorbei an Sternen und Planetensystemen, Nebeln und Clustern.
Mit leichtem Druck auf den Schläfen wachte der Mann auf fühlte sich sogar überraschend Fit. Nichts war mehr zu spüren von den Qualen welche ihm vor den paar Tagen in der Kryokapsel das Leben nahezu unerträglich gemacht hatten.
Er entledigte sich der Kabel für die Meßapparaturen und versuchte langsam aufzustehen. Es war schon immer etwas schwierig nach einigen Tagen Kryo wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Aber was muß, das muß eben! Also stand er auf, bewegte sich etwas wacklig zu dem Schrank und begann sich langsam anzukleiden. Dann griff er nach der Schachtel Zigaretten und seinem Buch, welche er einige Tage zuvor auf dem kleinen Tischchen neben der Kurzzeitkryokapsel abgelegt hatte.
„Also Amber. Was liegt an?“ wollte er in den Raum hinein fragen, bekam jedoch nur ein Krächzen aus seiner Kehle heraus.
Im Speiseraum zapfte er sich etwas Wasser und trank es. Dann wiederholte er sein Vorhaben – dieses Mal mit Erfolg.
„SAL – Status: Fehlerfrei. Kryokapseln – Status: Fehlerfrei. Lebenserhaltungssysteme – Status: Fehlerfrei. Zentrale Recheneinheiten – Status: Fehlerfrei.“
Hier unterbrach er das Elektronenhirn. „Danke Amber. Ich werde mir das Textprotokoll ansehen.“
Er setzte sich, strich mit beiden Händen über sein kurzes Haar. Müdigkeit beschlich ihn. Es erschien ihm unwirklich, war jedoch ganz normal nach einem Kryoschlaf. Das Aufwachen war immerhin eine enorme Anstrengung für den menschlichen Körper. Allerdings war keine Zeit zum Schlafen. Er mußte einige Langzeit Experimente, die auf der Reise durchgeführt werden müssen, Vorbereiten.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Zombie

Er lehnte seinen Kopf an die kalte, leicht beschlagene Seitenscheibe des Vans, ließ seinen Körper in die weiche Wohligkeit des Sitzes sinken und verfolgte mit seinen Augen die weißen und blauen Lichter, die wie Seelen auf ihrer letzten Fahrt auf der anderen Seite des Grünstreifens an ihm vorübersausten. Wie leuchtende Motten auf dem Weg zum Mond oder zur nächsten Straßenlaterne. Böse schimmerten weiße Xenon-Lichter von hinten in das Dunkel des Fahrzeugs hinein, dann zogen sie weiter und ließen diese unbestimmte Schwärze, dieses Grau, das zu dunkel für grau war den Innenraum erneut fluten und er war froh darüber. Auf den vorderen Sitzen unterhielten sich der Fahrer und die beiden anderen Personen leise, er konnte sie nicht verstehen, sollte sie nicht verstehen. Aber sie redeten über ihn. Das mussten sie.

Die zur Hälfte bereits rot-schwarz verschorfte Wunde mit den gelblichen Eiterflecken an seinem Hals tropfte rot-schwarze Flecken auf seine zerrissene Hose und den rot-schwarzen Sitzbezug. Die Lichter auf der anderen Seite hatten einen fast unmerklichen, aber stärker werdenden Rotstich und verschwammen ganz leicht auf seiner Netzhaut. Sie störten ihn, machten ihn wütend. Er schloss die Augen. Rote Adern pulsierten in seinen Lidern, von außen angestrahlt durch tausende rotstichig-weiße, störende Lichter. Das Pulsieren beschleunigte sich mit seinem Herzschlag, wurde stärker mit der Erhöhung seines Blutdrucks und schürte die tief sitzende Wut zu einer Flamme, die sich für einen Moment in pure Raserei verwandelte und einen unartikulierten, kehligen Schrei durch seine zum Zerreißen gespannten Stimmbänder presste.

Der Van wurde langsamer und kam auf einem dunklen Parkplatz am Rand der Autobahn zum Stehen. Hier waren keine Lichter, keine flackernden Schreckgespenster. Die Türen wurden aufgestoßen, kalte Nachtluft strömte herein und jemand machte sich an den Haltegurten zu schaffen, die seine Beine, Arme und seinen Oberkörper festhielten. Wie eine Leiche fiel er seitlich auf den Asphalt, der Schmerz machte ihn wieder wütend und die Taschenlampe rechts von ihm ließ die Glut der kurz erloschene Flamme wieder auflodern. Er stemmte sich stöhnend auf die Füße und stolperte auf den am nächsten stehenden der dunklen Schatten vor dem dunklen, schattigen Wald zu. Aus dem kleinen Schatten löste sich ein silbrig glänzendes Ding. Und in der halben Sekunde, in der sich ein Finger um den Abzug krümmte und er die Kugel auf sich zurasen sah, konnte er sich erinnern. Wie eine Springflut stürmte sein ganzes Leben auf ihn ein. Der Schatten war so vertraut, der Wald, das Auto, er kannte das alles, war so oft hiergewesen. Das Weinen der Frau die er geliebt hatte wurde begleitet von dem Gefühl, dass etwas Heißes durch seine Stirn drang und den Rest seines Gehirns endgültig zerstörte.

Sonntag, 13. Februar 2011

ein Vergleich.

"Nungut ich sitze letzten Sonntag in meinem Zimmer. Kam halt grad von einer Party und wieso nicht noch mit Mucke und Restalk zudröhnen? So einen Tag zu beginnen ist doch gar nicht mal schlecht. Auf jeden Fall habe ich das Gefühl eine Rauchen gehen zu müssen und latsche also vor die Tür. Dort sitzt meine Katze vor einem Schneeberg und schaut in ein Loch, was ich mal vor ein, zwei Tagen da reingepisst habe. Ich frage sie also in meinem Suff: 'Katze, warum wartest du dort auf eine Maus, die sowieso nie kommen wird?' Und dann halte ich inne und lege so symbolisch meine Ohren an. Genauso wie meine Katze eben. Und frage mich einfach den gleichen Scheiß wie die Frage, die ich meiner Katze in dem Moment stellte. Wieso warte ICH auf eine 'Maus', die eh nie kommen wird? Das hat mich unglaublich fertig gemacht, wisst ihr?"
Ich nippte stumm an meinem Mischgetränk und tracs sagte sowas wie "Hast du meine Autoschlüssel gesehen?" Also machten wir uns auf die Suche nach seiner Hose und verließen nach kurzer Zeit die Party. Auf dem Weg zu seinem Passat lief uns eine getigerte Katze über den Weg und ich fragte mich still "Wo willst du hin, Katze? Was ist dein Ziel?"

...nur was?

Die direkte Aufnahme in meinem Gehirn dieses Momentes bestand eigentlich darin, das Toni die leere Bierdose gegen die Bushaltestelle kickte. Die Sonne ging langsam auf und durch mein Handy bluteten die Anfänge von Poison the Well - Today, einem verdammt guten Smashing Pumpkins Cover. Die Nacht bestand ja eigentlich nur darin von Disco zu Disco zu rennen nur um herauszufinden das es entweder scheiße war oder die einzigen Singlefrauen Mittdreißiger waren. Ein unglaublich deprimierendes Review. Als Toni dann von zwei Stylern verkloppt wurde weil er ihnen KIZ-Liedtexte entgegenbrüllte war der Abend dann endgültig vorbei. Wir hofften einfach nur darauf dass der Getränkemarkt schnellstmöglich aufmacht und unterhielten uns über total banale Dinge. Christin lief schweigend neben uns. Als Toni dann anfing den Neubaublock neben unserer alten Schule vollzukotzen kamen Christin und ich uns dann näher. Ich nahm sie mit nach Hause und wir zogen uns "a serbian film" rein. Kranker Scheiß aber sie stand drauf. Sie wollte letzten Endes nicht nach Hause und schlief bei mir. Als ich das Licht über meinem Bett ausmachte und neben ihr lag, mit dem Gesicht gen Decke und den Händen ganz bei mir, fing sie dann an an meinem Schwanz herumzuspielen. Kann ich ihr nicht verübeln, sie war voll. Ich genoss den Moment und sie fing nach einiger Zeit an an dem Ding zu saugen als wäre es ein ficki-fucki-Fruchteis. Nachdem sie würgend aber dennoch zufrieden meine potentiellen Kinder in ihren Magen befördert hatte, legte sie sich wieder neben mich und atmete direkt in meinen Atemstrom. Riecht denn meine Wichse wirklich nach zerkochter Bockwurst? Ich gab ihr mit Ekel einen Zungenkuss und dann drehte sie sich um zum Schlafen.

An dem Abend ging ich ernsthaft davon aus etwas total krasses für mein Leben gelernt zu haben. Nur was?

Freitag, 11. Februar 2011

Dons Wüste


Augen auf. Einatmen. Noch einen Blick nach unten. Der Schwindel verflog langsam und ich konnte mich mit einer Hand von dem rostigen Metall lösen, welches einst eine angenehm gelbe Farbe besaß. Langsam drehte ich meinen Kopf rüber zu Don, der ganz beruhigt an einer weiteren rostigen Metallkonstruktion lehnte, den Kopf in den Nacken gelegt, mit einer Kippe im Mund. Um mich herum flimmerte es. Die Hitze war beachtlich für diese Uhrzeit. Die Erde unter uns war nur noch an wenigen Stellen von abgesengten Gras bewachsen, an den staubigen, wie rissiger Lehm erscheinenden Stellen, die bereits durch die Sonne abgebrannt waren, zogen sich kleine Canyons, die wie die Äste eines abgestorbenen Baums aussahen. Die in den Boden gezogenen Spuren unseres weißen Sprinters komplettierten den Millionen von Kilometern entfernt erscheinenden Boden zu einer seufzenden Leere, deren Schatten durch die Morgensonne eher wie utopische Wesen aussahen. "Hey Don?" - "Hm?" Er senkte seinen Kopf und kleine, in Rot getauchte Augäpfel ließen nur einen Blick in meine Richtung erahnen, eher stierte eine Wucht aus Apathie durch mich hindurch, an mir vorbei und spieh Don's Aufmerksamkeit in die weiten Weiten des unfassbar mächtigen Sandkastens um uns herum. "Wieso diese Wüste? Ich meine wieso fuhren wir so lang nur um uns auf einen rostigen Krahn inmitten einer Wüste zu setzen?" Don zwinkerte kurz, breitete seine Arme aus und schloss seine trockenen Augen. "Kannst du irgendwo sonst weiter blicken, ohne den Weg von Hochhäusern versperrt zu bekommen? Wenn du nichts sagst, hörst du dann irgendwas? Geht es hier wirklich um dieses alte Metallkonstrukt inmitten einer Wüste oder eher um die Wüste an sich und den Krahn als einzigen Orientierungsort?" Und so saßen wir noch einige Stunden in Dons Wüste und schwiegen. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, das ein Vogel ganz nah an meinem Ohr vorbeiflog. Aber vielleicht war es auch bloß ein kleiner Windstoß der wollte, dass ich meine Aufmerksamkeit zurück auf das Nichts richte.

Ohne Worte

Da saß sie nun doch vor mir. Ich hätte es fast nicht glauben können. Mit ihrer linken Hand griff sie nach dem Pappbecher mit dem Plastikdeckel in dem ein Strohhalm steckte und trank einen Schluck. Mein Blick schweifte hinüber durch die Panoramaglasscheibe zum Parkplatz. Leute liefen, wie Ameisen keinem zunächst ersichtlichen Muster folgend, hier und dort hin. Dann schaute ich wieder zu dem Mädchen mir gegenüber. Ihr rotes Haar war lang, reichte fast bis zu ihrer schmalen Hüfte. Als hinter meinem Rücken jemand die Tür öffnete und einen kalten Stoß Winterluft hinein ließ, erbebten ihre Schultern kurz. Sie schaute mich an und ich sah in ihren blauen Augen, daß sie mich genauso eingängig studierte wie ich sie. Wir sprachen kein Wort. Ich nahm meinen Kaffeebecher und trank ebenfalls einen Schluck. Das Zeug schmeckte grauenhaft. Wenn sie schon eins fünfzig für diese Brühe verlangen, könnte sie wenigstens gut sein – Fehlanzeige.
Das Mädchen kramte in ihrer Handtasche und förderte ein Päckchen Zigaretten zutage. „Gehen wir?“ fragten ihre Augen. Ich nickte lediglich und stand auf. Draußen zündeten wir uns jeder eine Zigarette an. Sie eine aus ihrem Päckchen und ich eine selbstgedrehte. Sie hatte mir ja eine angeboten, was ich allerdings, zumindest freundlich lächelnd, abgelehnt hatte.
Wir wandten uns Richtung Stadt und spazierten gemächlich los. Nach einigen zehn Metern spürte ich ihre Hand an meinem linken Arm und bemerkte mit einem eher beiläufigen Blick, daß sie sich bei mir einhakte. Verträumte schaute sie über die Felder und schien die ersten Sonnenstrahlen des Jahres zu genießen. Aus leichtem Wind wurde allerdings schon bald eine recht steife Briese und ihr Haar flatterte herum. Alles wirkte so unecht auf mich. Als hätte ich es durch die Augen eines Fremden beobachtet. Als wäre nicht ich selbst mit ihr auf diesem Spaziergang gewesen – oder ist es die Erinnerung an das Geschehene, welche zu verblassen scheint? Ich weiß es nicht. Wußte auch damals nicht, was es war.
Als wir die graue Stadt erreichten und langsam wieder mehr Menschen um uns herum wirtschafteten und emsig ihre Vorgärten bearbeiteten, begann auch die Sonne sich langsam gen Horizont zu bewegen und tauchte den Himmel und alles darunter in gelb und orange.
Ich wünschte ich hätte sie geküßt.

Freitag, 28. Januar 2011

Face Down

"Es ist immer leichter über das Nicht-Erreichte zu klagen, als das Erreichte zu bewundern.. so sind wir, die bescheidenen Egoisten."
Ihre Worte dringen wie durch einen Nebelschleier in mein Gehirn vor, aber noch bevor mein angeschlagenes Bewusstsein auf sie reagieren kann, bevor ich ihr sagen kann, dass sie so verdammt recht hat, dass es wehtut, dass ich bescheidener Egoist der mir entgangenen Chance sie zu ficken hinterhertrauere, anstatt mich zu freuen, dass sie mit mir spricht, mich überhaupt erst ansieht, noch bevor ich merke, dass mir womöglich in genau diesem Augenblick eine weitere Chance entgeht, spüre ich das in der Speiseröhre brennende Gemisch aus Magensäure und Galle in mir hochkochen und kotze ihr die rot-gelbe, nach Alkohol, Galle und Blut stinkende Flüssigkeit auf die Füße.
Ich murmele etwas wie "Wer is eigentlich Ben?", und stolpere in die schützende Dunkelheit, in die im Feuerschein tanzenden Schatten des Waldes davon.
Toll. Also voraussichtlich wieder ein Abend der damit endet, dass ich neben einer bedeutungslosen Schlampe nach einer bedeutungslosen Nummer einschlafe. Vielleicht wache ich auch morgen nicht zusammengekauert in den nach Schweiß stinkenden Armen einer bedeutungslosen Schicksalsgefährtin auf, sondern in den nach Kotze stinkenden Überresten einer fast völlig bedeutungslosen Nacht. Aber ganz bestimmt heißt der Song in meinem Kopf wieder "Face Down" ...

Donnerstag, 27. Januar 2011

Fear and Loathing wo auch immer.

Der verfluchte Noise von Wolf klebte mir am Trommelfell, als ich die Augen wieder öffnete und in diese total angebreitete Runde schaute. Irgend ein Gerede von einem Konzert in einer Kirche war an mir vorbeigerauscht. Nun war es schon später Nachmittag aber noch recht früher Abend, soweit ich das ohne Uhr und mit heruntergelassenen Jalousie beurteilen konnte. Ich drehte mich weg, um nicht Wolf beim Breitsein zusehn zu müssen. Der Rest hier interessierte mich eigentlich echt wenig, doch wenn der große Bruder angebreitet vor einem liegt, dann weiß man, dass Drogen keine Lösung sind. Klar ist es nur Gras. Aber jeder einzelne sollte sich Gedanken über die Langzeitwirkung machen. Es ist einfach nur schlecht.

Ich bekam einen spontanen Lachanfall und baute eine kleine, weiße Straße auf Tripps Flyer. Amphetamine sind die beste Gegenlösung wenn man keinen Bock hat zu kiffen. Man ist fit während der Rest im Hotelzimmer verteilt chillt. Man hat ein wenig mehr vom Abend. Eigentlich nehm ich den Kram ja sogut wie nie, aber man kann auf dem Zeugs einfach ficken bis der Dame die Löcher bluten. Ich atmete ruckartig durch meine Nase ein und spürte kurze Zeit später den Geschmack von gelutschten Paracetamol meinen Gaumen hinunterlaufen.

Anziehn. Umziehn. Die Horde erstmal liegen lassen. Was machen. "Ich bin ma umziehn.", sag ich. "Hm." sagen die. Ins Zimmer. Schrank auf. Anzug raus. Zwei daumenbreite Ascheflecke auf den Ärmeln. Was war gestern? Anfangs Geyzee..r. Nette Disse. Bier zum Kotzen. Benni hatte auf der Toilette zwei Homosexuelle verprügelt, die ihn auf einen Dreier einluden. Danach sind wir alle rausgeflogen. Wusste ja keiner, dasses ne Schwulendisse ist. Danach einfach auf gut Glück ins Karlovy Lazne oder so. Auf dem Mainfloor kam ordentliches Geschrubbe. Wolf hatte ne Alte angegraben und das mit Erfolg. Als ich an sie dachte, ertönte aus dem Nebenzimmer das Kaffeemaschinengeräusch unserer angeschlagenen Acrylbong. Anzug an. Nase putzen. Sex on the Beach exen. Ich lehnte mich aus dem Fenster und begutachtete die verblüffend symmetrische Kotze Wolf's. "Welcher Tag isn heute?", hörte ich mich noch selbst schreien, doch die Antwort blieb wohl aus. Meine Jackentasche gab noch eine zerknitterte No-Name-Zigarette an mich ab und ich lehnte mich aus dem Fenster und schaute mir den Prage Nachthimmel an. Es war wie eine Mischung aus Fear and Loathing in Las Vegas und Reservoir Dogs. Keiner von uns wusste, wann es wieder nach Hause ging. Wir waren einfach erst einmal da. Bis Geld alle oder Freunde tot. Ich stellte mir einen Stuhl vor das Fenster, kniete mich darauf und versuchte also Wolf's Kotze mit meiner Pisse zu umrahmen. Ganz schön schwer bei dem Abstand.

Dienstag, 25. Januar 2011

Nicht wirklich Hangover

Dieser Urlaub war die perfekte Ablösung, oder vielleicht auch die perfekte Notlösung. Auf jeden Fall schien er gut zu tun; zwar nicht meinem Körper, definitiv jedoch meiner Seele. Ich starrte hinunter. Geschätzte sieben Meter lagen zwischen mir im zweiten Stock und diesem Rohrschachgemälde aus Galle, Bier, Vodka-O, Whiskey-Coke und Pizzabrocken in dem frisch gefallenen Schnee auf dem Hotelparkplatz. Nichts, aber auch rein gar nichts hielt mich davon ab es wirklich schön zu finden. Nicht einmal das Kratzen im Hals, das meinem Verstand mitzuteilen versuchte, dieses Erbrochene sei von mir gekommen.
Woher auch sonst?!
Ich schaute weiter auf diesen Fleck, nein, dieses Kunstwerk, Ergebnis tagelanger, hemmungsloser, absurder Sauferei. Gedanken überschlagen sich. Warum war ich nochmal hier? Achja. Ich wollte Abstand gewinnen. Daheim war ich Dealer. Ja „war“. Ich wollte nicht mehr. Diese Art von Arbeit lag mir einfach nicht. Sie war viel zu stressig. Dauernd hatte man mit irgendwelchen Freaks und Idioten zu tun. Und die einzigen Frauen die man bekam ließen sich in zwei Kategorien einteilen. Teure Schlampen und billige Schlampen. Der einzige unterschied zwischen beidem lag eigentlich lediglich in den Drogen, die sie dir abnahmen, ansonsten boten sie den selben scheiß und die selben Infektionskrankheiten.
Ja, um davon Abstand zu gewinnen, deswegen bin ich hier, starre auf meine Kotze und frage mich zum Teil auch noch, was letzte Nacht war. Ich erinnere mich an genau zwei Dinge: Einen Blowjob auf der Damentoilette irgendeiner Prager Discothek und die Bodenfliesen derselben Prager Discothek nachdem ich eine aufs Maul bekommen habe. Den Schmerz hatte ich nicht einmal gespürt. Lediglich als ich dann nun aus dem Hotelfenster auf die Kotze starrte, die ich zwanzig, vielleicht auch dreißig Minuten zuvor kunstvoll dort platziert hatte, wo sie dann lag, spürte ich leichte Schmerzen an meinen Schläfen. Naja. Ist ja auch relativ egal. Wenn die alte nicht geil gewesen wäre, hätte ich mich wahrscheinlich darüber geärgert. Ich lachte leise, richtete mich endlich auf und schloß mich wieder der kleinen Partygesellschaft an, welche dabei war aus einem vormals sauberen Zimmer eine Sondermüllzone zu machen. Benutzen sie Magie? Nein. Lediglich ihren Vollsuff.
Soma drückte mir, die Worte „Weiter geht's!“ murmelnd, eine Kippe und einen Cocktail in die Hand. Ich trank, rauchte und setzte mich.
Prag war für uns Europäer wohl so etwas wie Vegas für die Amis, schoß es mir durch den Kopf, welchen ich aber so gleich schüttelte um dann Frank zu fragen: „Sag mal hast du noch Gras?“
Er grinste. „Soma gib mal meine Tasche rüber.“
Vor mir wurde ein Rucksack durchgereicht und Frank holte einen gigantischen Beutel daraus hervor. Das müßten geschätzt etwa 200 Gramm Marihuana gewesen sein. Ich hatte ehrlich keine Ahnung. Er schob seine Hand hinein und nahm eine große Blüte hinaus, legte sie auf meinen Bauch.
„Aber nicht alles auf einmal Rauchen, mein Junge!“ sagte er in gespielt mütterlichem Ton.
Okay! Prag war doch so etwas wie Vegas.
Ich stopfte die Blüte in eine leere Kippenschachtel, steckte diese in meine Bauchtasche; jedoch nicht ohne vorher etwas für einen Joint abzubrechen. Dann fiel mir ein, vielleicht doch erst Mal das Bad aufzusuchen. Also stand ich auf und ging dorthin. Am Waschbecken spritzte ich mir zunächst einen Schwall kalten Wassers ins Gesicht und spülte dann meinen Mund aus, bevor ich anschließend meine Zähne putzte. Und zurück.
Ich setzte mich wieder neben Frank auf die Couch und begann einen Joint zu bauen. Sah sogar recht gut aus. Schmeckte auch so. Wirkte auch so. Ich grinste Soma, der mir gegenüber saß, an und reichte ihm das Teil.
„Wie geht’s eig' deinem Kopf?“ fragte er.
„Tut ein wenig weh. Sieht man was?“ antwortete ich.
„Hmn, Nö.“ Er zog und lächelte. „Deine Tüten werden wohl auch besser, je besoffener du bist.“
Ich grinste und nahm den Joint entgegen, reichte ihn jedoch gleich an Frank weiter.
„Was geht heute Abend?“ sagte ein Mädchen mit tschechischem Akzent, während sie an der Tüte zog.
Ich schaute sie an und ihre Frage ignorierend sagte ich: „Sag mal, hab ich nicht wegen dir aufs Maul bekommen?“
„Und überlebt.“
„Danke.
Aber warum 'und überlebt'?“ Ich blickte sie fragend an.
„Weil mein Ex dir fast eine Kugel verpaßt hätte, wenn ich ihm nicht eine gehörige Portion Temporärkastration verpaßt hätte.“
„Okay. Dann mal wirklich Danke!“ Ich lächelte und trank von meinem Cocktail.
„Wie wär's heute mal mit was Neuem? Mir soll keiner sagen, wir hätten schon die ganze Stadt gesehen.“ warf Tripp ein, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte.
„Erklär' dich!“ rief Soma, von der Toilette. Scheiße, der Typ muß die Ohren einer Katze haben!
Tripp legte einen Flyer auf den kleinen Glastisch und wir betrachteten ihn. Soma kam dazu.
Beinahe wie ein Chor riefen wir alle aus: „Cool!“
„Wo hast du den Scheiß her?“ fragte Pete, der in diesem Moment aus seiner steinernen Wandstarrerei erwachte.
Frank erschrak und fuhr ihn an: „Du verdammter Pilzgargoyle! Erschreck mich nicht nochmal so!“
Ich nahm den Flyer in die Hand und betrachtete ihn genauer. Es ging um ein Death Metal Konzert. Allerdings war es nicht das Genre, nicht einmal die Bands, sondern die Location, welche unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Das ganze sollte in einer Kirche stattfinden.
Ich glaube ich brauch an dieser Stelle meine Vergleich nicht wiederholen. Nein ich superlativiere ihn. Prag war weit mehr als Vegas!
„Wer ist dafür?“ fragte Tripp, die Antwort wohl wissend.
Alle hoben stumm ihre Hände.

Mittwoch, 12. Januar 2011

Tandemluftballong

So sitz ich hier also: Vier Biere und mehrere Schnäpse in der Birne, die Kopfhörer auf den Löffeln, voll aufgedreht, und fahr mir ne Mischung aus Chiptunes, Ambient, Trip-Hop und noch ein paar anderen Underground-Genres rein. Und dabei denke ich an Zeiten, die ich nie erlebt habe, an Momente, die ich so oft geträumt habe, immer in dem Wissen, dass sie an der Grenze zur Wirklichkeit sowieso abgewiesen werden würden und an Gefühle, die so intensiv sind, dass sie mich ganz sicher töten würden wenn ich sie in dieser echten Welt fühlen würde.
Wie von selbst bewegt sich mein Kopf im Groove, meine Augen sind zu, nur ab und an folgen sie meinen Fingern, die auf den schmutzig-weißen Tasten mit den halb verwischten Buchstaben umherhuschen. Ganz weit hinten in meinem Kopf ruft mir etwas zu, ich solle doch einfach so sitzen bleiben, für immer. Ich höre zu. Und immer mehr glaube ich diesem Geist, der mir eine bessere Welt verspricht, eine Welt in der Gefühle nicht durch die Watte der Träume gehen müssen um mein Herz zu finden...

Freitag, 7. Januar 2011

Im freien Fluss

Gedanken,
Wesen einer fremden Welt,
doch vertraut
wie des Schicksals eisern Faust.
Lebend tot
und wunderbar verworren
klingt die Wahrheit
meiner Seele wie ein Trost,
wie tröstend fallend grauer Nebel
über Schwarz und Weiß
und gespaltener Eindeutigkeit.

Satt von tausend
fürstlichen Banketten,
dürstend schwach,
im Wunderland des Wahnsinns
schwebt ein kleines Licht.
Im freien Fluss der Emotionen
dies Lichtlein dort
bin ich.