Donnerstag, 21. Oktober 2010

Spuren im Schnee II

Monoton und hypnotisch wummern die Bässe durch meine Eingeweide und hinterlassen ein immer stärker werdendes unzufriedenes Zittern. Ich verlasse die Tanzfläche auf wackeligen Beinen in Richtung Ausgang. Beim Aufstoßen der Tür schlägt mir klirrende Kälte ins Gesicht, krabbelt kurz darauf durch mein schweißnasses Shirt und lässt mich direkt neben der rostigen Stahltür erstarren. Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel; "Wie die Asche verbrannter Engelsflügel", schießt mir durch den Kopf, "nach der letzten Schlacht um das Himmelreich."
Ich zünde mir die letzte Zigarette, die ich in dem zerknüllten Softpack finde, an (wie passend) und laufe los, schreibe eine frische Spur in die ansonsten makellose Schneedecke. Irgendwo in der Ferne höre ich ein paar Betrunkene grölen, an einer Straßenecke stehen ein Männlein und ein Weiblein eng umschlungen im Schneegestöber. Ich schlage den Weg in die Felder ein, dorthin wo niemand sonst ist und setze mich schließlich auf die Lehne einer eingeschneiten Bank, sehe auf die Felder und die schwach beleuchteten Straßen hinab und warte auf das für kurz nach zwei Uhr vorhergesagte Ende der Welt.

Freitag, 1. Oktober 2010

Un-Ich

Ich sitze also hier herum, lasse das neue Album von den Chemical Brothers laufen, danach Londinium von Archive, und schaue der Zeit beim Vorbeifliegen zu, greife nach einzelnen Sekunden, halte sie in meinen Händen gefangen weil ich glaube dass sie etwas bedeuten, betrachte sie ganz genau, von jeder Seite und lasse sie dann wieder frei. Sich in irgendwas zu verlieren ist so einfach, das Wiederfinden ist es, das schwer fällt. Konzentration ist ein wertvolles Gut, aber schnell getauscht für Träumerei, für das Gefühl des Fliegens zwischen tausend Stimmen und Stille, zwischen Sonne, Mond und Sternen. Nichts erreicht, nichts geschafft, nichts versucht, nur geträumt. Pfui! Schäm dich!
Ich genieße die sanften Vibrationen der warmen Holzplatte unter meinen Handgelenken. Nur ein bisschen mehr. Ein bisschen länger, nicht mehr lang. Drehe am Volume-Knopf, mehr Bass, mehr Vibration, mehr Träumerei, mehr Hypnose, ein klitzekleines Stück Tod. Wieder versuche ich mich zu konzentrieren. Zieh am Seil! Die Reißleine reißt, der Wind reißt an mir, nur einen Augenblick, dann bin ich schwerelos. Unter dem Himmel herrscht Nebel, hängt drohend über Bergen, Tälern, Wäldern, Seelen, macht alles grau und kalt. Klarheit: Unklar. Wissen: Unwissen. Menschen: Unmenschen. Ich: Un-Ich.

Antiquität: Der Narr

nur ein narr,
nur eine illusion,
eine täuschung
ohne weitere funktion

nur ein versuch
doch keine illusion,
keine täuschung
...

nur ein narr,
eine illusion
doch keine täuschung
denn er ist real...

gut oder schlecht
oder nur ein narr?
gut oder unrecht?
wirklich echt?

nur echt in der zeit
nicht im raum...
im traum?
der narr...