Freitag, 26. März 2010

Kataton

Ich sitze in einem Raum auf einem Sessel. Ich kenne den Raum bis ins letzte Detail, weil er seit vielen Jahren meine Zuflucht ist; der Ort, den außer mir nur wenige betreten dürfen. Ich wohne in ihm, aber er ist viel mehr als nur ein Raum, der mich vor dem Wetter beschützen soll, in ihm schwebt so viel Energie. In diesem Raum lernte ich zu lieben und zu hassen, zu lachen und zu weinen. Ich lernte hier so vieles, noch bevor meine Erinnerung und mein Bewusstsein einsetzten, aber obwohl ich mich nicht erinnern kann weiß ich, dass dieser Ort mich geprägt hat und dass ich mit ihm verbunden bin, egal wohin ich gehe.
Jetzt sitze ich auf meinem Sessel und tausende Gedankenfetzen schießen mir durch den Kopf, von denen ich nur hin und wieder einen greifen kann. Ich habe Angst, soviel ist mir klar. Eine unglaublich starke Angst, die Angst vor dem was mit mir passieren wird. Ich kann mich nicht bewegen, sosehr ich auch meinen Willen darauf konzentriere, auch nur meinen kleinen Finger kurz zucken zu lassen. Es fühlt sich an, als ob in meinem Hinterkopf eine Wand steht, die jeden Reiz der mein Gehirn verlassen will sofort löscht. Ich sitze inzwischen seit Stunden oder auch Tagen hier, bewegungslos, nicht einmal meine Augen kann ich bewegen, einzig mein Herz schlägt, meine Lunge atmet und meine Augenlider zwinkern ab und an. Aber all das geschieht, ohne dass ich Einfluss darauf nehmen kann.
Das schlimmste ist, dass ich genau weiß was mit mir passiert ist, warum ich hier sitze und nicht aufstehen kann und warum ich vermutlich hier sterben werde. Zuviel Schmerz, zuviele Drogen, zu viel vom Leben. Aber meinen Tod, sosehr ich ihn mir manchmal herbeigesehnt habe, hätte ich mir anders gewünscht. Laut und aufsehenerregend, nicht leise und jämmerlich, unfähig etwas dagegen zu unternehmen. Ich soll hier einfach sterben wie ein altes Tier, das sich irgendwo verkriecht um beim Sterben nicht gestört zu werden…
Langsam kommt mir alles immer mehr wie ein Traum vor, die Wirklichkeit wird unwirklicher, wie kurz vor dem Einschlafen. Einige Male reißt mich dieser Gedanke zurück. Ich will nicht einschlafen, ich will wachbleiben und der Welt zeigen dass ich ihr überlegen bin. Schließlich fallen mir endgültig die Augen zu und der Raum, der Sessel auf dem ich sitze und die Erinnerungen um mich herum übergeben mich an den nächsten Fährmann auf meinem Weg…

Donnerstag, 25. März 2010

Guten Morgen Darling

"Der Amokfahrer, der dieses Wochenende ganz Europa den Atem anhalten ließ, erlag heute Nacht im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Wir geben Ihnen jetzt nochmal einen Überblick über die Ereignisse ..."
Ich schaltete um und um und um ... Überall brachten sie diesen Mist. Es nervt einfach, wenn man die ganze Zeit nur diese depressive Kacke aufgetischt bekommt. Ich legte eine CD ein und öffnete mein Bier zu den Klängen von irgendeiner Heavy-Metal-Schwuletten-Kreischgesang-Fuck-Band. Liz lag auf dem Bett und bequemte sich nun langsam auch sich zu bewegen und aufzustehen. Ich rauchte und ließ mich von der Sonne grillen.
"Mach mir doch bitte auch ne Kippe, Wolfi." hörte ich sie murmeln, während sie sich strekte und aufsetzte. "Wie lang, biste denn schon wach?" Ich schaute sie an, lächelte und drehte Wortlos eine Zigarette. Dafür, daß dieser spontane One Night Stand nun schon 5 Tage ging, waren wir beide uns noch recht unbekannt miteinander, aber es machte Spaß und sie wurde mir mit jeder Stunde sympathischer. Eins A!
Sie stand auf und setzte sich auf meine Schoß. Ich gab ihr die Zigarette und sie zündete sie an. "Hast du meine Frage nicht verstanden?" - "Doch schon, aber irgendwie weiß ich es grad nicht. Es dürften schon 2 oder 3 Stunden sein." - "Und was hören wir da grad? Das ist ja schreckliches Zeug."
Ich zuckte mit den Schultern und warf einarmig eine andre CD ein und plötzlich wurden wir von den einlullenden Buldozerholzereien von Brodequin umschwirrt.
PLING! - da fing auch schon der IM an zu nerven. Kaum ist es zwölf Uhr und schon sind alle Leute wach und wollen irgendwas. Neue Nachricht von Tripp.
"Gude. Hast du bock auf die Party bei Floppy heute?"
Ich drückte meine Kippe aus und Antwortete schnell: "Jau klar. Ich bring Liz mit ;-)"
"Hahahaha ... Ist die immer noch bei dir?"
Liz las mit und mußte lachen. "Sag ihm mal, daß du mich unbedingt um dich brauchst und ich dich nicht allein lassen kann."
"Schreib ihm das mal selbst, Baby. Ich werd jetzt schnell zum Bäcker. Wir brauchen schließlich Frühstück."
Sie ließ mich aufstehen und ich zog mir meine Essengeldtreter an. Dann warf sie sich mir um den Hals und gab mir eine Kuß den ich genußvoll erwiderte. "Bring mir Croissants mit, Darling." - "Ja mach ich." Ich lächelte und sie strahlte mich mit ihren rehbraunen Augen an.

Also ab an die frische Luft. Die Sonne stand hoch am blauem Himmel und ich mußte feststellen, daß der Terminus "frische Luft" nicht ganz stimmte. Es war ein wahrlicher Backofen hier draußen. Die Luft auf dem Asphalt flimmerte und ich verspürte dieses gewisse Brennen auf dem Nasenrücken. Nach ein paar hundert Metern war ich allerdings bereits im Backshop und konnte den wirklich erfrischenden Lufthauch des Ventilators im Kundenbereich genießen.
Ich begrüßte die kleine dickliche Frau hinter der Theke "Guten Tag Frau Schröder, Wie geht es Ihnen heute?"
"Gut geht es mir. Und dir, Wolf?"
Ich schaute sie grinsend an. "Mir geht es wunderbar. Ich hätte gern zwei einfache Brötchen, zwei Croissants und zwei Becher Kaffee zum Mitnehmen." Sie begann das Brot einzupacken und machte dann die zwei Kaffee.
"Hast du immer noch dieses hübsche Mädchen zu Besuch, das am Montag mit dir hier war?" - "Ja Frau Schröder und es ist eine tolle Zeit mit ihr."
Sie gab mir die Waren und ich bezahlte sie.
"Auf Wiedersehen und einen schönen Tag noch."
"Dir auch, mein Junge. Laß es dir gut gehen."

Als ich wieder zurück war, hatte Liz schon den Tisch gedeckt. Sie küßte mich zur Begrüßung und nahm mir den Kaffee und das Brot ab.
"Tripp holt uns in zwei Stunden ab und Floppy hat angerufen. Er sagt wir sollen Grillfleisch mitbringen und nicht wieder auf der Toilette vögeln, wie letzte Woche."
Ich sah sie an und zog meine linke Augenbraue hoch, während ich mein Brot aufschnitt. "Ach haben wir das?"
"Nein, wir waren im Zimmer seiner Eltern, aber das wollte ich ihm jetzt nicht sagen." Sie lachte und steckte mich sofort damit an. Auch wenn sie wie ein Raubtier aß, war sie eine echte Bombe. Alles an ihr stimmte. Ich konnte mich über alles mit ihr unterhalten und ich genoß ihre Gegenwart einfach. So etwas passiert einem auch nicht alle Tage.
Ich aß auf und trank meinen Kaffee. Liz stand auf stellte sich hinter mich. Sie legte ihre Hände auf meine Schultern und begann mich zu massieren. Genau das hatte ich jetzt gebraucht.
"Hmmmmnnn ... das machst du gut." sagte ich und legte meinen Kopf in den Nacken und sie küßte mich auf die lippen. Dann zog sie mich hoch, nahm mich an die Hand und zog mich in die Dusche wo wir uns prompt unserer Kleider entledigten. Wir begannen uns zu duschen und scherzten. Dann schaute sie mich plötzlich an und sagte nur: "Fick mich, Baby!" Ließ ich mir das zwei mal sagen? Natürlich nicht und schon war mein Schwanz tief in ihrer Muschi versenkt.
Nach etwa einer halben Stunde waren wir dann fertig mit duschen und dem Drumherum.
Irgendwann klopfte dann Tripp an der Tür und holte uns ab.

Mittwoch, 24. März 2010

Katerbier-Conversations

"Was ist das Letzte, woran du dich erinnerst?"
"Weiß ich nich', habs vergessen."
"Idiot..."

Das Katerbier in der einen, die zweite Guten-Morgen-Kippe in der anderen Hand liefen die beiden die Straße entlang. Aus irgendeinem Grund brannten die Straßenlaternen noch, obwohl es inzwischen so gut wie taghell war. Hinter ihnen wurde es laut, dann peste ein blauer Subaru mit einem Tempo an ihnen vorbei, das keinen Zweifel an der Tatsache zuließ, dass der Fahrer noch immer absolut knülle war. Das Mädel auf dem Rücksitz winkte ihnen zu. Kleiner Teufel in Frauengestalt.

"Erinnerst du dich wenigstens an dieses Mädel?"
"Nein, wer is' das?"
"Liz. Geiles Gerät, aber leider die ganze Nacht ausgebucht."

Frank schnippte seine Kippe in hohem Bogen weg. Sie landete auf einer Hecke. Als Pete seine Kippe in den Rinnstein auf der anderen Straßenseite befördert hatte fragte er:

"Is' der Neger eigentlich gekommen?"

Die Antwortmöglichkeiten auf diese Frage waren beinahe unzählbar, auch wenn einige weniger komisch waren als andere. Frank entschied sich für:

"Ja, ist er. In der Kleinen, die du so heiß fandest. Deshalb mussten wir uns die andere teilen."
"Achso... Merkwürdig..."
"Warum merkwürdig?"
"Weil ich's nie mitbekomme, wenn ich 'nen Dreier hab..."
"Besser so, das war die reinste Katastrophe."

Pete schien angestrengt nachzudenken. Er drehte seine soeben gebastelte Zigarette in den Fingern. Schließlich schien etwas in seinem Kopf "Klick" zu machen und er meinte:

"Vielleicht sollten wir ein Buch schreiben über den ganzen Scheiß, den wir schon zusammen erlebt haben und wahrscheinlich noch erleben werden."
"Wenn das jetzt hier ein schwuler Moment wird, bin ich raus."
"Homophobie? Wär ja ganz was neues. Nee, ich mein', wir könnten echt da was draus machen, dass wir immer zufällig in die dämlichsten Situationen kommen. Zum Beispiel letztens die Aktion mit dem Typ in dem geklauten R8 der uns fast gekillt hätte und dann selbst den Löffel abgegeben hat."
"Ich weiß schon was du meinst, aber es ist schwer, über etwas zu schreiben, an das man sich nicht erinnert. Ich mein, die Hälfte von dem Buch müsste ich ja alleine schreiben."
"Arsch... Naja, eigentlich hast du recht. Und eigentlich will ich auch kein Buch schreiben, mir ist nur ein genialer Titel eingefallen für ein Buch und den wollt' ich dir mitteilen."
"Ich bin ganz Ohr."

Genüsslich warf Pete seine Kippe hoch, fing sie mit dem Mund auf, zündete sie wichtigtuerisch an und verkündete seinen Geistesblitz:

"Katerbier-Conversations"

Einsame Vögel

Es sitzt ein Vogel auf einem Baum,
beobachtet nichts als den leeren Raum.
Und unten ziehen die Menschen vorbei
als wenn der Vogel im Baum gar nicht sei.

Ein zweiter Vogel erscheint im Geäst,
fragt, ob der erste ihn bleiben lässt.
Und unten ziehen die Menschen vorbei,
als wenn die Vögel im Baum gar nicht seien.

Der erste klagt dem zweiten sein Leid,
sei niemand ihn zu beachten bereit.
Und unten ziehen die Menschen vorbei,
sehn nicht nach oben trotz lauten Geschrei.

Der zweite reckt sich zum ersten empor,
sagt ihm geheime Worte ins Ohr.
Und unten hüpft lachend ein Mädchen daher,
als wenn die Verschwörung im Baum gar nicht wär.

Die Vögel stürzen heraus aus dem Laub
und hacken dem Mädchen die Augen aus.
zu blutroten Schnäbeln, zu schwarzen Federn
werden sich angstvoll jetzt Blicke erheben.

Samstag, 20. März 2010

I got what I came for

Vor mir auf der rechten Spur taucht ein blau-silbernes Auto mit Blaulichtanlage auf dem Dach aus der Dunkelheit auf. Die Blaulichter hinter mir sind immer noch im Rückspiegel zu sehen, kommen aber nicht näher. Vor mir blitzt ebenfalls das Blaulicht auf, der BMW huscht zwischen zwei Kleintransportern hindurch auf die linke Spur vor mich und will mich ausbremsen. Ich schieße in dieselbe Lücke, von da aus knapp hinter einem LKW vorbei auf den Standstreifen und trete das gummibezogene Metall bis zum Wagenboden durch. Die ESP-Warnleuchte blinkt kurz auf, dann greifen die Reifen und der 5,2-Liter-V10 tritt mir mit über 500PS in den Rücken und drückt mir buchstäblich die Luft aus den Lungen. Schnell bleiben die blauen Männchen hinter mir zurück und ich steuere den Audi zurück auf die linke Spur. Die Welt rast jetzt mit fast 300 Sachen an mir vorbei und ich bin mir sicher, dass ich hier noch nie war. Ist ja aber auch egal, diese Amokfahrt wird sowieso bald an einer Straßensperre ein würdiges und vor allem lautes Ende nehmen. Meiner Meinung nach die einzig denkbare Möglichkeit, eine solche Fahrt zu beenden. Hoffentlich kann ich noch den Sonnenaufgang sehen. Ich warte auf einen Streckenabschnitt ohne Verkehr und nehme kurz die rechte Hand vom Lenkrad um nach der 5,0-Dose im Fußraum zu angeln. Ich finde sie, öffne sie mit einer Hand und achte dabei darauf, dass der gut geschüttelte Gerstensaft nicht auf die Windschutzscheibe spritzt. Ein großer Schluck, dann noch einer. Ich stelle die Dose in den Getränkehalter und fahre mit grellgelb leuchtender ESP-Leuchte eine rabiate Ausweich- und Abdrängmanöverkombination gegen einen Möchtegern-Raser, der mit 220 oder so auf der linken Spur unterwegs ist. Im Rückspiegel noch das wütende Aufblitzen der Lichthupe, dann bin ich schon ganz woanders. Ich stelle mir das Gesicht des Prolls vor, wenn er gleich von vier oder fünf Streifenwagen zur Seite gepöbelt wird und muss grinsen...

Plötzlich spüre ich etwas an meinem linken Arm. Es fühlt sich an, als hätte ich mir das warme Bier drübergekippt, aber die Dose steht im Getränkehalter. Ich ziehe den Ärmel hoch und stelle fest, dass einige der tieferen Schnitte wieder angefangen haben zu bluten. Es wird höchste Zeit die Sache zu Ende zu bringen. Am Horizont wird der Himmel langsam heller. Noch eine halbe Stunde vielleicht, dann wird die Sonne aufgehen. So lange will ich noch weiterfahren, nur den Sonnenaufgang sehen, ein letztes Mal, danach könnte von mir aus auch die Welt untergehen. Aber noch nicht jetzt...

Die Sonne scheint mir inzwischen fett und rot direkt ins Gesicht, so dass ich nicht wirklich sehe, was vor mir ist. Nicht gerade die schönste Art einen Sonnenaufgang zu erleben, aber es muss reichen. "I got what I came for". Der Song geht mir jetzt nicht mehr aus dem Kopf, aber schlimm ist das nicht. Es ist ein guter Song, wenn man kurz davor ist, mit ordentlichem Krach abzutreten und genug vom Leben gesehen hat, um es nicht mehr leben zu wollen...

Vor mir erscheint die Straßensperre, ein glänzender Wurm, der sich quer über die Autobahn gelegt hat. Schon dreist, die ganze Autobahn dichtzumachen für einen einzelnen angetrunkenen Selbstmord-Amokfahrer. Aber gut, warum auch nicht, die Bild braucht ja auch mal wieder eine gute Story. Ein letzter Tritt aufs Gaspedal, ohrenbetäubender Lärm, und ein Schlag, den ich trotz seiner Wucht kaum noch mitbekomme...

Come take me anywhere,
Come take what's left of me,
I've already got what I came for...

Freitag, 19. März 2010

Der ultimative Augenblick

Kleine Wellen stoßen sanft gegen meine nackte Brust und versetzen meinen Körper in leichte Schwingung. Ich taumle durchs Wasser und beobachte gespannt, was am Horizont geschieht. Die Sonne geht langsam unter, kleine Wolkenfetzen treiben an ihr vorbei, färben sich rot, dann langsam violett. Alles scheint wie in Zeitlupe abzulaufen, als wollte die Welt diesen einen, wundervollen Augenblick nicht loslassen. Warme Hände berühren meine Hand, meinen Arm, schließlich meine Schultern und meinen Hals. Im diesem Licht wirkt die ohnehin wunderschöne Frau neben mir wie eine Göttin. Sie scheint die tiefen Schnitte, die meinen Körper zieren mit ihrer Berührung zu heilen, die Verletzungen ungeschehen zu machen, die Narben verschwinden zu lassen. Alles fängt an zu kribbeln, aber es ist ein angenehmes Kribbeln, die Ankündigung eines weiteren wundervollen, fast ewig und trotzdem wahrscheinlich viel zu kurz andauernden Augenblicks. Scheiß drauf, denke ich mir, alles ist nur ein Augenblick und je schöner er ist und je länger er dauert, desto besser. Carpe diem. Oder besser carpe noctem. Oder doch besser carpe momentum, scheißegal ob Tag oder Nacht. Und das hier ist der Paradies-Moment, der ultimative Augenblick. Meine Hände erwidern die zärtliche Berührung. Über mir der tiefviolette Himmel und ein paar Palmenzweige, um mich herum das warme Wasser und bei mir das schönste Wesen, das Darwins verschissener Evolutionsapparat jemals hervorgebracht hat...

Da war doch noch was ...

Wir saßen in dem blauen Subaru und flogen mit fast 200 Sachen die A 66 entlang. Es war ein sonniger Sommertag und ich saß unangeschnallt auf dem Beifahrersitz, trank lauwarmes 5,0 und blickte über den Rand meiner Sonnenbrille zu Tripp hinüber der ebenfalls oben ohne und unangschnallt da saß. Aus dem Autoradio brüllte die erste Korn-CD und wir trugen beide ein vorfreudiges Grinsen im Gesicht.
Ich drehte leiser und fragte: "Willst du auch eine Kippe?"
"Ja klar!" kam die Antwort, wie aus der Pistole geschossen.
Ich drehte also zwei Zigaretten, zündete sie an und reichte Tripp seine hinüber.
"Sag mal", meinte er, "wenn ich jetzt 'ne Vollbremsung machen würde - was würde dann passieren?"
"Gegenfrage: Bist du noch voll von gestern?"
"Jap, aber nun sag mal, was würde dann passieren?"
Ich schaute ihn an und mußte lachen. "Ich denke wir würden eine 300 Meter lange Bremsspur auf dem Asphalt hauen und dann mit geplatzten Reifen ins Trudeln kommen, nach dem wir eine der größten Massenkarambolagen hinter uns erzeugt haben, die man seit langem gesehen hat."
Dann grinste ich noch breiter: "Anschließend würden wir warscheinlich total unbeschadet aussteigen, unsere Kippen weiter rauchen und müßten zu Fuß weiter; worauf ich allerdings überhaupt keinen Bock habe."
"Okay, dann eben nicht." sagte er breit grinsend. "Und wer ist diese Tusse dahinten?"
"Ich habe nicht die blasseste Ahnung, aber sie lag heute früh neben mir. Also dachte ich mir, wir könnten sie doch mitnehmen."
"Auch wieder wahr. Meinst du sie würd's mit uns beiden treiben?"
Plötzlich kam ein Murren von hinten und ein dunkelblonder Schopf reckte sich nach vorn. "Na dann fragt mich doch einfach, ihr blöden Wichser." Dann beugte sie sich zu mir, gab mir einen Kuß und klaute mir dreisterhand das Bier zwischen den Beinen weg.
"Wie weit ist denn das noch, Wolf?"
"Ey, ich hab keinen Plan. Ich bin genauso voll wie unser Fahrer hier, und der hat auch keine Ahnung."
Tripp schaute mich kurz an: "Wolf, hör auf immer für mich zu sprechen. Und zu dir namenloser Schönheit da auf dem Rücksitz! Ich habe keine Ahnung, wie lange wir noch brauchen."
Ich drehte mich auf dem Beifahrersitz und schaute nach hinten - verdammt sie war echt schön. "Wie heißt du eigentlich nochmal?"
Und sogleich handelte ich mir einen gespielten bösen Blick ein, der sofort von einem Lächeln gefolgt wurde. "Du warst wohl doch besoffener, als ich dachte, Süßer. Mein Name ist Liz und du hast mir gestern Abend noch eine menge Dinge gezeigt, als wir nach der Party bei dir waren."
"Das letzte, woran ich mich erinnern kann, sind zwei Typen, die über rosa Kryptonit geschwafelt haben." sagte ich etwas nachdenklich, "Aber das was du erzählst, klingt gut. Wollen wir das später vielleicht wiederholen und du frischt meine Erinnerungen ein Bisschen auf?"
"Klingt gut!"
"Darf ich mitmachen!" Tripp lachte.
"Du hast mich gestern schon nicht mit dem Arsch angeguckt, du Blödmann." keifte Liz ihn an.
"Tja, Tripp, da hast du deine Antwort." Ich konnte nicht anders, als blöde zu grinsen.
Er schaute mich an und grinste. "Ich glaub, meine Freundin hätte eh was dagegen."
"Sehr gut. Ich dachte schon, du hättest sie vergessen."
Ich machte noch ein Bier auf und zündete mir eine weitere Zigarette an. "Ich glaube das wird ein schöner Tag."

Donnerstag, 18. März 2010

Rosa Kryptonit

"Rosa Kryptonit...", murmelte Frank.
"Was is'n damit?", fragte Pete.
"Naja, es gibt grünes Kryptonit und rotes Kryptonit und sowieso sauviele Farben die Kryptonit haben kann. Also muss es doch auch rosanes geben."
"Und was soll das dann können?".
Frank überlegte. Eine gute Frage. Sein Blick wanderte umher. Vor der Hecke ein abgestürzter Minderjähriger, der den immergrünen Busch mit seiner orangeroten Kotze düngte. Am Horizont die Sonne, die groteskerweise dieselbe Farbe hatte wie die Kotze des Kleinen. Und mit ihr auch der ganze Himmel. Eigentlich ein echt schönes Bild, leider aber in Kombination mit dem kotzenden Hänfling so ziemlich seiner Faszination beraubt.
"Ein angekotzter Himmel..."
"Was? Sieht doch toll aus.", entgegnete Pete.
Frank streckte gespielt gelangweilt den Arm aus und deutete auf das Kind im Busch.
"Ok, verstehe." Nachdenkliche Pause. Dann wieder Pete: "Isses pervers, wenn ich mir vorstelle, wie ein fetter schwarzer Neger das scheiss Kind da vorne am Kragen nimmt, ihm ordentlich den Arsch versohlt, es von dieser Party entfernt und dann brutal vergewaltigt?"
"Ich denke das geht ok, dieses blöde Gör hat mir total die Stimmung versaut, als es sonnenuntergangfarben in die Hecke gekotzt hat."
Wieder Schweigen, das schliesslich nicht von einem der beiden gebrochen wurde, sondern von merkwürdigen schmatzenden und saugenden Geräuschen.
"Wasn jetz'?", fragte Pete.
Frank streckte wieder gespielt gelangweilt den Arm aus und deutete auf zwei (minderjährige) Mädels im Pool, die offenbar soeben ihre Sexualität entdeckt hatten und sich gegenseitig die Zungen in den Hals schoben und es dabei sogar noch irgendwie schafften, nicht eben leise zu stöhnen und zu schlabbern.
"Ok, die mit den dunklen Haaren sieht sogar was aus. Ich denke wenn ich die beiden heute Nacht umbringen würde, wäre die diejenige, die nicht als Jungfrau sterben würde."
"Die haben beide dunkle Haare, Pete..."
"Ja du weißt schon, die mit dem Tattoo am Fußgelenk."
"Ich sehe ihre Füße nicht, Pete..."
"Ach Mensch, die Linke!"
"..."
"Von uns aus die Linke, gut jetz?!"
"Sehr gut, Pete... Aber ich würde sagen, die andere soll heute Nacht auch nicht als Jungfrau sterben."
"Darauf Prost."
Klirrende Bierflaschen, sich gegenseitig abschlabbernde minderjährige Mädels im Pool und ein kotzefarbener Himmel... Perfektes Ambiente für eine gelungene Party...
"Um zum Thema zurückzukommen: Meine These ist, dass rosanes Kryptonit schwul macht..."

Mittwoch, 17. März 2010

Herzklappenaspirincocktail

"Wow, letztens hab' ich ne Alte im Treppenhaus gefickt, die hat die ganze Zeit so kryptischen Mist gelabert.", sagt Locke und drückt seine Pall Mall Rot auf dem halb aufgegessenen Cheeseburger aus, der auf dem Tisch zwischen Disco-Flyern und Porno-Magazinen liegt.
"Meinst'n damit?", antwortet Thomas, der sich noch vor fünf Minuten an dem Waschbecken festklammerte und verkrampft zu kotzen versuchte, es ihm allerdings nicht gelang. Gestandene Männer schlucken ihre Kotze wieder herunter, selbst wenn sie es nicht wollen.
"Naja sie meinte, sie hätte mal ihre Katze komplett rasiert und die Haare geraucht in der Hoffnung, dass es irgendwie high macht." Wir alle sind schon ziemlich vom Gras zugedröhnt und das Bier trägt dazu bei, dass der Körper seit einer halben Stunde kribbelt, als hätte man stetig einen Kreislaufzusammenbruch. Alkohol und Gras ist meiner Meinung nach das Schlimmste, was sich ein gut in die Gesellschaft integrierter, politisch korrekter Minikiffer antun kann.
"Und, schlugs an?", frage ich.
"Nich wirklich."
"Manchmal denke ich darüber nach mir einen Schlauch in den Arsch zu stecken und dann meine eigene Scheiße recyclingmäßig wieder zu mir zu nehmen. Ich möchte ein Cyborg sein. Mir in Wodka aufgelöstes Aspirin in die Herzklappen spritzen, damit alles betäubt und ich wie beim Zauberer von Oz als Blechmann rumrenne, mit meinem verdammten Schlauch im Arsch und irgendwelche bösen Hexen zerstöre."
"Kannst du dir nicht normale Superhelden in deiner zugekifften Birne zusammensuchen, Thomas? Das ja eklig.", meine ich.
"Wieso?", fragt Locke: "Bist du von dem Jungen andere Sachen gewohnt? Kannst du dich noch daran erinnern, als er drei Tage vor Muttertag in eine Klinik gehen wollte, in der sie Schwangerschaftsabbrüche machen und den Arzt nach dem Mutterkuchen fragen wollte weil das wie ein Kuchen für seine Mutter am Muttertag klingt?"
"Ich fand die Idee gut.", sagt Thomas und blättert in der Februar-Ausgabe der "ÖKN".
Dicke, unrasierte Frauen räkeln sich auf einem mit rotem Satin überzogenen Bett, während sich der Glazkopf am Bildrand eine Salatgurke in den Arsch schiebt. Seite 24.
"Nachgeburten sollen nahrhaft sein, hab' ich mal gelesen.", sagt Locke: "Vielleicht fährt deine Mum ja auf den Scheiß ab."
"Meine Mutter ist tot."
"Ich weiß. Kannst ihr das Ding ja aufn Grabstein klatschen."
"Ich hasse dich."
"Und ich hasse dich auch, Thomas."
"Und ich hasse euch alle beide. Wichser."
Und so sitzen wir im Zimmer 109 des Internats.
Und stopfen noch ein wenig Gras in die Acrylbong und kiffen auf verlorene Tage.
Und trinken Hasseröder Premium Pils und saufen auf tote Eltern und Nachgeburten von Rindern.
Und hassen uns.

Dienstag, 16. März 2010

Kopfnebel

Aus den völlig überforderten Lautsprecherboxen quält sich ein Song von Nirvana, den ich nach genauerem Hinhören als "Endless, Nameless" identifizieren kann. Die Schlampe vor mir auf dem Boden ist zu fertig, als dass man mit ihr noch was anfangen könnte. Man könnte sie auch als klinisch tot bezeichnen und würde sich damit durchaus noch auf sicheren Grund bewegen. Ich steige mit einem großen Schritt über sie. Welche ungewollte Komik in dieser Formulierung liegt, fällt mir erst auf, als ich bereits die Hälfte meines Blaseninhaltes in trunkenhaft-zielsicherer Manier über das Balkongeländer befördert habe. Schluss mit zielsicher, ich muss über meinen eigenen Gedanken lachen und pisse mich prompt voll. Egal, hier ist sowieso niemand mehr, der sich daran stören würde. Und sich anzupissen ist in dieser Höhle eines der wirklich kleinen Übel. Auf dem Geländer steht eine Bierflasche. Ich meine mich dunkel zu erinnern, dass ich sie bei meiner letzten, sauberer verlaufenen, Pissorgie hier abgestellt hatte. Während ich mit der linken Hand versuche, meine Hose zu schliessen, halte ich mit der rechten die Flasche gegen das Licht der Straßenlaterne schräg rechts auf der anderen Straßenseite. Etikett abgepult: Es IST meine Flasche. Kippenstummel drin: Es WAR meine Flasche. Rechtes Handgelenk: Leichter Schlenker nach vorne, dann insuffiziente Hilfeleistung beim Schließen des Hosenknopfes. Auf der Strasse zerbrechendes Braunglas. In meinem Kopf der Entschluss, die Hose einfach offen zu lassen. Vielleicht wird ja die fertige Schlampe nochmal wach...

Ich setze mich wieder in der Küche auf den Boden und drehe mir eine Zigarette, die starke Ähnlichkeit mit einem Fisch zu haben scheint, aber das mag an den Halluzinogenen liegen. Der Test: Ding in den Mund und anzünden. Qualmt, stinkt, tut gut... Eingelullt von Nirvanas "Stain" versuche ich ein wenig Ordnung in meinen Kopf zu bringen. Vielleicht sollte ich damit anfangen, herauszufinden, warum ich hier bin. Oder vielleicht doch besser, WO ich bin...? Ich sehe mich um. Ein Bühnenbild aus "Fear and Loathing in Las Vegas", nur einige Details sind anders. Ich bin also entweder auf einer echt heftigen Party oder in einer Drogen-WG. "Vielleicht beides?", schießt mir durch den Kopf. Ich stehe auf, ignoriere den kleinen grünen Kobold am Rande meines Gesichtsfeldes und suche einen Bewohner dieses Schuppens. Im Raum nebenan finde ich zwei Gestalten, Männlein und Weiblein, deren Art der Bekleidung (keine) und Körperhaltung den eindeutigen Schluss zulässt, dass die beiden einfach beim Poppen eingeschlafen sind. Arme Gestalten. Kurz überlege ich, einen Edding zu suchen, entscheide mich dann aber doch für Ketchup. Kurze Zeit später bieten das Zimmer und die beiden Schlafenden einen - meiner kranken Meinung nach - sehr viel schöneren Anblick. Ein Stöhnen aus der Küche, dann ein Würgen. Die fertige Schlampe ist wieder wach. Ganz gentleman-like lasse ich ihr noch Zeit um sich ordentlich auszukotzen...

Als ich fertig bin und meine Hose diesmal sogar ordnungsgemäß geschlossen habe, drehe ich mir wieder eine Kippe, die tatsächlich nach dem aussieht, was sie ist und setze mich wieder in die Küche. Während der blaugraue Nebel vor meinen Augen nach oben zieht, scheint auch in meinem Kopf der Nebel langsam aufzubrechen, aber was zum Vorschein kommt, ist nichts was ich sehen oder wissen will. Alles an das ich mich jetzt erinnern will ist, wo meine Gesundmacher sind, die den Kopfnebel wieder zuziehen wie den Vorhang nach einem schlechten Theaterstück...

Montag, 15. März 2010

Der einsame Mann

Eine Erzählung mit einer Frage am Anfang; wer hatte sich das nur ausgedacht? Er selbst war es nicht gewesen und konnte auch keinen Gefallen an dieser Art der Einleitung finden, dennoch waren die ersten holprig von seiner Zunge stolpernden Worte: "Hattest du schonmal das Gefühl, ganz allein auf der Welt zu sein?" Die zu erwartende Reaktion erfolgte: Keine. Sein Gegenüber schwieg und sah ihn erwartungsvoll an. "Weisst du, ich habe dieses Gefühl oft, besonders an Tagen wie diesem. Regen oder Schnee, oder auch ein Sternenhimmel geben mir oft das Gefühl, jemand wolle mit mir reden." Wie unzusammenhangslos diese Sätze waren, fiel ihm auf, kurz nachdem er sie beendet hatte. Er fuhr fort: "Aber Wolken verdecken die Sterne oder auch die Sonne und lassen den Regen nicht frei. Sie wollen nicht, dass jemand mit mir spricht; wenn der Himmel also bedeckt ist, fühle ich mich einsam; so wie heute." Ein kalter Windstoß fegte Blätter über den Boden. Er knöpfte seine Jacke zu, sein Gegenüber nahm jedoch keine Notiz von beidem, sondern blickte ihm weiterhin erwartungsvoll in die Augen. Er sah das als Aufforderung an, weiterzusprechen. "Alleinsein ist keine schöne Sache, finde ich. Es gibt Menschen, die dafür kämpfen würden, allein zu sein; ich beneide sie. Ich selbst habe keinen Grund zum Kämpfen, und wenn ich einen hätte, dann hätte ich keinen Gegner. Manchmal wünsche ich mir, jemand würde zu mir kommen und mich zum Kampf auffordern. Aber das passiert nicht. Deshalb kämpfe ich mit mir selbst." Er setzte sich hin, sein Gegenüber blieb stehen und sah erwartungsvoll über ihn hinweg; er fühlte sich aufgefordert, seine Aussage zu erläutern. "Natürlich kämpfe ich nicht wirklich, ich kämpfe in meinem Kopf; aber nur manchmal, meistens bin ich zu müde zum Kämpfen." Ein Regentropfen fiel vor ihm auf den Boden, weitere folgten ihm. "Die Wolken sind freundlich heute, sie erlauben dem Regen, mit mir zu sprechen. Jetzt bin ich nicht mehr allein." Er stand auf und verließ sein Gegenüber, seinen Freund, der kalt, grau und steinern genau dort verharrte, wo er schon seit vielen Jahren stand...