Dienstag, 16. März 2010

Kopfnebel

Aus den völlig überforderten Lautsprecherboxen quält sich ein Song von Nirvana, den ich nach genauerem Hinhören als "Endless, Nameless" identifizieren kann. Die Schlampe vor mir auf dem Boden ist zu fertig, als dass man mit ihr noch was anfangen könnte. Man könnte sie auch als klinisch tot bezeichnen und würde sich damit durchaus noch auf sicheren Grund bewegen. Ich steige mit einem großen Schritt über sie. Welche ungewollte Komik in dieser Formulierung liegt, fällt mir erst auf, als ich bereits die Hälfte meines Blaseninhaltes in trunkenhaft-zielsicherer Manier über das Balkongeländer befördert habe. Schluss mit zielsicher, ich muss über meinen eigenen Gedanken lachen und pisse mich prompt voll. Egal, hier ist sowieso niemand mehr, der sich daran stören würde. Und sich anzupissen ist in dieser Höhle eines der wirklich kleinen Übel. Auf dem Geländer steht eine Bierflasche. Ich meine mich dunkel zu erinnern, dass ich sie bei meiner letzten, sauberer verlaufenen, Pissorgie hier abgestellt hatte. Während ich mit der linken Hand versuche, meine Hose zu schliessen, halte ich mit der rechten die Flasche gegen das Licht der Straßenlaterne schräg rechts auf der anderen Straßenseite. Etikett abgepult: Es IST meine Flasche. Kippenstummel drin: Es WAR meine Flasche. Rechtes Handgelenk: Leichter Schlenker nach vorne, dann insuffiziente Hilfeleistung beim Schließen des Hosenknopfes. Auf der Strasse zerbrechendes Braunglas. In meinem Kopf der Entschluss, die Hose einfach offen zu lassen. Vielleicht wird ja die fertige Schlampe nochmal wach...

Ich setze mich wieder in der Küche auf den Boden und drehe mir eine Zigarette, die starke Ähnlichkeit mit einem Fisch zu haben scheint, aber das mag an den Halluzinogenen liegen. Der Test: Ding in den Mund und anzünden. Qualmt, stinkt, tut gut... Eingelullt von Nirvanas "Stain" versuche ich ein wenig Ordnung in meinen Kopf zu bringen. Vielleicht sollte ich damit anfangen, herauszufinden, warum ich hier bin. Oder vielleicht doch besser, WO ich bin...? Ich sehe mich um. Ein Bühnenbild aus "Fear and Loathing in Las Vegas", nur einige Details sind anders. Ich bin also entweder auf einer echt heftigen Party oder in einer Drogen-WG. "Vielleicht beides?", schießt mir durch den Kopf. Ich stehe auf, ignoriere den kleinen grünen Kobold am Rande meines Gesichtsfeldes und suche einen Bewohner dieses Schuppens. Im Raum nebenan finde ich zwei Gestalten, Männlein und Weiblein, deren Art der Bekleidung (keine) und Körperhaltung den eindeutigen Schluss zulässt, dass die beiden einfach beim Poppen eingeschlafen sind. Arme Gestalten. Kurz überlege ich, einen Edding zu suchen, entscheide mich dann aber doch für Ketchup. Kurze Zeit später bieten das Zimmer und die beiden Schlafenden einen - meiner kranken Meinung nach - sehr viel schöneren Anblick. Ein Stöhnen aus der Küche, dann ein Würgen. Die fertige Schlampe ist wieder wach. Ganz gentleman-like lasse ich ihr noch Zeit um sich ordentlich auszukotzen...

Als ich fertig bin und meine Hose diesmal sogar ordnungsgemäß geschlossen habe, drehe ich mir wieder eine Kippe, die tatsächlich nach dem aussieht, was sie ist und setze mich wieder in die Küche. Während der blaugraue Nebel vor meinen Augen nach oben zieht, scheint auch in meinem Kopf der Nebel langsam aufzubrechen, aber was zum Vorschein kommt, ist nichts was ich sehen oder wissen will. Alles an das ich mich jetzt erinnern will ist, wo meine Gesundmacher sind, die den Kopfnebel wieder zuziehen wie den Vorhang nach einem schlechten Theaterstück...

2 Kommentare:

  1. Klasse. Ich denke, der Onkel könnte fast neidisch werden, aber das ist mal wieder eine Geschichte die mich richtig zum lachend Weinen brachte nach "Wintermorgen im Januar, ca. 9:00 Uhr" von Bingo Vegas aka Mia. Mach weiter so!!!
    cheers, /root aka Chris

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  2. Also Respekt, Chris.
    Das klingt nach genau dem Scheiß, den ich lesen möchte ;D

    grüße: Onkel Vegas

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