Montag, 15. März 2010

Der einsame Mann

Eine Erzählung mit einer Frage am Anfang; wer hatte sich das nur ausgedacht? Er selbst war es nicht gewesen und konnte auch keinen Gefallen an dieser Art der Einleitung finden, dennoch waren die ersten holprig von seiner Zunge stolpernden Worte: "Hattest du schonmal das Gefühl, ganz allein auf der Welt zu sein?" Die zu erwartende Reaktion erfolgte: Keine. Sein Gegenüber schwieg und sah ihn erwartungsvoll an. "Weisst du, ich habe dieses Gefühl oft, besonders an Tagen wie diesem. Regen oder Schnee, oder auch ein Sternenhimmel geben mir oft das Gefühl, jemand wolle mit mir reden." Wie unzusammenhangslos diese Sätze waren, fiel ihm auf, kurz nachdem er sie beendet hatte. Er fuhr fort: "Aber Wolken verdecken die Sterne oder auch die Sonne und lassen den Regen nicht frei. Sie wollen nicht, dass jemand mit mir spricht; wenn der Himmel also bedeckt ist, fühle ich mich einsam; so wie heute." Ein kalter Windstoß fegte Blätter über den Boden. Er knöpfte seine Jacke zu, sein Gegenüber nahm jedoch keine Notiz von beidem, sondern blickte ihm weiterhin erwartungsvoll in die Augen. Er sah das als Aufforderung an, weiterzusprechen. "Alleinsein ist keine schöne Sache, finde ich. Es gibt Menschen, die dafür kämpfen würden, allein zu sein; ich beneide sie. Ich selbst habe keinen Grund zum Kämpfen, und wenn ich einen hätte, dann hätte ich keinen Gegner. Manchmal wünsche ich mir, jemand würde zu mir kommen und mich zum Kampf auffordern. Aber das passiert nicht. Deshalb kämpfe ich mit mir selbst." Er setzte sich hin, sein Gegenüber blieb stehen und sah erwartungsvoll über ihn hinweg; er fühlte sich aufgefordert, seine Aussage zu erläutern. "Natürlich kämpfe ich nicht wirklich, ich kämpfe in meinem Kopf; aber nur manchmal, meistens bin ich zu müde zum Kämpfen." Ein Regentropfen fiel vor ihm auf den Boden, weitere folgten ihm. "Die Wolken sind freundlich heute, sie erlauben dem Regen, mit mir zu sprechen. Jetzt bin ich nicht mehr allein." Er stand auf und verließ sein Gegenüber, seinen Freund, der kalt, grau und steinern genau dort verharrte, wo er schon seit vielen Jahren stand...

1 Kommentar:

  1. Also ersteinmal ein herzliches Willkommen an Bord!
    Zu deinem Text kann ich nur sagen, er ist echt schön geschrieben (außer das Wort "auffordern" - das schaut seltsam aus) und ist definitv ein würdiger Auftakt für deine hiesigen zukünftigen Veröffentlichungen. Ich bin und bleibe gespannt auf deine nächsten Schriften.
    Viel Spaß im Weiteren mit uns, wünsche ich dir.
    Cheers, Chris der Ältere

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