Montag, 21. Februar 2011

Irgendwie lieb' ich das,

Ich war also so kurz vorm einpennen, als Wolf so etwas wie "wirmüssnlosalter." vor sich hin murmelte. Wäre die Bar vorm Feierabend gewesen, hätte ich das verstanden, doch es war reges Treiben. "Noch'n Bier, Mensch!", hörte ich mich selbst lallen, doch es war für mich eher als würde ich mich in einem Baumstamm verstecken und jemand von der anderen Seite des Baumstamms würde versuchen diesen Satz durch das Astloch zu brüllen. Das Internetradio der Kneipe fing an zu hacken und Wolf schmiss aus Frustration eine Bierflasche gegen die Boxen. "Na wenn ihr auch immer so Schwuli-Punk laufen lasst, isses auch kein Wunder, das die Boxen irgendwann kein' Bock mehr haben."
Der Barkeeper fluchte irgendetwas auf tschechisch und Wolf antwortete mit einem Rülpser der so laut war, das er von Gott selbst hätte kommen können. Ich bekam einen Lachanfall und versuchte meine Kotze immer wieder herunterzuschlucken während mein Kopf immer noch versuchte sich der Oberfläche des Bartisches anzupassen.
"Was nu?", lallte Wolf: "Hardcore jetz' oder Arschlecken?"
"Hardcore jetz'.", murmelte ich ihm entgegen.
Wolf lachte und zog seine Hose aus. Etwa fünf minuten später saßen wir auf dem Mittelstreifen der Straße, welche vor dem Pub lag und schmiedeten Pläne wie wir denn heute noch zu unserem Hotel kommen sollten. Gottseidank gab der Wirt Wolf seine Hose wieder. "Lass ma so Taxi rufen oder so.", sagte Wolf. Ich brüllte aus den tiefen meiner Lunge ein "TAXI!" heraus und reierte im gleichen Atemzug auf den Bordstein. Wolf lachte und drehte mir eine Zigarette. "Lass' ma lieber laufen und so." - "Haja."

Samstag, 19. Februar 2011

Chipgesteuert

„Künstliche Intelligenzen kontrollieren mittlerweile die Welt, Alter. Hier, ehmn, ich mein Google und so. Weißte? Die vermitteln uns gefiltert irgendwelche Informationen. Alles mit dem Ziel uns durch Input zu beherrschen. Das weiß nur keiner. Aber selbst unsere Regierung wurde schon durch Computer ersetzt.“ Soma redete ununterbrochen und scheinbar sogar ohne Luft zu holen.
„Ok.“ sagte ich kurz und wand mich wieder meinem Drink zu.
„Irgendwann sieht's hier aus wie in der Matrix.“ fuhr er fort. „Du mußt dir das so vorstellen. Erst kommt diese Terminator-Scheiße und dann Matrix. Wenn du verstehst was ich meine. Diese Computer haben sicher so ein Programm um heraus zu finden, wie man die Menschheit vor der sicheren Selbstzerstörung rettet und das einzig schlüssige Ergebnis, das die erhalten werden, wird sein, daß man die Menschheit nur retten kann wenn man sie auf einen kontrollierbaren Status setzt. Was wiederum Populationsreduktion und nutzviehartige Haltung der übrigen beinhaltet. Das ist alles viel zu realistisch um ein Fake zu sein. Wer weiß schon, ob wir nicht bereits in der Matrix leben und wir wissen es gar nicht da um uns herum eine Perfekte Simulation des angehenden einundzwanzigsten Jahrhunderts aufgebaut ist.“
Soma konnte einfach nicht aufhören, aber ich hörte ihm gern zu wenn er von solchen Sachen sprach.
„Dude, wer weiß? Vielleicht bist du Neo. Immerhin kannst du ja gut mit normalen Computern umgehen.“ sagte er nach einer kurzen Pause.
Ich streckte mich, murmelte ein „Vielleicht.“ und begann mir selbst etwas den Nacken zu massieren. „Sag mal, rein hypothetisch gesehen: Wenn ich jetzt Neo wär. Dann würde ja auch die scharfe Trinity auf der andren Seite warten, wa?“
„Hmn. Eigentlich schon.“
In diesem Moment vibrierte mein Handy. Ich bekam eine SMS von einer unbekannten Nummer: „Folge dem weißen Hasen!“

Donnerstag, 17. Februar 2011

Acidjazzed Evening

"Und dann?", fragte Frank, die Mundwinkel leicht zuckend, in der Andeutung eines Grinsens.
"Naja, ich hab angefangen zu lachen.", meinte Pete achselzuckend. "Und ich konnt für ne halbe Stunde nich mehr aufhören. Die Tussi war dann irgendwann weg, aber ich lag da halb aufm Boden und konnt gar nix mehr weil ich nur am Lachen war. Aber irgendwann hab ich mich dann eingekriegt und noch ne Tüte geraucht, zum Beruhigen."
Es war inzwischen halb Drei morgens und die besagte Dosis THC wirkte nicht mehr, ebensowenig wie das Bier. Frank fand das insofern hilfreich, dass Pete sich wieder wie ein Mensch benahm, jedenfalls in den engen Grenzen, die seine -vermutlich ebenfalls bekifften- Schöpfer ihm gesetzt hatten, andererseits fehlte ihm selbst das leichte Drehen im Kopf und dieser Druck in der Brust, der sich über den dämlichsten Dingen in lautes Gelächter entlud.
"Hat die Erfahrung denn wenigstens ihrem Gelaber irgendeine Legitimation verliehen?", wollte Frank wissen, unfähig, über etwas anderes nachzudenken als darüber, wie er sich verhalten hätte, wenn eine im Prinzip hübsche und nicht überreife Frau seinem bekifften Bewustsein dieses 'Gelaber' nach einem Fickstündchen entgegengeschleudert hätte.
"Naja, ich schätz mal schon. Also ich hatte jedenfalls noch nie eine, die sogar beim Vögeln nich eine Sekunde ihre Fresse halten konnte. Irgendwann gings mir so aufn Sack, dass ich ihr ein Kissen übers Gesicht gelegt hab, aber das fand sie geil und hat einfach weitergeschwätzt. Du glaubst gar nich, was durchn Kissen gedämpftes Lustgeschwafel fürn Lattenkiller is."
Von links kamen Stimmen auf sie zu, zwei Gestalten taumelten durch das Wechsellicht der gelben Straßenlaternen, waren kurz zu sehen, verschwanden dann wieder in der Dunkelheit, tauchten wieder auf und manifestierten sich schließlich als Wolf und Soma unter dem kaltweiß beleuchteten Dach der Bushaltestelle.
"Und, wie wars bei euch so?", lallte Wolf und Pete antwortete mit einer angesichts des Themas wirklich verblüffenden Trockenheit: "Ich hab ne Alte gefickt die behauptet hat, ihr Kerl hätte sie für nen schwulen Neger verlassen."

Schwarz VII

„Sieh nicht nach unten.“ sagte der kleine junge, Sonny.
„Hmn?“
„Ja schau nach oben, da ist deine Zukunft!“
Der ältere blickte zum Himmel, welcher in jener klaren Nacht vor Sternen strotzte. Quer über das Firmament bahnte sich die Milchstraße in ihrer ganzen Pracht.


Hätte er damals gewußt, was ihn in seiner – zu jener Zeit noch – Zukunft erwarten würde, er hätte sich wohl nie dazu entschieden Kosmonaut zu werden. Gerade wenn die Beschleunigung für die Überlichtgeschwindigkeit ihre Hauptphase erreicht, wird es wirklich ungemütlich im Weltall. Die Kopfschmerzen gehen gerade so. Das Fiebergefühl ist auch vernachlässigbar. Aber dieser Druck im Magendarmtrakt ist unerträglich. Es fühlt sich wie eine nicht enden wollende Verstopfung an. Ein Gefühl, als würde etwas wirklich gigantisches hindurch kriechen, niemals den Ausgang finden.
Als ihm das ganze zu viel war – es gab keine Mittel gegen diese Art „Raumkrankheit“ – , ließ er sich für ein paar Tage in Stasis versetzen und AMBER übernahm für diese Dauer den Gesamtbetrieb des Schiffes. Dieser verlief ruhig. Praktisch problemlos und sorgenfrei schoß es Unsichtbar für das normale Auge durch die schwärze des Alls, vorbei an Sternen und Planetensystemen, Nebeln und Clustern.
Mit leichtem Druck auf den Schläfen wachte der Mann auf fühlte sich sogar überraschend Fit. Nichts war mehr zu spüren von den Qualen welche ihm vor den paar Tagen in der Kryokapsel das Leben nahezu unerträglich gemacht hatten.
Er entledigte sich der Kabel für die Meßapparaturen und versuchte langsam aufzustehen. Es war schon immer etwas schwierig nach einigen Tagen Kryo wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Aber was muß, das muß eben! Also stand er auf, bewegte sich etwas wacklig zu dem Schrank und begann sich langsam anzukleiden. Dann griff er nach der Schachtel Zigaretten und seinem Buch, welche er einige Tage zuvor auf dem kleinen Tischchen neben der Kurzzeitkryokapsel abgelegt hatte.
„Also Amber. Was liegt an?“ wollte er in den Raum hinein fragen, bekam jedoch nur ein Krächzen aus seiner Kehle heraus.
Im Speiseraum zapfte er sich etwas Wasser und trank es. Dann wiederholte er sein Vorhaben – dieses Mal mit Erfolg.
„SAL – Status: Fehlerfrei. Kryokapseln – Status: Fehlerfrei. Lebenserhaltungssysteme – Status: Fehlerfrei. Zentrale Recheneinheiten – Status: Fehlerfrei.“
Hier unterbrach er das Elektronenhirn. „Danke Amber. Ich werde mir das Textprotokoll ansehen.“
Er setzte sich, strich mit beiden Händen über sein kurzes Haar. Müdigkeit beschlich ihn. Es erschien ihm unwirklich, war jedoch ganz normal nach einem Kryoschlaf. Das Aufwachen war immerhin eine enorme Anstrengung für den menschlichen Körper. Allerdings war keine Zeit zum Schlafen. Er mußte einige Langzeit Experimente, die auf der Reise durchgeführt werden müssen, Vorbereiten.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Zombie

Er lehnte seinen Kopf an die kalte, leicht beschlagene Seitenscheibe des Vans, ließ seinen Körper in die weiche Wohligkeit des Sitzes sinken und verfolgte mit seinen Augen die weißen und blauen Lichter, die wie Seelen auf ihrer letzten Fahrt auf der anderen Seite des Grünstreifens an ihm vorübersausten. Wie leuchtende Motten auf dem Weg zum Mond oder zur nächsten Straßenlaterne. Böse schimmerten weiße Xenon-Lichter von hinten in das Dunkel des Fahrzeugs hinein, dann zogen sie weiter und ließen diese unbestimmte Schwärze, dieses Grau, das zu dunkel für grau war den Innenraum erneut fluten und er war froh darüber. Auf den vorderen Sitzen unterhielten sich der Fahrer und die beiden anderen Personen leise, er konnte sie nicht verstehen, sollte sie nicht verstehen. Aber sie redeten über ihn. Das mussten sie.

Die zur Hälfte bereits rot-schwarz verschorfte Wunde mit den gelblichen Eiterflecken an seinem Hals tropfte rot-schwarze Flecken auf seine zerrissene Hose und den rot-schwarzen Sitzbezug. Die Lichter auf der anderen Seite hatten einen fast unmerklichen, aber stärker werdenden Rotstich und verschwammen ganz leicht auf seiner Netzhaut. Sie störten ihn, machten ihn wütend. Er schloss die Augen. Rote Adern pulsierten in seinen Lidern, von außen angestrahlt durch tausende rotstichig-weiße, störende Lichter. Das Pulsieren beschleunigte sich mit seinem Herzschlag, wurde stärker mit der Erhöhung seines Blutdrucks und schürte die tief sitzende Wut zu einer Flamme, die sich für einen Moment in pure Raserei verwandelte und einen unartikulierten, kehligen Schrei durch seine zum Zerreißen gespannten Stimmbänder presste.

Der Van wurde langsamer und kam auf einem dunklen Parkplatz am Rand der Autobahn zum Stehen. Hier waren keine Lichter, keine flackernden Schreckgespenster. Die Türen wurden aufgestoßen, kalte Nachtluft strömte herein und jemand machte sich an den Haltegurten zu schaffen, die seine Beine, Arme und seinen Oberkörper festhielten. Wie eine Leiche fiel er seitlich auf den Asphalt, der Schmerz machte ihn wieder wütend und die Taschenlampe rechts von ihm ließ die Glut der kurz erloschene Flamme wieder auflodern. Er stemmte sich stöhnend auf die Füße und stolperte auf den am nächsten stehenden der dunklen Schatten vor dem dunklen, schattigen Wald zu. Aus dem kleinen Schatten löste sich ein silbrig glänzendes Ding. Und in der halben Sekunde, in der sich ein Finger um den Abzug krümmte und er die Kugel auf sich zurasen sah, konnte er sich erinnern. Wie eine Springflut stürmte sein ganzes Leben auf ihn ein. Der Schatten war so vertraut, der Wald, das Auto, er kannte das alles, war so oft hiergewesen. Das Weinen der Frau die er geliebt hatte wurde begleitet von dem Gefühl, dass etwas Heißes durch seine Stirn drang und den Rest seines Gehirns endgültig zerstörte.

Sonntag, 13. Februar 2011

ein Vergleich.

"Nungut ich sitze letzten Sonntag in meinem Zimmer. Kam halt grad von einer Party und wieso nicht noch mit Mucke und Restalk zudröhnen? So einen Tag zu beginnen ist doch gar nicht mal schlecht. Auf jeden Fall habe ich das Gefühl eine Rauchen gehen zu müssen und latsche also vor die Tür. Dort sitzt meine Katze vor einem Schneeberg und schaut in ein Loch, was ich mal vor ein, zwei Tagen da reingepisst habe. Ich frage sie also in meinem Suff: 'Katze, warum wartest du dort auf eine Maus, die sowieso nie kommen wird?' Und dann halte ich inne und lege so symbolisch meine Ohren an. Genauso wie meine Katze eben. Und frage mich einfach den gleichen Scheiß wie die Frage, die ich meiner Katze in dem Moment stellte. Wieso warte ICH auf eine 'Maus', die eh nie kommen wird? Das hat mich unglaublich fertig gemacht, wisst ihr?"
Ich nippte stumm an meinem Mischgetränk und tracs sagte sowas wie "Hast du meine Autoschlüssel gesehen?" Also machten wir uns auf die Suche nach seiner Hose und verließen nach kurzer Zeit die Party. Auf dem Weg zu seinem Passat lief uns eine getigerte Katze über den Weg und ich fragte mich still "Wo willst du hin, Katze? Was ist dein Ziel?"

...nur was?

Die direkte Aufnahme in meinem Gehirn dieses Momentes bestand eigentlich darin, das Toni die leere Bierdose gegen die Bushaltestelle kickte. Die Sonne ging langsam auf und durch mein Handy bluteten die Anfänge von Poison the Well - Today, einem verdammt guten Smashing Pumpkins Cover. Die Nacht bestand ja eigentlich nur darin von Disco zu Disco zu rennen nur um herauszufinden das es entweder scheiße war oder die einzigen Singlefrauen Mittdreißiger waren. Ein unglaublich deprimierendes Review. Als Toni dann von zwei Stylern verkloppt wurde weil er ihnen KIZ-Liedtexte entgegenbrüllte war der Abend dann endgültig vorbei. Wir hofften einfach nur darauf dass der Getränkemarkt schnellstmöglich aufmacht und unterhielten uns über total banale Dinge. Christin lief schweigend neben uns. Als Toni dann anfing den Neubaublock neben unserer alten Schule vollzukotzen kamen Christin und ich uns dann näher. Ich nahm sie mit nach Hause und wir zogen uns "a serbian film" rein. Kranker Scheiß aber sie stand drauf. Sie wollte letzten Endes nicht nach Hause und schlief bei mir. Als ich das Licht über meinem Bett ausmachte und neben ihr lag, mit dem Gesicht gen Decke und den Händen ganz bei mir, fing sie dann an an meinem Schwanz herumzuspielen. Kann ich ihr nicht verübeln, sie war voll. Ich genoss den Moment und sie fing nach einiger Zeit an an dem Ding zu saugen als wäre es ein ficki-fucki-Fruchteis. Nachdem sie würgend aber dennoch zufrieden meine potentiellen Kinder in ihren Magen befördert hatte, legte sie sich wieder neben mich und atmete direkt in meinen Atemstrom. Riecht denn meine Wichse wirklich nach zerkochter Bockwurst? Ich gab ihr mit Ekel einen Zungenkuss und dann drehte sie sich um zum Schlafen.

An dem Abend ging ich ernsthaft davon aus etwas total krasses für mein Leben gelernt zu haben. Nur was?

Freitag, 11. Februar 2011

Dons Wüste


Augen auf. Einatmen. Noch einen Blick nach unten. Der Schwindel verflog langsam und ich konnte mich mit einer Hand von dem rostigen Metall lösen, welches einst eine angenehm gelbe Farbe besaß. Langsam drehte ich meinen Kopf rüber zu Don, der ganz beruhigt an einer weiteren rostigen Metallkonstruktion lehnte, den Kopf in den Nacken gelegt, mit einer Kippe im Mund. Um mich herum flimmerte es. Die Hitze war beachtlich für diese Uhrzeit. Die Erde unter uns war nur noch an wenigen Stellen von abgesengten Gras bewachsen, an den staubigen, wie rissiger Lehm erscheinenden Stellen, die bereits durch die Sonne abgebrannt waren, zogen sich kleine Canyons, die wie die Äste eines abgestorbenen Baums aussahen. Die in den Boden gezogenen Spuren unseres weißen Sprinters komplettierten den Millionen von Kilometern entfernt erscheinenden Boden zu einer seufzenden Leere, deren Schatten durch die Morgensonne eher wie utopische Wesen aussahen. "Hey Don?" - "Hm?" Er senkte seinen Kopf und kleine, in Rot getauchte Augäpfel ließen nur einen Blick in meine Richtung erahnen, eher stierte eine Wucht aus Apathie durch mich hindurch, an mir vorbei und spieh Don's Aufmerksamkeit in die weiten Weiten des unfassbar mächtigen Sandkastens um uns herum. "Wieso diese Wüste? Ich meine wieso fuhren wir so lang nur um uns auf einen rostigen Krahn inmitten einer Wüste zu setzen?" Don zwinkerte kurz, breitete seine Arme aus und schloss seine trockenen Augen. "Kannst du irgendwo sonst weiter blicken, ohne den Weg von Hochhäusern versperrt zu bekommen? Wenn du nichts sagst, hörst du dann irgendwas? Geht es hier wirklich um dieses alte Metallkonstrukt inmitten einer Wüste oder eher um die Wüste an sich und den Krahn als einzigen Orientierungsort?" Und so saßen wir noch einige Stunden in Dons Wüste und schwiegen. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, das ein Vogel ganz nah an meinem Ohr vorbeiflog. Aber vielleicht war es auch bloß ein kleiner Windstoß der wollte, dass ich meine Aufmerksamkeit zurück auf das Nichts richte.

Ohne Worte

Da saß sie nun doch vor mir. Ich hätte es fast nicht glauben können. Mit ihrer linken Hand griff sie nach dem Pappbecher mit dem Plastikdeckel in dem ein Strohhalm steckte und trank einen Schluck. Mein Blick schweifte hinüber durch die Panoramaglasscheibe zum Parkplatz. Leute liefen, wie Ameisen keinem zunächst ersichtlichen Muster folgend, hier und dort hin. Dann schaute ich wieder zu dem Mädchen mir gegenüber. Ihr rotes Haar war lang, reichte fast bis zu ihrer schmalen Hüfte. Als hinter meinem Rücken jemand die Tür öffnete und einen kalten Stoß Winterluft hinein ließ, erbebten ihre Schultern kurz. Sie schaute mich an und ich sah in ihren blauen Augen, daß sie mich genauso eingängig studierte wie ich sie. Wir sprachen kein Wort. Ich nahm meinen Kaffeebecher und trank ebenfalls einen Schluck. Das Zeug schmeckte grauenhaft. Wenn sie schon eins fünfzig für diese Brühe verlangen, könnte sie wenigstens gut sein – Fehlanzeige.
Das Mädchen kramte in ihrer Handtasche und förderte ein Päckchen Zigaretten zutage. „Gehen wir?“ fragten ihre Augen. Ich nickte lediglich und stand auf. Draußen zündeten wir uns jeder eine Zigarette an. Sie eine aus ihrem Päckchen und ich eine selbstgedrehte. Sie hatte mir ja eine angeboten, was ich allerdings, zumindest freundlich lächelnd, abgelehnt hatte.
Wir wandten uns Richtung Stadt und spazierten gemächlich los. Nach einigen zehn Metern spürte ich ihre Hand an meinem linken Arm und bemerkte mit einem eher beiläufigen Blick, daß sie sich bei mir einhakte. Verträumte schaute sie über die Felder und schien die ersten Sonnenstrahlen des Jahres zu genießen. Aus leichtem Wind wurde allerdings schon bald eine recht steife Briese und ihr Haar flatterte herum. Alles wirkte so unecht auf mich. Als hätte ich es durch die Augen eines Fremden beobachtet. Als wäre nicht ich selbst mit ihr auf diesem Spaziergang gewesen – oder ist es die Erinnerung an das Geschehene, welche zu verblassen scheint? Ich weiß es nicht. Wußte auch damals nicht, was es war.
Als wir die graue Stadt erreichten und langsam wieder mehr Menschen um uns herum wirtschafteten und emsig ihre Vorgärten bearbeiteten, begann auch die Sonne sich langsam gen Horizont zu bewegen und tauchte den Himmel und alles darunter in gelb und orange.
Ich wünschte ich hätte sie geküßt.