Mittwoch, 16. Februar 2011

Zombie

Er lehnte seinen Kopf an die kalte, leicht beschlagene Seitenscheibe des Vans, ließ seinen Körper in die weiche Wohligkeit des Sitzes sinken und verfolgte mit seinen Augen die weißen und blauen Lichter, die wie Seelen auf ihrer letzten Fahrt auf der anderen Seite des Grünstreifens an ihm vorübersausten. Wie leuchtende Motten auf dem Weg zum Mond oder zur nächsten Straßenlaterne. Böse schimmerten weiße Xenon-Lichter von hinten in das Dunkel des Fahrzeugs hinein, dann zogen sie weiter und ließen diese unbestimmte Schwärze, dieses Grau, das zu dunkel für grau war den Innenraum erneut fluten und er war froh darüber. Auf den vorderen Sitzen unterhielten sich der Fahrer und die beiden anderen Personen leise, er konnte sie nicht verstehen, sollte sie nicht verstehen. Aber sie redeten über ihn. Das mussten sie.

Die zur Hälfte bereits rot-schwarz verschorfte Wunde mit den gelblichen Eiterflecken an seinem Hals tropfte rot-schwarze Flecken auf seine zerrissene Hose und den rot-schwarzen Sitzbezug. Die Lichter auf der anderen Seite hatten einen fast unmerklichen, aber stärker werdenden Rotstich und verschwammen ganz leicht auf seiner Netzhaut. Sie störten ihn, machten ihn wütend. Er schloss die Augen. Rote Adern pulsierten in seinen Lidern, von außen angestrahlt durch tausende rotstichig-weiße, störende Lichter. Das Pulsieren beschleunigte sich mit seinem Herzschlag, wurde stärker mit der Erhöhung seines Blutdrucks und schürte die tief sitzende Wut zu einer Flamme, die sich für einen Moment in pure Raserei verwandelte und einen unartikulierten, kehligen Schrei durch seine zum Zerreißen gespannten Stimmbänder presste.

Der Van wurde langsamer und kam auf einem dunklen Parkplatz am Rand der Autobahn zum Stehen. Hier waren keine Lichter, keine flackernden Schreckgespenster. Die Türen wurden aufgestoßen, kalte Nachtluft strömte herein und jemand machte sich an den Haltegurten zu schaffen, die seine Beine, Arme und seinen Oberkörper festhielten. Wie eine Leiche fiel er seitlich auf den Asphalt, der Schmerz machte ihn wieder wütend und die Taschenlampe rechts von ihm ließ die Glut der kurz erloschene Flamme wieder auflodern. Er stemmte sich stöhnend auf die Füße und stolperte auf den am nächsten stehenden der dunklen Schatten vor dem dunklen, schattigen Wald zu. Aus dem kleinen Schatten löste sich ein silbrig glänzendes Ding. Und in der halben Sekunde, in der sich ein Finger um den Abzug krümmte und er die Kugel auf sich zurasen sah, konnte er sich erinnern. Wie eine Springflut stürmte sein ganzes Leben auf ihn ein. Der Schatten war so vertraut, der Wald, das Auto, er kannte das alles, war so oft hiergewesen. Das Weinen der Frau die er geliebt hatte wurde begleitet von dem Gefühl, dass etwas Heißes durch seine Stirn drang und den Rest seines Gehirns endgültig zerstörte.

3 Kommentare:

  1. Ich find's absolut klasse! :) Gefällt mir sehr gut, dass du das Geschehen aus der Sicht des Zombies erzählst. Vor allem die letzten menschlichen Gedanken und Gefühle, die immer noch irgendwo in ihm stecken, verursachen eine beklemmende Tragik. Sonst fiebert man immer mit den Protagonisten mit, die auf Zombiejagd gehen, aber hier empfinde ich sogar irgendwie Mitleid für den armen Kerl... Wirklich sehr gut gelungen! :)

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