Freitag, 11. Februar 2011

Ohne Worte

Da saß sie nun doch vor mir. Ich hätte es fast nicht glauben können. Mit ihrer linken Hand griff sie nach dem Pappbecher mit dem Plastikdeckel in dem ein Strohhalm steckte und trank einen Schluck. Mein Blick schweifte hinüber durch die Panoramaglasscheibe zum Parkplatz. Leute liefen, wie Ameisen keinem zunächst ersichtlichen Muster folgend, hier und dort hin. Dann schaute ich wieder zu dem Mädchen mir gegenüber. Ihr rotes Haar war lang, reichte fast bis zu ihrer schmalen Hüfte. Als hinter meinem Rücken jemand die Tür öffnete und einen kalten Stoß Winterluft hinein ließ, erbebten ihre Schultern kurz. Sie schaute mich an und ich sah in ihren blauen Augen, daß sie mich genauso eingängig studierte wie ich sie. Wir sprachen kein Wort. Ich nahm meinen Kaffeebecher und trank ebenfalls einen Schluck. Das Zeug schmeckte grauenhaft. Wenn sie schon eins fünfzig für diese Brühe verlangen, könnte sie wenigstens gut sein – Fehlanzeige.
Das Mädchen kramte in ihrer Handtasche und förderte ein Päckchen Zigaretten zutage. „Gehen wir?“ fragten ihre Augen. Ich nickte lediglich und stand auf. Draußen zündeten wir uns jeder eine Zigarette an. Sie eine aus ihrem Päckchen und ich eine selbstgedrehte. Sie hatte mir ja eine angeboten, was ich allerdings, zumindest freundlich lächelnd, abgelehnt hatte.
Wir wandten uns Richtung Stadt und spazierten gemächlich los. Nach einigen zehn Metern spürte ich ihre Hand an meinem linken Arm und bemerkte mit einem eher beiläufigen Blick, daß sie sich bei mir einhakte. Verträumte schaute sie über die Felder und schien die ersten Sonnenstrahlen des Jahres zu genießen. Aus leichtem Wind wurde allerdings schon bald eine recht steife Briese und ihr Haar flatterte herum. Alles wirkte so unecht auf mich. Als hätte ich es durch die Augen eines Fremden beobachtet. Als wäre nicht ich selbst mit ihr auf diesem Spaziergang gewesen – oder ist es die Erinnerung an das Geschehene, welche zu verblassen scheint? Ich weiß es nicht. Wußte auch damals nicht, was es war.
Als wir die graue Stadt erreichten und langsam wieder mehr Menschen um uns herum wirtschafteten und emsig ihre Vorgärten bearbeiteten, begann auch die Sonne sich langsam gen Horizont zu bewegen und tauchte den Himmel und alles darunter in gelb und orange.
Ich wünschte ich hätte sie geküßt.

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