Sonntag, 12. Dezember 2010

Sieh nicht weg ...

Wir leben um zu genießen. Klangwelten wachsen wie Blumen in unsere Hirne hinein, breiten sich aus und tropfen mit der Zähigkeit von Honig über den Rand der Erdscheibe. Flach wie eine Briefmarke aus dem Album des Großvaters, stößt dein Atem nach außen in die kalte klare Winterluft. Du spürst den frisch gefallenen Schnee zwischen deinen frierenden Zehen hindurchquellen, als du einen Schritt nach vorn machst. Du spürst wie er schmilzt und das Wasser wieder an deinen Füßen herab sickert um auf dem eisigen Boden erneut zu gefrieren.
Der Baum neben dir, er atmet. Er lebt und sucht nach dir. Sein Geäst, nach unten gezogen vom Gewicht der weißen Massen, streift deine Schultern. Du schaust ihn an, berührst seine knorrige, faltige und rissige Haut mit deiner Hand – mit der freien Hand, denn in der anderen hältst du dein Leben; fest umklammert mit deinen dünnen weißen Fingern.
Ein Blick nach oben. Eine Krähe hatte soeben gerufen und fliegt nun gen Horizont. Du schaust ihr noch eine Weile nach, bis sie ganz verschwunden ist in dem leichten Dunst fernen Hochnebels.
Ein weiterer Schritt vorwärts, deine Hand läßt ab von der Haut des Baumes und hinterläßt lediglich einen purpurnen Abdruck.



In Erinnerung an eine Freund.

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