Mittwoch, 24. August 2011

Wolfs Jersey-Theorie

Also okay, wir saßen mal wieder an einem Mittwoch in der "Endstation",
unserer Stammkneipe. Eigentlich hatte ich Frühschicht und musste um vier
aufstehen, jedoch habe ich meist nur eine Motivation am Sonntag und Montag
um 10 oder so ins Bett zu gehen. Mittlerweile war es halb zwölf und Moni,
unsere Barfrau, brachte uns drei weitere Pils an den Tisch. Die Gespräche
der letzten paar Stunden waren für Kneipenverhältnisse recht vielschichtig.
Von Drogen über Politik bis hin zu Filmen. Jedenfalls glaubte ich, eine
Vielschichtigkeit irgendwo erkennen zu können.
Irgendwann kamen wir zu dem Thema Einsamkeit, Weltschmerz und Hoffnung in die
übriggebliebene Menschenmeute, die sich nicht nach diesem ganzen Trend-scheiß
richtet. Nachdem wir sämtliche gegenwärtigen Typen durchgekaut hatten, kam
Wolf zurück vom Pissen und setzte sich wieder in unsere kleine Runde. Er zündete
sich wortlos einen Cigarillo an und atmete tief und lang ein.
So etwas wie ein Zeichen, das er etwas mehr, als lediglich ein paar Sätze und Konter
zu bieten hatte.
"Also ich möchte euch jetzt mal etwas erzählen.", begann er:
"Ihr kennt doch alle den Film 'Dogma', oder? Da gibt es am Anfang diese Stelle, an der
Ben Affleck mit Matt Damon am Flughafen sitzt und zu ihm meint, dass er es mag, wie die
Leute sich empfangen und sich freuen. Ich traf irgendwann einmal den Umkehrschluss und
dachte darüber nach, wie es den Menschen wohl ergeht kurz bevor sie fliegen.
Also setzte ich mich einfach mal an den frankfurter Flughafen und studierte die Leute.
Ich hatte den Nachmittag eh frei und fuck, was sollte ich sonst machen?"
Die Geschichte schien wohl doch eine Längere zu werden, demnach bestellte ich mit einem
dezenten Fingerzeig noch eine Runde für die kleine Gruppe, frumelte mir eine Pall Mall rot
aus der 5-Euro-Packung und steckte sie mir unangezündet in den Mund.
"Da war gar nix, ein wenig Freude, aber viel Angst. Und auf jeden Fall eine Menge an Leuten,
die einfach so allein da saßen. Total frustrierend also. Etwa zehn Meter von mir entfernt
saß eine Studentin. Ein wenig auf ihrem Laptop herumklimpernd, aber dennoch stillschweigend
auf ihren Flug wartend. Ich kann euch heute nicht mehr sagen, weswegen ich das tat, jedoch
setzte ich mich einfach so zu dem Mädel und fing ein Gespräch an.
Ich: 'Hallo.'
Sie: 'Hi.'
Ich: 'Wohin fliegst du?
Sie: 'Erfurt.'
Ich: 'Na hast du denn niemanden, der dich hier her bringt?'
Sie: 'Nee, keine Ahnung, alle im Stress...'
Ich: 'Das doch scheiße...'
Ihr Flug wurde ausgerufen und sie stand auf. Ich im gleichen Moment auch.
Sie fragte mich noch, ob ich auch mit diesem Flieger Frankfurt verlassen würde.
Ich verneinte und umarmte sie einfach still mit den Worten 'damit du wenigstens beim weg-
fliegen das Gefühl hast, dich hätte jemand hier her gebracht und wird dich auf diese un-
bestimmte Zeit vermissen.' Sie lächelte und wandte sich dann ab, um in ihren Flieger zu steigen.
Ich hab' keine Ahnung ob ihr das irgendwas bedeutete, aber in dem Moment war es, als hätte
ich einen Menschen tatsächlich glücklich gemacht. Auch wenn es nur für einen Moment war."

Dann hielt Wolf inne und zog sich verbal wieder in den Hintergrund zurück, während sich
der Rest über Kevin Smith-Fiölme unterhielt. Wenn ich ihn flüchtig anschaute und in seine
melancholisch blickenden Augen sah, sah ich, dass diese Umarmung für ihn viel mehr Wert hatte,
als der zuhörende Stamm glaubte. Vielleicht viel mehr, als diese damalige Frau glaubte.
Ich exte mein Bier, stand leicht torkelnd auf, fest in dem Bewusstsein dass diese dreieinhalb
Stunden bis um vier zum Schlafen reichen und machte mich auf den Heimweg.
Unterwegs schrieb ich Wolf noch eine SMS mit dem Inhalt "Auch dein Flieger kommt irgendwann."
Erst am nächsten Tag erhielt ich die Antwort. "Danke."

2 Kommentare:

  1. Wilkommen zurück =) sehr gutes stück text über ein thema das mich auch ein wenig beschäftigt.
    und außerdem komm ich grad aus ner kneipe wo ich mit freunden bier gesoffen hab und über genau so nen scheiss geredet hab.
    grütze
    das chris

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  2. ...und dann fühlt sich alles so unbedeutend an.

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