Donnerstag, 21. Januar 2010

Necropolis

Selten findet ein Reisender seinen Weg in dieses verlassene, dicht bewaldete und nur von wenigen Menschen besiedelte Gebiet. Doch es geschah nach Jahren wieder, und wieder tat besagter Reisende, wie schon seine wenigen Vorgänger, den Fehler vom schmalen Pfad abzuweichen, der ihn sicher an sein Ziel gebracht hätte, und die breitere, wohl dem Anschein nach regelmäßig befahrene, Straße zu begehen. Es schien ihn nicht einmal zu wundern, daß diese Kreuzung nicht auf seiner Karte verzeichnet war. Nun trabte sein fauler Gaul unter ihm voran und es wurde mit jeder Meile stiller bis schreiendes Schweigen die Natur übertönte und brachiale Finsternis den Sonnenuntergang im Wachabwechsel des Tages ersetzte. Es schien als würde kein einziger Stern die unendlichen Weiten über dem Kopfe des Reiters erleuchten. Undurchdringliches Blätterdach wölbte sich kathedralengleich über der Straße und der Reiter stoppte den Kläpper um sein Lager am Wegesrand zu errichten. Noch immer machte ihm die unheimliche Stille nicht stutzig, aber es mochte auch an seiner übermäßigen Müdigkeit liegen, ausgelöst durch wochenlanges Reiten durch weitesgehend menschenleere, verlassene Gegenden.
Er fiel schnell in einen erschöpften Schlaf und begann zu Träumen ...
Martialisch erhebt sich der finstere Turm über der weiten Ebene. Grau in grau fließt das kontrastarme Bild. Der Mann streifte sich durch das Gesicht und stellte fest, daß sich eine dünne Schicht feinen Staubes darauf gelegt hatte. Er war feucht wegen des Schweißes. Es war brütend heiß obwohl kein Sonnenlicht auszumachen war in dieser seltsamen Gegend. Erst nach längerer Zeit merkte er, daß er sich stetig fortbewegte, schaute an sich herab und sah seine Beine einen Fuß vor den Anderen setzen. Er hielt in der Bewegung inne. Wie war er hier hergeraten? Er wußte es nicht und nach kurzer Überlegung setzte er seinen Weg fort. Es zog ihn aus irgendeinem Grund zu diesem schrecklichen Turm mit den tausenden Zinnen und ungeometrischen auswüchsen in alle erdenklichen und unerdenklichen Richtungen. Das Gelände wurde felsiger und nach einer gefühlten Ewigkeit stand er am Fuße des gigantischen, unmenschlichen, nahezu erschrekenden Bauwerks, welches in seiner majestätischen Größe selbst dem besten Architekten Ehrfurcht einflößen und ihn zugleich über den Irrsinn einer solchen Bestie fluchen ließe. Einzig das Tor, vor dem der Mann nun stand, war von enormen Ausmaßen. Vom obersten Ende bis zum staubigen Boden war es mit den Reliefs schreiender Gesichter verziert. Jedem einzelnen sah man die blanke Wahnsinnsangst des Modells an. Sie waren von einer Plastizität, einer Authentizität, welche erschreckend war. Mit einem ohrenbetäubenden Dröhnen begannen sich die Pforten des Tores zu öffnen. Es schwoll progressiv zu einem schrillen kreischenden Qietschen, das schlußendlich abrupt verstummte. Der Mann nahm die Hände von den Ohren, die er zum Schutz darauf gedrückt hatte, was allerdings die Lautstärke nur minimal verringern konnte. Er hatte ein wahnsinnig machendes Klingeln in den Ohren, daß jedoch abzuklingen schien. Seine Schritte hallten in der großen schwarzen Halle, welche an manchen Enden erleuchtet war, recht verwinkelt schien und trotz der wenigen Lichter selbst bis in hinterste Eckchen einzusehen war. Alles schien auf eine befremdliche Art organisch zu sein. Er kniete sich nieder und betrachtete den Boden zunächst, welcher von einem spinnennetzartigen Muster komplett überzogen war. Mit einem Finger berührte er ihn und bemerkte, daß es massiver Stein war. Er richtete sich wieder auf und spürte einen sanften Lufthauch, der so leicht war, daß man ihn unter normalen Umständen vielleicht gar nicht wahrgenommen hätte. Er folgte ihm und gelangte zu einem schmalen Gang, desssen Ausmaße im Gegensatz zum sonstigen Gigantismus des Bauwerks lächerlich winzig erschienen. Er betrat ihn und stellte erst nach einer gehörigen Wegstrecke fest, daß er ansteigend war. Die Wände waren mit gräßlichen Reliefs behauen, welche unwirkliche Szenen von unaussprechlichem, surrealen Grauen berichten ließen. Ein krächzendes Geräusch, so leise und so zart. Es kam näher und nun vernahm er auch ein Schlurfen, als würde zerrissener Stoff und gewetztes Fleisch über den Boden geschliffen. Es grauste ihn und trieb ihn an schneller weiterzugehen. Weiter und weiter. Der Gang wechselte sich nun immer öfter mit kleineren Räumen ab und das schlurfende Geräusch schien sich seiner Laufgeschwindigkeit anzupassen, näher zu kommen, immer dichter. Nach einer Ewigkeit öffnete sich der Gang und der Mann kam auf einen kleinen, nahezu winzigen, Balkon hoch über dem Erdboden. Er war fast an der Spitze des Turms. Wie lange muß er durch diesen Gang gelaufen sein? Hier draußen herschte Stille. Sie brüllte ihn förmlich an; und da war wieder das Krächzen und Schlurfen. Es wurde lauter und kam immer dichter. Es gab keinen Weg hinaus aus der Situation. Als er dann den Gestank verfaulten Fleisches roch und die zerfetzte Gestalt im Torbogen zum Gang erblickte, packte ihn der Wahnsinn. Grauenerregend sah es aus, dieses Ding. Fetzen von graugrüner, vergammelter Haut schienen ihm schier vom Körper zu fließen und klatschten mit einem feuchten, übelkeiterregenden Geräusch auf den Boden. Es kam dichter und packte ihn. Er schlug es weg und es landete auf dem Boden. Als er an ihm vorbei wollte, griff es nach seinem Knöchel und er stürzte ebenfalls nieder. Schneller, als er sich versah, war es über ihm, hatte seine fauligen Zähne in sein Gesicht gegraben und zerriß es mit einer bestialischen Kraft.
Als der Tag graute, lag der Reiter tot am Straßenrand und auch sein fauler Gaul war nicht mehr lebendig.
Wochen nach dieser Nacht war nicht viel mehr als ein Häufchen Knochen und etwas Staub zu finden; und als nach langer Zeit erneut ein Reisender, sein Schicksal besiegelnd, diesen Weg einschlug, war nichts mehr zu finden von ihm und seinem Kläpper.

8 Kommentare:

  1. Nichts zu danken. Meiner Meinung nach das beste was du hier on gestellt hast. Wenn du dich noch öfter an solchen Geschichten versuchst, werd ich stammleser. Ich seh da potential :D

    AntwortenLöschen
  2. Ich schließe mich dem Vorredner an.
    Eins deiner besten.

    AntwortenLöschen
  3. meine Kommentare...jetz funktioniert endlich die Namensfunktion, was son Vierenscann nich alles kann O.o

    AntwortenLöschen
  4. auch gut. hattest du etwa probleme mit malware?

    AntwortenLöschen
  5. ich habe keine Ahnung, an was es lag, das feld war einfach immer blind...

    AntwortenLöschen
  6. vll hast du ein script geblockt, ohne es zu wissen. captchas werden nicht selten mithilfe von javascript erzeugt.

    AntwortenLöschen