Dienstag, 25. Januar 2011

Nicht wirklich Hangover

Dieser Urlaub war die perfekte Ablösung, oder vielleicht auch die perfekte Notlösung. Auf jeden Fall schien er gut zu tun; zwar nicht meinem Körper, definitiv jedoch meiner Seele. Ich starrte hinunter. Geschätzte sieben Meter lagen zwischen mir im zweiten Stock und diesem Rohrschachgemälde aus Galle, Bier, Vodka-O, Whiskey-Coke und Pizzabrocken in dem frisch gefallenen Schnee auf dem Hotelparkplatz. Nichts, aber auch rein gar nichts hielt mich davon ab es wirklich schön zu finden. Nicht einmal das Kratzen im Hals, das meinem Verstand mitzuteilen versuchte, dieses Erbrochene sei von mir gekommen.
Woher auch sonst?!
Ich schaute weiter auf diesen Fleck, nein, dieses Kunstwerk, Ergebnis tagelanger, hemmungsloser, absurder Sauferei. Gedanken überschlagen sich. Warum war ich nochmal hier? Achja. Ich wollte Abstand gewinnen. Daheim war ich Dealer. Ja „war“. Ich wollte nicht mehr. Diese Art von Arbeit lag mir einfach nicht. Sie war viel zu stressig. Dauernd hatte man mit irgendwelchen Freaks und Idioten zu tun. Und die einzigen Frauen die man bekam ließen sich in zwei Kategorien einteilen. Teure Schlampen und billige Schlampen. Der einzige unterschied zwischen beidem lag eigentlich lediglich in den Drogen, die sie dir abnahmen, ansonsten boten sie den selben scheiß und die selben Infektionskrankheiten.
Ja, um davon Abstand zu gewinnen, deswegen bin ich hier, starre auf meine Kotze und frage mich zum Teil auch noch, was letzte Nacht war. Ich erinnere mich an genau zwei Dinge: Einen Blowjob auf der Damentoilette irgendeiner Prager Discothek und die Bodenfliesen derselben Prager Discothek nachdem ich eine aufs Maul bekommen habe. Den Schmerz hatte ich nicht einmal gespürt. Lediglich als ich dann nun aus dem Hotelfenster auf die Kotze starrte, die ich zwanzig, vielleicht auch dreißig Minuten zuvor kunstvoll dort platziert hatte, wo sie dann lag, spürte ich leichte Schmerzen an meinen Schläfen. Naja. Ist ja auch relativ egal. Wenn die alte nicht geil gewesen wäre, hätte ich mich wahrscheinlich darüber geärgert. Ich lachte leise, richtete mich endlich auf und schloß mich wieder der kleinen Partygesellschaft an, welche dabei war aus einem vormals sauberen Zimmer eine Sondermüllzone zu machen. Benutzen sie Magie? Nein. Lediglich ihren Vollsuff.
Soma drückte mir, die Worte „Weiter geht's!“ murmelnd, eine Kippe und einen Cocktail in die Hand. Ich trank, rauchte und setzte mich.
Prag war für uns Europäer wohl so etwas wie Vegas für die Amis, schoß es mir durch den Kopf, welchen ich aber so gleich schüttelte um dann Frank zu fragen: „Sag mal hast du noch Gras?“
Er grinste. „Soma gib mal meine Tasche rüber.“
Vor mir wurde ein Rucksack durchgereicht und Frank holte einen gigantischen Beutel daraus hervor. Das müßten geschätzt etwa 200 Gramm Marihuana gewesen sein. Ich hatte ehrlich keine Ahnung. Er schob seine Hand hinein und nahm eine große Blüte hinaus, legte sie auf meinen Bauch.
„Aber nicht alles auf einmal Rauchen, mein Junge!“ sagte er in gespielt mütterlichem Ton.
Okay! Prag war doch so etwas wie Vegas.
Ich stopfte die Blüte in eine leere Kippenschachtel, steckte diese in meine Bauchtasche; jedoch nicht ohne vorher etwas für einen Joint abzubrechen. Dann fiel mir ein, vielleicht doch erst Mal das Bad aufzusuchen. Also stand ich auf und ging dorthin. Am Waschbecken spritzte ich mir zunächst einen Schwall kalten Wassers ins Gesicht und spülte dann meinen Mund aus, bevor ich anschließend meine Zähne putzte. Und zurück.
Ich setzte mich wieder neben Frank auf die Couch und begann einen Joint zu bauen. Sah sogar recht gut aus. Schmeckte auch so. Wirkte auch so. Ich grinste Soma, der mir gegenüber saß, an und reichte ihm das Teil.
„Wie geht’s eig' deinem Kopf?“ fragte er.
„Tut ein wenig weh. Sieht man was?“ antwortete ich.
„Hmn, Nö.“ Er zog und lächelte. „Deine Tüten werden wohl auch besser, je besoffener du bist.“
Ich grinste und nahm den Joint entgegen, reichte ihn jedoch gleich an Frank weiter.
„Was geht heute Abend?“ sagte ein Mädchen mit tschechischem Akzent, während sie an der Tüte zog.
Ich schaute sie an und ihre Frage ignorierend sagte ich: „Sag mal, hab ich nicht wegen dir aufs Maul bekommen?“
„Und überlebt.“
„Danke.
Aber warum 'und überlebt'?“ Ich blickte sie fragend an.
„Weil mein Ex dir fast eine Kugel verpaßt hätte, wenn ich ihm nicht eine gehörige Portion Temporärkastration verpaßt hätte.“
„Okay. Dann mal wirklich Danke!“ Ich lächelte und trank von meinem Cocktail.
„Wie wär's heute mal mit was Neuem? Mir soll keiner sagen, wir hätten schon die ganze Stadt gesehen.“ warf Tripp ein, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte.
„Erklär' dich!“ rief Soma, von der Toilette. Scheiße, der Typ muß die Ohren einer Katze haben!
Tripp legte einen Flyer auf den kleinen Glastisch und wir betrachteten ihn. Soma kam dazu.
Beinahe wie ein Chor riefen wir alle aus: „Cool!“
„Wo hast du den Scheiß her?“ fragte Pete, der in diesem Moment aus seiner steinernen Wandstarrerei erwachte.
Frank erschrak und fuhr ihn an: „Du verdammter Pilzgargoyle! Erschreck mich nicht nochmal so!“
Ich nahm den Flyer in die Hand und betrachtete ihn genauer. Es ging um ein Death Metal Konzert. Allerdings war es nicht das Genre, nicht einmal die Bands, sondern die Location, welche unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Das ganze sollte in einer Kirche stattfinden.
Ich glaube ich brauch an dieser Stelle meine Vergleich nicht wiederholen. Nein ich superlativiere ihn. Prag war weit mehr als Vegas!
„Wer ist dafür?“ fragte Tripp, die Antwort wohl wissend.
Alle hoben stumm ihre Hände.

3 Kommentare:

  1. Na, endlich gibt es mal wieder etwas tolles von Dir zu lesen! Ich warte schon den ganzen Januar drauf! :-)

    LG Yvonne

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  2. Gottseidank, die alte Clique ist wieder am Start :D

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