Mittwoch, 9. November 2011

Tiefenpeeling I

Der Geruch von warmem Gummi liegt in der Luft und doch ist es arschkalt. Die Fliesen an den Wänden sind dreckig. Die Leute auf den Metallsitzen davor zum Teil ebenfalls. Da Sitzt ein Banker neben Oma Krause aus dem Altersheim und Peter Fragmichnicht steht zwei Meter weiter, traut sich nicht einmal den versifften Punk – mich – vor ihm nach einer Zigarette zu fragen.
Ich rauche, frage mich, was ich heute tun soll. Hab ja eh keinen Job. Viel Geld in der Tasche hab ich auch nicht, aber es reicht irgendwie für eine Tageskarte durch Frankfurt. Warum sollte ich das nicht mal nutzen. Hab ich noch nie gemacht. Der stumme Peter guckt kurz hoch und sieht sich um, stiert danach wieder auf den Boden wie ein lethargischer Rhesusaffe auf kaltem Entzug.
Langsamen Schrittes, ich merke immer noch dieses psychosomatische Beben in den Knochen, gehe ich also zum Fahrkartenautomaten, wähle die scheiß Tageskarte und stopfe meine verdammten letzten zehn Euro in den Geldschlucker vor mir. Nach ein paar Sekunden ist das Papier bedruckt und etwas Rückgeld klappert hinterher.
„Dreifuffzig!“ murmele ich so vor mich hin, wie ich es in der Hand halte. Die Bahnhofsdurchsage kündigt gleichzeitig den einfahrenden Zug an. Ich blicke mich um. Am Ende des Bahnsteigs sehe ich zwei Ordnungsbullen. Na heute aber nicht, denke ich dann bei mir und lasse die Zigarettenkippe fallen, trete einmal drauf, kicke sie unter den Automaten.
Ich drehe mich um.
Der stumme Peter steht plötzlich wieder dicht neben mir. Was hat der Typ eigentlich? Ich weiß nicht einmal wie er wirklich heißt. Er steht immer nur in dieser Station herum und macht eigentlich nichts. Unheimlicher Kerl.
Der Zug fährt ein und haufenweise Menschen quellen aus ihm heraus. Ja sie quellen. Wie zäher Honig oder Schleim. Oh, Schleim. Ja das gefällt mir. Sie quellen heraus wie Schleim. Grüner ekliger, verschissener Nasenrotz. Der Scheiß der einem direkt die Arschhaare zu Berge stehen läßt.
Bei dem Gedanken schmunzele ich vor mich hin und merke gar nicht, wie ich in den Zug steige und mir eine Platz suche. Auf jeden Fall sitze ich mit einem Mal auf einem dieser grauenhaft gepolsterten Plätze und habe meinen 12 Jahre alten Armeerucksack zwischen die Unterschenkel geklemmt, jedoch nicht ohne mir vorher eines dieser widerlichen Dosenbiere herauszufischen.
Eine Frau geht vorbei und guckt mich strafend an. Sie sieht ganz gut aus aber ich interessiere mich nicht wirklich dafür und rotze ihr nur ein grimmiges „Was guckst'n so!“ entgegen.
Der Zug fährt ab und geleitet mich in die Unterwelt. Schwarze Wände huschen an mir vorbei und Nach ein paar Stationen sitze ich auch schon nicht mehr allein in diesem Viererabteil – nennt man das so? Ich weiß das echt nicht!
Neben mir sitzt eine Ziemlich fette Frau mit üblem Körpergeruch, aber ich bin wahrscheinlich nicht viel besser, wo ich doch seit drei Tagen nicht geduscht hab. Vor mir ist ein Junges Mädchen, wahrscheinlich nicht einmal halb so alt wie ich, und guckt aus dem Fenster. Vielleicht fährt sie gerade in die Schule oder so etwas. Daneben ein Bulle der gähnt wie ein Scheunentor. Vielleicht hat er Nachtschicht gehabt. Auf seinem Hemd kann ich zumindest eindeutig Kaffeeflecken und einen klecks Puderzucker, wie man ihn für Donuts verwendet ausmachen. Klischeescheiße, ich glaubs nicht. In Wirklichkeit würde es sich wohl als Koks herausstellen.
An der nächsten Station steige ich aus. Sie ist oberirdisch und ein kalter Wind zieht durch. Auch meine Zigarette will nicht wirklich angezündet bleiben, also werfe ich sie weg. Ein letzter Schluck vom Bier und dann stecke ich die Dose zurück in meinen Rucksack. Ist doch Pfand drauf.

1 Kommentar:

  1. Ich genieße den Dreck zwischen den Zeilen und den kalten Wind, den so ein Schleimtransporter nach sich zieht... aber mir fehlt zucker im salz und ein bisschen der Blick auf die Poren.

    Grüße,
    Julmust

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