Montag, 14. November 2011

Tiefenpeeling II

Neben mir sitzt seit ein paar Minuten ein Mädchen. Schön ist sie. Schlank, vielleicht eins-siebzig groß, etwa 45 Kilo leicht, langes dunkles Haar, große braune Augen und volle Lippen. Sie ist gänzlich in schwarz gekleidet und auf ihrem rechten Oberarm prangt eine norwegische Flagge. Wahrscheinlich eine von diesen … äh … Johnny sagt immer „Bläckmetlerinnen oder so“.
Ich krame in meinen Taschen und hole meinen Tabakpäckchen sowie Longpapers heraus. Zum Glück ist es in diesem Glasabteil windstil. Ich nehme also etwas Gras und Tabak aus dem Päckchen, mische beides auf einem Paper grob zusammen bevor ich alles zu einem Joint zusammenrolle.
Ich tippe das Mädchen an, schaue fragend und zeige ihr die Lunte. Sie lächelt und nickt. Also rauche ich jetzt mit einer völlig fremden, aber gutaussehenden, Frau am Arsch von Frankfurt eine Joint auf einer Übertagestation der U-Bahn. Das hätte ich mir heute früh nicht erträumen lassen.
„Ich bin Ben, wie heißt du?“ frage ich plötzlich.
„Sveta.“ sagt sie und reichte mir die Hand. „Schön dich kennenzulernen, Ben.“
Ich erwidere den Händedruck und sage: „Gleichfalls, Sveta.“
Sie hat ein süßes Lächeln.
„Was treibt dich um diese Uhrzeit an dieses Ende der Stadt?“ fragt sie mit einem Mal und überrascht mich damit. Wie soll ich ihr jetzt erklären, daß mir langweilig war und ich mir eine Tageskarte für die U-Bahn gekauft habe.
Und da tue ich es eben einfach so, wie man es tut.
„Ja weißt du, ich habe mir aus Langeweile eine Tageskarte für die U-Bahn gekauft und bin in den ersten Zug gestiegen, der durchfuhr.“ Ich lache leise und schaue auf den Betonboden. „Bald werde ich wieder in irgendeinen dieser Züge steigen und an einer anderen Stelle der Stadt auf einem Bahnsteig sitzen und mich umsehen, hinsetzen, über nichts nachdenken und einfach nur die Stadt von unten beobachten.“
„Das klingt wundervoll.“ flüstert sie beinahe unhörbar.
„Ich habe dabei nicht wirklich Schönheit und Wundervolles im Sinn gehabt.“ sage ich und fahre fort, „Irgendwie konnte ich nicht Heim. Es erdrückt mich dort“ — Warum erzähle ich ihr das? — „und die Stadt lenkt mich ab.“
„Kann ich ...“ beginnt sie, bricht aber plötzlich ab.
„ … mich begleiten?“
„Ja.“ ein Flüstern nur.
„Es wäre mir eine Ehre.“ antworte ich, bevor sie es sich anders überlegen kann.
Sie drückt den Joint mit dem Absatz ihres linken Stiefels aus, steht auf und geht zum Fahrkartenautomaten.
Ich schaue mir die Überdachung an. Modernes Wellblech — das Eckige, nicht das Runde von früher. In den Vertiefungen sind Neonröhren. Gerade sind sie nicht eingeschaltet und man sieht wie verschmutzt sie sind.
„Hey!“ höre ich Sveta neben mir.
Ich stehe auf und schaue in Richtung Stadtrand, sehe eine Bahn kommen.
„Nehmen wir die?“ fragt sie lächelnd.
„Warum nicht?!“ antworte ich und grinse.
Das Mädchen hakt sich bei mir ein und wir stellen uns an den Bahnsteigrand.
Es ist sicher nicht verkehrt eine Begleitung zu haben, denke ich und lächele in mich hinein.
Vor uns öffnen sich die Türen und ein Schwall Menschen quillt heraus. Allerdings scheinen Sveta und ich eine Respektbarriere zu besitzen die niemand aus der grauen Masse zu durchbrechen wagt oder gar fähig ist. Es ist wirklich nicht verkehrt eine Begleitung zu haben und meine ist gerade wahrlich wundervoll.

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