Montag, 27. September 2010

Der ruinierte Anzug

Es war ziemlich warm - nein, eigentlich war es brütend heiß. Die Art von Hitze die dich ständig trinken, schwitzen und pissen läßt. Daß es leicht windig war änderte daran eigentlich rein gar nichts. Dieses Lüftchen - nennen wir es doch einfach mal so - transportierte die Hitze, statt sie abzukühlen.
Wir - Sam und ich - saßen in dem alten rostigen Stingray und aßen etwas. Staub wehte über den Highway, an dessen Rand wir in einer Haltebucht standen.
"Sam, sei mir bitte nicht böse, ja?" sagte ich nachdem ich den Bissen von meinem Hamburger heruntergeschluckt und etwas Corona nachgeschüttet hatte. "Du weißt, daß es sein mußte."
Er schwieg und wir aßen weiter. Anschließend warfen wir den Verpackungsmüll in die Wüste. Ich startete den Wagen und wir fuhren weiter.
Sam begann nun doch zu sprechen. "Nein, nein. Warum sollte ich dir auch Böse sein?" sagte er trocken. "Weil ich nie wieder einen so guten Hamburger essen werde? Weil du jeden in diesem gottverdammten, beschissenen Diner umgebracht hast und wir ihn dann auch noch verfickt nochmal abfackeln mußten? Oder vielleicht weil, dank deines absolut überflüssigen kleinen Massakers, mein neuer Anzug nun völlig ruiniert ist?"
Ich grinste. "Naja wegen deines Anzugs halt. Ich kauf dir auch bei Gelegenheit einen Neuen, wenn dich das wieder beruhigt, Mann."
"Ich weiß, Jim. Aber ... ach du weißt was ich meine." Er war noch immer etwas brummig.
"Und noch was. Was ich getan habe war keineswegs überflüssig. Es war absolut notwendig!"

Nun fragen sich sicher einige Leute: Wo war Max und wie ist eigentlich Sams Anzug jetzt genau versaut worden? Ersteres ist leicht und schnell zu beantworten. Max war an diesem Tag einfach nicht mit uns unterwegs weil er sich ganz in Ruhe den Super Bowl anschauen wollte. Die Sache mit Sams Anzug hingegen ist nicht so schnell erklärt. Da werde ich wohl etwas weiter ausholen müssen.

Wir waren gerade auf dem Highway unterwegs, einfach eine kleine Spritztour unternehmen, und wir führten eines unserer Gespräche über Filme - Sam und ich sind begeisterte Cineasten.
"Also du bist der Meinung 'Pulp Fiction' sei einer der wichtigsten Filme der Neuzeit?" fragte ich und fuhr direkt fort, "Ich will damit jetzt nicht sagen, daß du falsch liegen würdest, aber es interessiert mich einfach warum genau du das so siehst."
Sam lächelte und fing an zu reden: "Du mußt zunächst einmal Tarantinos Filme der beginnenden neunzehnneunziger Jahre im allgemeinen kurz betrachten. Sie sind für ihre Zeit einfach revolutionär. Das liegt weniger an den Plots im einzelnen, welche bei näherer Betrachtung nichts Weltbewegendes darstellen. Es sind vielmehr die Erzählweise, die Charaktere, die Art der Regie und die Struktur seiner Filme, die etwas besonderes daraus machen. Nehmen wir nun einfach mal den Bereits zum Thema gemachten 'Pulp Fiction'. Seine Erzählstruktur ist nicht Linear und trotzdem wird alles erst wirklich am Ende aufgeklärt. Den Hauptaugenmerk mußt du hier auch auf die Dialoge legen. Nimm zum Beispiel die Szene im Auto, in der sich Vince und Jules über Essen unterhalten. Das hat eigentlich gar nichts mit der Geschichte zu tun aber ..." - und da sah ich den Diner.
"Halt die Klappe, Sam. Ich hab Hunger."
"Hmn, und worauf?"
"'nen Royal mit Käse." sagte ich und wir beide lachten.
Ich fuhr auf den Parkplatz des Highwaydiners und und hielt den Wagen an. Wir stiegen gleichzeitig aus und setzten uns ebenso synchron die Sonnenbrillen auf. Die Luft zitterte vor Hitze. Es war ein verdammter Backofen mit Umluft.
Wir betraten also den Diner. Der Geruch von altem und frischen Zigarettenrauch mischte sich mit dem Duft von gegrilltem Fleisch. Wir gingen direkt zum Tresen und ich verschaffte mir in den wenigen Sekunden einen Überblick. Am letzten Tisch saß ein Pärchen, ein Trucker gammelte auf einem Barhocker und trank Kaffee zu seinem Rührei mit Toast, in der Küche waren zwei Angestellte, die kochten, und direkt hinter dem Tresen stand die Bedienung. Sie trug den von sehr viel Einfallsreichtum ihrer biologischen Erzeuger berichtenden Namen Emma.
Ich lehnte mich also gegen den Tresen und grinste Emma mit ihrem von Schminke verunstalteten Allerweltsgesicht und der zerlutschten Kippe im Mundwinkel an. Sie kam zu mir herüber getänzelt.
"Na Schätzchen, was kann ich für dich tun?" sagte sie so billig und nuttig, daß mir beinahe der Appetit vergangen wäre und ich ihr liebend gern einfach ins Gesicht gekotzt hätte. Wahrscheinlich hätte mir das sogar einen Heidenspaß gemacht.
"Ein Sixpack Corona und zwei dicke Hamburger mit Bacon, Käse und Mayonaise und ..." - ich wandte mich an Sam - "Und was willst du essen?"
"Ich nehm' das gleiche, Bro." sagte er knapp während er sich eine Zigarette anzündete.
"Okay ... Also vier dicke Hamburger mit Bacon, Käse und Mayonaise.
Ach, und alles zum mitnehmen bitte."
Emma quäkte unsere Bestellung durch die Küche und stellte mir den Sixer vor die Nase. Etwa zehn Minuten später fand auch eine braune Tüte auf der das Logo des Diners prangte ihren Platz direkt daneben.
"Das macht zwanzig Mäuse, Schätzchen." trällerte sie und ich griff in die Innentasche meiner Anzugjacke um meine Brieftasche hervorzuholen. Dabei fiel Emmas neugieriger Blick zu ihrem Unglück leider auf meine silbern glänzende Beretta und sie begann zu stammeln: "Oh nein, nein, nein. Ihr seid es doch. Ich war mir nicht sicher, aber ihr seid diese Killer aus den Nachrichten." Statt zwanzig Dollar in ihrer Hand hatte sie nun ein circa Eincentgroßes Loch in der Mitte ihrer Stirn und der Rest ihres kleinen Dummen Gehirns klebte an den Pfannen hinter ihr. Noch bevor sie zu Boden ging gab ich zwei weitere Schüsse ab und die Köche teilten Emmas Schicksal auf dem Fuß.
Ich ging durch den Diner, erschoß den Trucker eher beiläufig und stand dann direkt vor dem Pärchen.
Sie war total aufgelöst und weinte bitterlich. Er hingegen war einfach nur kalkweiß geworden.
"Bitte tun Sie uns nichts, Mister." wimmerte sie.
Sam stellte sich neben mich und pflaumte mich an: "Mann was soll diese abgefuckte Scheiße denn jetzt?"
"Es muß sein, Sam." sagte ich und erschoß erst das Mädchen dessen Kopf nach hinten gegen die Lehne schleuderte und dann in das Rührei vor ihm fiel. Als ich dem Jungen eine Kugel in den Kopf jagte explodierte sein Schädel und bespritzte uns von oben bis unten mit Blut, Knochensplittern, Hautfetzen und Gehirnmasse.
"Ups." sagte ich lachend, kratzte mir mit einem leicht schuldigen Lausbubengrinsen am Hinterkopf.
"Was heißt hier 'ups'?" fuhr Sam mich an. Jetzt war er wohl richtig sauer.
"Naja ... also ..." Ich schaute ihn an und konnte mir mein lachen nun wirklich nicht verkneifen. "Ich hatte wohl eines von Max' Explosivgeschossen geladen." Ich setzte mich an den Tresen und wischte mir das Gesicht mit Servietten ab. Dann schaute ich Sam an. Er sah zum schreien komisch aus - als hätte man ihn in einen Topf mit Tomatensoße und Spaghetti getaucht.
So also wurde Sams Anzug versaut. Und meiner übrigens auch.

Nach diesem kleinen Malheur zündeten wir den Diner an und fuhren fort, als wir sicher waren, daß er bis auf die Grundfesten abbrennen würde.

"Absolut notwendig!" wiederholte Sam meine Worte.
"Ja Mann!" sagte ich trocken. "Die Alte hatte uns erkannt. Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen?"
"Ach Mensch. Immer das selbe mit dir."
Ich grinste ihn an. "Dude, du hast da immer noch etwas Hirn auf der Schulter."

5 Kommentare:

  1. Kaffee, Frittenbude und ne neue Story von dir. So sollte ein Montag morgen beginnen :D

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  2. Fein fein, ist der Herr denn auch zufrieden mit dem neuen Material?

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  3. Haha, gestern hab ich sie zwar nicht mehr lesen können, aber dafür war die Story heute mein Highlight!
    Ich meine, tolle Erzählweise, abgefuckte Handlung, nen Dialog über Pulp Fiction und nen großartigen Schlusssatz (ich musste so dermaßen lachen^^), da bleiben doch keine Wünsche offen! Ich freu mich auf mehr =)

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  4. Danke Layla. So langsam avancieren Jim, Sam und Max auch zu meinen liebsten Figuren. Ich kann dir sagen, da wird auf jeden Fall noch mehr kommen ;-)

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  5. Diese Story find ich sehr gut! ... Sie hat etwas ernstes, teilweise auch trauriges, aber durch den runierten Anzug auch etwas urkomisches! :-)

    LG Yvonne

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