Dienstag, 14. September 2010

Tag Zehn

Ganz am Anfang waren wir zu zehnt, glaube ich. Wir waren zufällig aufs selbe Bahnhofsdach geklettert, so wurden aus zwei mal fünf eben zehn und wir hielten es für klug, uns am nächsten Morgen nicht wieder zu trennen. Das war, wie gesagt, ganz am Anfang, am ersten oder zweiten Tag. Drei Tage später wurden drei von uns von psychotischen Militärs abgeknallt, als wir uns ihrer Stellung aus Versehen zu weit genähert hatten. Eine davon war nicht mal volljährig. War ein beschissener Moment, als sie getroffen wurde. In derselben Nacht erwischten die Viecher einen, weil er während seiner Wache eingeschlafen war und seine Fackel vom Regen gelöscht wurde.

Es ist jetzt Tag Zehn, abends, und wir sind noch zu viert. Max, Tod, Wach und ich. Tod nannten wir Tod, weil er so aussah, als wir ihn kennenlernten. Er sieht eigentlich mit jedem Tag mehr so aus. Weiße Haut, schwarze Augenringe, mageres Gesicht und so. Wach scheint immer wach zu sein. Irgendwie ist sein Schlaf ziemlich leicht. Max heißt einfach Max, so hat er sich jedenfalls vorgestellt. Ich selbst werde Köter gerufen. Mag an meinem schon vor zehn Tagen abgerissenen Aussehen liegen. Wie ich jetzt aussehe, will ich gar nicht wissen. Über den mangelnden Einfallsreichtum hat sich keiner beklagt, warum auch, wenn man tagsüber auf Futtersuche ist und sich nachts irgendwo versteckt, in der Hoffnung, nicht gefressen zu werden.

Gegen Nachmittag haben wir eine kleine Gruppe Unbewaffneter (das heißt Nicht-Militärs) getroffen, die behaupteten, in einem Lager in einem großen Baum zu leben. Angeblich wären dort noch etwa fünfzehn andere, davon vier Kinder. Wo ihr Lager ist, wollten sie uns nicht verraten, aber sie haben sich auf einen Tauschhandel mit uns eingelassen, so dass wir jetzt eine Pistole und etwa 40 Schuss Munition besitzen. Unser gesammeltes Essen war dafür ein meiner Meinung nach sehr geringer Preis.

Es ist etwa Mitternacht, wir wurden von der Dunkelheit überrascht, weil wir nicht bedacht hatten, dass die Berge im Westen die Sonne schneller verschlucken würden als wir geplant hatten. Wir mussten uns innerhalb von Minuten ein Versteck suchen und fanden nur einen einzelnen Baum, auf dem wir aber nicht alle Platz fanden, weshalb Tod und Max auf ein Gebäude zurannten, mit dem Plan, sich darin zu verbarrikadieren. Sie mussten aber feststellen, dass das Gebäude schon eingenommen ist und waren gezwungen, mitten in der gläsernen Drehtür zu bleiben und zu hoffen, dass die improvisierten Keile die Tür bis zum Morgen fixieren würden und das Glas halten würde. Es ist inzwischen so dunkel, dass ich die beiden nicht mehr sehen kann. Wach meint, er könnte sowieso nicht schlafen, also sollte wenigstens ich mich etwas ausruhen. Hoffentlich sind wir morgen nicht nur noch zu zweit...

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