Mittwoch, 22. September 2010

Ickarus IV

"Wissen Sie der Spruch, dass wir uns die Welt nur geliehen haben, stimmt eigentlich gar nicht.", warf mir der Soldat an den Kopf und riss mich aus der Apathie, die ich mit dem Anstarren der, durch die Stromschwankungen flimmernden Neonröhren verbrachte. Der Sicherheitsgurt, der sich in meinen Bauch schnürte und sich mit jeder Kurvenfahrt oder Bremsung weiter in meine Haut sägte, ließ meinen Körper wenigstens partiell aufwärmen denn die Eishölle dort draußen hatte meinen Körper betäubt und mich in einer grausamen Achterbahn zwischen Zittern und Lähmung gefangen gehalten. "Wir haben die Welt geklaut, aus den Händen Gottes gerissen und nun, wo die Erde so lebensfreundlich wie die Sonne ist, klopfen wir noch einmal an seiner Tür nur um mit Ickarus IV das gleiche zu machen." Ich lauschte wortlos dem Monolog des Soldaten während wir über die Oberfläche des vereisten Trabanten glitten. Als vor etlichen Jahren diese Mission begann war es in erster Linie die Idee, dass eine Kolonie, weit weg von der Welt existiert, in der Frieden durch strikte Sicherheitsmaßnahmen aufgrund einer Überzahl von Soldaten gesichert ist. Doch wer Macht hat nutzt sie. "Wenn man mitten im Krieg steckt", sagte ich vor mich hin: "hat man das Gefühl, dass man hunderte von Leben hat und jeden Tag neu stirbt."

Mein Herz schlug in viel zu unregelmäßigen Abständen, als dass es irgend eine Art von Ruhe ausstrahlen könnte. Früher, als ich noch auf der Erde lebte, im Kindesalter bei meiner Familie, hielt meine Mutter wenn ich traurig und verschrocken aus unruhigen Träumen erwachte ihre Hand auf meine Brust und das beruhigte mich immer. Doch egal wie sehr ich auch meine erforene Hand auf meinen Brustkorb presste, mein Herz pochte, summte schon fast. Vielleicht kam es mir nur so vor, denn mein Kopf arbeitete langsam durch die erdrückende Last. "Sie hätten dort draußen erfrieren können, Leutnant." Ich nickte und schloss für einen Moment die Augen. Sie geschlossen zu halten gestaltete sich kompliziert denn hinter meinen Augenlidern spielte sich ein Programm aus den Bildern von hungernden Kindern und entseelten Körpern ab. Schlaf wäre dennoch hilfreich. "Was haben sie dort draußen gesucht, Leutnant?" Ich hatte das Gefühl, dass er noch etwas von Eseln faselte doch das schien lediglich die Unterkühlung und der Schlafentzug zu sein. Die dünnen Fäden von Vater Schlaf umwoben mich und langsam glitt ich in die langersehnte Phase unterbewusster Zufriedenheit.

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