Dienstag, 13. Juli 2010

Geisterwelt

Kalter Wind zieht durch die Straßen wie Gevatter Tod auf der Suche nach Jüngern. Mal zieht er hierhin, mal dorthin, nie hält er inne. Die junge Frau hat den Mantel eng um den Leib geschlungen und den Kopf schützend gesenkt, damit der Wind nicht die wertvolle Wärme aus ihrem Körper zieht und dem alten Sensemann das Spiel zu leicht macht. Ihre Lippen bewegen sich leicht, man könnte meinen, sie würden zittern vor Kälte, tatsächlich aber spricht sie. "Seid nüchtern und wacht, denn euer Widersacher, der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht wen er verschlinge." Die Hauswände, an denen sie ihr Weg bereits vorbeigeführt hat, tragen ebendiesen Bibelvers in dunkelroter Farbe. Niemand beschwert sich darüber, die wenigsten sehen ihr Haus überhaupt noch von außen, denn draußen sind der Wind und manchmal auch der Regen. Beide tödlich wie der Teufel persönlich. Verseucht von Jahrzehnten des achtlosen Dahinvegetierens, kalt, weil das Licht der Sonne nicht mehr zur Erde dringen kann. Schon bald wird diese kleine Stadt eine Geisterstadt sein, eine Stadt, deren Bewohner als böse Geister umherwandern, die einsame Wanderer in ihre kleine Hölle mitnehmen und nie wieder freilassen. Eine kalte Windböe reißt der jungen Frau die Spraydose aus der Hand...

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