Sonntag, 25. Juli 2010

Kippenstummel

Ich glaube, das Mädel auf der anderen Seite des Tisches hatte bisher noch kein Wort von dem verstanden was ich gesagt hatte und das würde sich vermutlich auch nicht mehr ändern. War aber egal, es ging mir nicht darum ihr etwas mitzuteilen. Alles was ich von ihr wollte war, dass ihre irgendwie verwaschen wirkenden, braunen Augen fasziniert an meinen Lippen hingen, ich wollte einfach, dass sie mir zuhörte, ganz egal was ihr abstoßend durchschnittliches, momentan sehr stumpfes Bewusstsein morgen daraus machen würde. Zielsicher kippte ich einen Schluck Rum in den Plastik-Shotbecher vor mir, dann einen weiteren in den des Mädchens. Sie war so besoffen, dass sie nichtmal das Gesicht verzog, als die goldene Flüssigkeit durch ihren Rachen floss. Ich zögerte noch kurz, dann kippte auch ich das Gesöff runter und genoss das warme Kribbeln. Auf den leichten Brechreiz reagierte ich innerlich mit einer Mischung aus Ignoranz und Befriedigung.
Am Rande meines Bewusstseins registrierte ich, dass die Musik leiser wurde und auch den blaugekleideten Grund dafür. Stumm zog ich meinen Geldbeutel aus der Arschtasche, kramte Personalausweis und Führerschein hervor und hielt beides dem massigen Polizisten hin. Der warf nur einen kurzen Blick darauf und legte die beiden unterschiedlich großen Plastikkarten neben mir auf den Tisch, verabschiedete sich kurz und verschwand.

Das Gefühl, das schon den ganzen Abend wie ein Stein auf meine Brust drückte, sich aber in den letzten Stunden einigermaßen gelegt hatte, war wieder da. Ich bekämpfte es nicht, sondern ließ es wieder in mich ein wie schon so viele Male zuvor. Nur in solchen Momenten hatte ich den Mut, einfach auf alles zu scheißen und ein Haus anzuzünden oder einfach Menschen schon durch meine bloße Anwesenheit Angst einzujagen. Stunden später wachte ich dann immer irgendwo anders auf und dachte über diese so merkwürdigen und so schmerzhaften Phasen meines Daseins nach.
Und ich war stolz darauf, fütterte meinen sowieso schon grenzenlosen Narzissmus damit, jedenfalls solange bis ich wieder seit einer Woche oder so klar war. Dann wurde ich anders. Fühlte mich merkwürdig; nicht schlecht, nur merkwürdig. Irgendwie klein, unvollständig. Viel zu normal. In dem Moment da mir das Wort "normal" durch den Kopf ging, wusste ich was zu tun war. Ich musste trinken, kiffen, rumhuren, allein und weinend im Schnee sitzen, dann weitertrinken bis ich kotzen musste und schließlich irgendwo auf dem Boden einschlafen.
So war ich eben und so wollte ich es... Ein Leben zwischen Rausch und Realität, ein Freak unter Menschen, der Wolf in der Schafsherde... Nichts als ausgebrannte Träume in mir, wie Kippenstummel auf dem Boden meiner Seele verteilt...

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