Freitag, 2. Juli 2010

Sleep.Mode XVI - der Sickman

Das aggressive Gesicht eines Wahnsinnigen stiert durch das Fenster. Schaum ist vor seinem Mund, er ist etwa vierzehn Jahre alt. Er stöhnt, wie ein Betrunkener mit Erektion und haut seinen Kopf und die Fäuste gegen die Fensterscheibe. Seine Stirn platzt auf und dickflüssiges Blut rinnt aus der Wunde. Die Scheibe bekommt den ersten Knacks. „Wir müssen das Fenster aufmachen. Wenn es zerbrochen ist, bietet es keinen Schutz.“ Josie hat recht. Ich öffne das Fenster und der dicke, jugendliche Irre quetscht seinen Körper durch das Fenster. Als er bis zum Oberkörper durch ist, schieße ich ihm in einem Abstand von etwa dreißig Zentimetern in das rechte Auge. Der Körper erschlafft und hängt sofort regungslos in dem kleinen Dachfenster. In etwa drei Stunden sollte es wieder hell sein. Ich taste die Leiche nach einer Waffe ab, kann aber bis auf ein Schmetterlingsmesser nichts weiter finden. Doch auch solche kleinen Waffen können manchmal nützlich sein. Wir drücken den Irren zurück auf das Dach und schließen das Fenster.
„Wie ist der eigentlich da hoch gekommen?“
„Keine Ahnung. Ich hab noch nie gesehen, dass die klettern können.“, antwortet Josie.
„Willst du dich noch mal pennen legen?“, frage ich sie.
„Ich glaub', das gestaltet sich ein wenig schwierig. Ich möchte ehrlich gesagt nicht noch einmal von diesen Viechern überrascht werden.“
Ich verspreche ihr, auf sie aufzupassen und wir gehen zurück zum Schlafsack.
„Höchstwahrscheinlich müssen wir über das Dach hier raus morgen. Unten wird durch den Schuss bald alles voll mit Sickmen sein.“
Ich sage ihr, dass es eine gute Idee ist und ziehe den Schlafsack zu. Mittlerweile ist es echt kalt auf dem Dachboden geworden und wenn wir schon nicht pennen, sollten wir uns wenigstens warm halten. Vielleicht will ich nur weiterhin ihre Nähe spüren, keine Ahnung. Ich habe das Gefühl, dass ich mich emotional gerade komplett in die Scheiße reite. Ich sollte mich von dieser Sache abgrenzen. Aber wie?
„Du Josie, der Kuss vorhin...“
„Welcher Kuss?“
„Na der bevor der Irre am Fenster war.“
„Da gab es keinen Kuss, Banker. Versuch einfach zu schlafen.“
Während sie es sagt, schaut sie mich mit ihren Husky-Augen eindringlich an. Dann dreht sie sich weg und tut so, als würde sie selbst schlafen. Das Herpes-Bläschen an meiner Lippe juckt fürchterlich aber ich reiße mich zusammen, nicht daran rumzufummeln. Ich drehe mich noch einmal kurz um und sichere meine Waffe. Das hatte ich ganz vergessen. Dann kuschel ich mich löffelchenstellungsmäßig an ihren Rücken und schließe die Augen. Noch mal drei Stunden Schlaf. Wenn man Glück hat.

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