Dienstag, 18. Mai 2010

Schwarz IV

Der regen klatschte hart gegen die Fenster des kleine Restaurants. In Strömen lief das Wasser daran herunter, als gäbe es außerhalb dieser Räumlichkeiten nicht viel mehr als Wasser und graue, triste, vernebelte Luft. Vereinzelt sah man durch den Schleier des Sturzwassers Leute an den Fenstern vorbeieilen, ihre Regenschirme aufgeschlagen und vor sich haltend.
Der Mann betrachtete eine junge Frau in einem kurzen roten Kleid, welche vor einem der Fenster saß, und die Traurigkeit in Person zu sein schien. Sie saß da und schaute verdrossen in ihr halb geleertes Glas Rotwein. Ihr dunkles Haar hing glatt und zu gleichen Teilen links und rechts von ihrem Kopf herab. Sie schien versetzt worden zu sein, dachte er und beschloß sich zu ihr zu gesellen.
"Hi." sagte er, als er vor ihr stand.
"Hi." kam die Antwort, gefolgt von einem unterdrückten schluchzen.
"Kann ich mich zu Ihnen setzen?"
"Ja natürlich, der Platz ist ja nun frei."
"Wie lange warten Sie schon auf ihn?" Er schaute abschätzend auf die Weinflasche, in der Mitte des Tisches und zog seine Abgegriffene Schachtel Gauloise Blondes heraus. "Auch eine?" Sie nickte und er reichte ihr eine ohne zu vergessen ihr mit einem Benzinfeuerzeug, das er schnell aus der anderen Tasche zog Feuer zu geben. Anschließend zündete er sich selbst eine an.
"Das ist ja schon eine Weile." sagte er weiter mit einem erneuten Blick auf den Wein, als sie forthin schwieg. "Lieben Sie ihn?"
"Nicht mehr. Ich wollte heute Schluß machen, aber das habe ich jetzt via Kurznachricht erledigt. Wie kamen Sie dazu sich hierher zusetzen?"
"Ich habe Sie gesehen und war sicher, daß Sie Gesellschaft nicht ablehnen würden."


Er blickte stumm auf die Anzeigen. Graphen, Schemata und einige der größeren Bilderzeuger zeigten den Raum zum Bug, Steuerbord, Backbord und Achtern. Nichts, was er nicht in den letzten Tagen schon gesehen hatte. Er klinkte sein Pad an der Konsole ein und begann Musik zu spielen. Mahlers erste Sinfonie hallte nun sanft durch das Schiff. Wunderschön, schmiegten sich die Töne in sein Trommelfell und er schloß die Augen.

"Natürlich!" sagte sie. "Ist das so eine dumme Anmache um mich heute flachzulegen?"
"Bis eben war es das." antworte er und schaute ihr tief in die rehbraunen Augen. Sie waren etwas naß und ihr Makeup war leicht verwischt. Er reichte ihr ein Taschentuch.
"Was halten Sie von ... " er verstummte, kramte in seiner Jacke und holte einen Stadtführer von Berlin hervor. "Ich hab nicht mehr viel Zeit auf diesem Planeten. Ein paar Wochen noch. Also was halten Sie davon, wenn wir uns heute ein Theaterstück zusammen ansehen? Da gibt es eines, das ich letzte Woche schon gesehen hatte. 'Der Futorologische Kongreß' nach einer Novelle von Lem. Ich fand es sehr amüsant und Sie sehen so aus, als könnten Sie etwas Spaß vertragen."
Sie nickte und begann zu lächeln. Er lächelte mit und rauchte lasziv, was sie anscheinend sogar anziehend fand denn sie stützte ihr Gesicht in ihre Hände und schaute ihn interessiert an.
"Mein Name ist Elaine. Wie heißen Sie unbekannter blonder Mann?"


Ein Pfeifton. Augen auf. Licht.
"Amber?"
"Ja, Captain?"
"Wie spät ist es? Ich muß eingeschlafen sein."
"AM-Null-Sechshundert."
Tatsächlich war er über Mahlers Musik, welche mittlerweile verstummt war, eingeschlafen und hat mehrere Stunden lang seine Arbeit vernachlässigt.
"Irgendwelche Vorkommnisse?"
"Nein. Anzumerken ist, daß wir in achtundvierzig Stunden in die Beschleunigungsphase eintreten."
Er zog eine Zigarette aus seiner Brusttasche und zündete sie an.
"Okay, Amber." sagte er und drehte seinen Posten um neunzig Grad. "Es wird Zeit die Checkliste durchzugehen. Bist du bereit."
"Ja."
"Auf geht's."

2 Kommentare:

  1. Sorry, ich hab noch gar nicht gelesen und so (werde ich am WE nachholen), aber ich musste einfach mal fix zu 2000 aufrufen gratulieren!

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