Dienstag, 11. Mai 2010

Sleep.Mode IV - Selbstportrait

Ich sehe keine Sonne. Dennoch merke ich, dass es heller wird. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich hinter der Blocksiedlung den immer heller werdenden Horizont. Ich öffne mir ein Bier, zünde mir meine letzte Zigarette an und lauere. So, wie es diese Bastarde tun. Als die ersten, wirklichen Sonnenstrahlen vor dem Haus auftauchen und sich mit ihren unsichtbaren Händen an den Häusermauern hochziehen, stehe ich auf und schaue mich nach ewiger Zeit zum ersten mal im Spiegel an. Es ist ein matter Rundspiegel, der an einem Regal voll mit Kinderspielsachen lehnt. Mein Dreitagebart lässt mich wie einen ungepflegten Kinderficker erscheinen. Mein weißes s.Oliver-Hemd ist blutgetränkt. Früher hätte ich einen totalen Wahn bekommen und meine Klamotten schon bei den kleinsten Flecken in die Reinigung gegeben. Auch meine dunkelgraue John Crocket Anzughose mit Nadelstreifen ist voller Dreck und meine schwarzen Tricker's Full Brogue Picadilly Black habe ich schon vor einiger Zeit gegen x-beliebige Springerstiefel getauscht, die ich einem sterbenden Punk in dieser Cocktailbar abgezogen habe, als es anfing.

Ich kann nicht sagen, dass diese Epedimie überraschend für mich kam. Ich habe sie mir herbeigewünscht, gehofft, dass sie irgendwann passiert. In meinen Gedanken malte ich mir aus, mein altes Leben hinter mir zu lassen und anarchistisch mit anderen Rebellen umherzuziehen und mir das zu nehmen, was ich brauche. Im Nachhinein betrachtet ist diese Vorstellung lächerlich. Es endet immer damit, dass man auf sich allein gestellt ist und alle verliert, die man nur verlieren kann.

Ich nehme den letzten Zug der Zigarette und trete sie auf dem Holzboden aus. Dann leere ich das Bier und packe meine Sachen zusammen. Die Taschenuhr zeigt 9:45. Ein perfekter Mai-Tag, um draußen spazieren zu gehen. Ich öffne die Kellerluke, schmeiße den zusammengerollten Schlafsack, meinen Rucksack mit Hygiene-Krams und Erste-Hilfe-Sachen in das Stockwerk unter mir und steige rückwärts die Leiter herunter. Die P7 fest umklammert. Noch ein mal tief durchatmen und die Tür auf die Straße aufstoßen. Die Klinke fühlt sich an, als hätte sie jemand heute schon festgehalten und angewärmt. Kann aber auch entweder an der Sonne oder meiner langsam steigenden Verwirrung liegen. Ich drücke die Klinke nach unten und trete, wie in so einem bescheuerten Action-Film die Tür auf.

2 Kommentare:

  1. M1A1- Gorillaz... irgendwie passt das grad, da ichs grad hörte^^

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  2. gefällt mir sehr gut. mach weiter so ole. du schaffst es irgendwie ziemlich geil das innenleben deines protagonisten zu beleuchten.
    greets, der Herr Belka

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