Freitag, 28. Mai 2010

Sleep.Mode XI - monoton schwarz

Ich weiß, dass es eine schlechte Idee ist. Wahrscheinlich ist es mein Tod. Vielleicht locke ich damit Horden von den Wahnsinnigen zu mir. Doch man sollte ernsthaft einmal versuchen, komplette zwei Wochen ohne Kaffee zu überleben. Das ist die Hölle. Die Waffe ruht immer noch entsichert in meiner Hand, mit der anderen halte ich eine Lucky Strike Red zwischen meinen Fingern. Die Maschine schreit mir den Produktionsvorgang meines Kaffees entgegen. Für gewöhnlich würde man diese Geräusche kaum mitbekommen zwischen dem Lärm der Schüler. Zwischen den Röchelgeräuschen des Automaten ertönt ein fast unscheinbares „Klick“. Ich strecke meine Waffe gerade nach vorn aus, drehe mich herum und die Mündung meiner Walther ist auf einen schwarzen Haaransatz gerichtet. Ich ziehe meinen Arm weiter herunter und die Waffe zielt zwischen ein huskyblaues Augenpaar. Die Wimpern sind mit schwarzem Make-Up verlängert und zwischen ihnen befinden sich wenige, kleine Klumpen vom Mascara. Ich halte die Luft an. Mein Gegenüber schaut mir in die Augen, scheint nicht zu zwinkern und atmet ruhig, als würde er schlafen. Aus meinen Augenwinkeln sehe ich, wie die Person langsam ihre Waffe in Richtung meines Brustkorbs setzt. Ich versuche weiterhin Augenkontakt zu halten, obwohl ich liebend gern wissen würde, wie dieser Mensch im Großen und Ganzen aussieht. Die Haut ist blass und rein. Komplett frei von Mitessern oder Unreinheiten. In den Augen befinden sich kleine, rote Fädchen, wahrscheinlich aufgrund von Schlafmangel. Der Eyeliner ist leicht verwischt unter dem Auge, doch der Kajal, ich schätze Flüssigkajal, wegen der akribisch genauen Abzeichnung, ist wie frisch aufgesetzt. Die Haare sind monoton schwarz. Gefärbt, soweit ich das sehe, denn ich kann keine hellere oder dunklere Strähne finden. Ein paar selbstgefilzte Dreadlocks sind unter den dichten Haaren zu erkennen. Nicht viele. Vielleicht zehn. Die Ohren sind gepierct. Am rechten Ohr befindet sich ein schwarzer Segment-Ring, der an jedem Ende mit einer schwarzen Stachel verziert ist. Immer noch stehen wir voreinander, niemand will die Waffe herunter nehmen, da der andere ansonsten abziehen könnte, bevor man auch nur ein Wort sagen kann. Ihre Pistole liegt mittlerweile direkt auf meiner Brust, ich spüre, wie sie leicht zittert. Sie hat Angst. Für gewöhnlich hätte ich ihr schon vor fünf Minuten den Kopf weggeblasen, doch sie scheint noch am Leben zu sein. Oder sie ist wirklich eine lernfähige Wahnsinnige. Ich spüre, wie mein Adrenalinspiegel steigt und meinen Kopf zu überschwemmen droht. Meine Hände werden schwitzig, dennoch verstärke ich den Griff an meiner P7. Ich fange an schneller zu atmen, bekomme keine Luft mehr. Sie sieht es scheinbar als ein Anzeichen für Aggression, denkt, ich wäre auch wahnsinnig und geht mit ihrer Waffe ebenfalls an meinen Kopf. Meine Augen brennen, weil mir der Schweiß von meiner Stirn in Strömen läuft und ich fange an, wie blöd zu blinzeln. Dennoch behalte ich meinen ausdruckslosen Blick, so wie sie. Der Kaffee ist bereits durchgelaufen und meine Zigarette bis auf den angesengten Filter heruntergebrannt. Ich atme tief ein und lecke mit meiner Zunge meinen Gaumen an. Gott, hab ich eine Mundwüste. Ein weiteres mal tief einatmen. Meine Nervosität sinkt. Ich öffne meinen Mund und setze zur alles entscheidenden Frage an.

2 Kommentare:

  1. Wunderbar geschrieben und vor allem BEschrieben. Ein echtes Meisterwerk meiner bescheidenen Meinung nach :)

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  2. Ich find deinen Text auch klasse und kann mich eigendlich nur DasChris' Meinung anschließen. Du gehst hier mit einer Detailtreue vor, die ich beeindruckend finde. Weiter so.
    Beste Grüße,
    Herr /root

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